Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt ohne Flächenbahn?

Kahlschlag im Regionalverkehr

Am 9. Juli 2002 hat die Landesregierung Sachsen-Anhalts beschlossen, den Schienenpersonennahverkehr auf vielen Strecken und Streckenabschnitten von der NASA ("Nahverkehrsservice-Gesellschaft Sachsen-Anhalt") abbestellen zu lassen.

Betroffen sind zum 1. Oktober

  1. Bad Schmiedeberg - Bad Düben
  2. Bitterfeld - Stumsdorf
  3. Magdeburg - Barby - Güterglück
  4. Güterglück - Belzig
  5. Oebisfelde - Salzwedel
  6. Salzwedel - Wittenberge
  7. Eilsleben - Blumenberg
  8. Egeln - Staßfurt
  9. Heudeber-Danstedt - Osterwieck
  10. Blankenburg - Elbingerode
  11. Hettstedt - Gerbstedt
  12. Querfurt - Röblingen
  13. Halle-Dölau - Halle-Nietleben

Anfangs soll Schienenersatzverkehr mit Bussen (SEV) angeboten werden. Dauerhaft ist dies nicht gesichert, wie es in Sachsen-Anhalt an anderer Stelle die Fahrgäste schon zu spüren bekamen.

Der Beschluss zur Abbestellung kommt einer Aufforderung zur Stillegung der Strecken gleich. Ohne weitere Zuschüsse allein aus dem vorhandenen Güterverkehr und gelegentlichen Sonderzügen dürfte Erhalt und Betrieb der Infrastruktur kaum möglich sein.

Für die Bestellung der Personenzüge im Nahverkehr bekommt das Land vom Bund sogenannte Regionalisierungsmittel. Mit diesen Geldern bestellt das Land Sachsen-Anhalt über die NASA bestimmte Strecken bei DB Regio bzw. bei der Burgenlandbahn. Die Bezahlung erfolgt nach Zugkilometern und Ausbaustand der Strecke. Das tatsächliche Fahrgastaufkommen (Einnahmen durch Kartenverkauf) hat darauf keinen Einfluss.

Das Land erwartet bei den Regionalisierungsmitteln des Bundes jährlich Einsparungen von 12 Millionen Euro. Damit soll im Landeshaushalt ein Loch von ca. 40 Millionen Euro für Schülerfahrkarten im Busverkehr „gestopft" werden. Zu den Zahlungen der geschätzten 40 Millionen Euro ist das Land nach § 45a des Personenbeförderungsgesetzes verpflichtet, Offenbar hat es Sachsen-Anhalt vergessen, diese Mittel pflichtgemäß in den Landeshaushalt einzustellen. Das Haushaltsdefizit wäre größer - entgegen aller politischen Beteuerungen des Geldsparens.

Demo am Bahnhof
Am Haltepunkt Bandau (Strecke Salzwedel - Oebisfelde) demonstrierten Bahnkunden für den Erhalt der Strecken, die jetzt kurzfristig vom Land abbestellt werden sollen. Foto: Ingo Franßen

Fahrgäste, Kommunalparlamente und -politiker erfuhren von dieser grundlegenden Entscheidung wenige Tage vorher durch eine Nachricht aus der Lokalpresse. So hüllte sich der Vertreter der Landesregierung noch vor einigen Wochen bei Konferenzen zu Regionalentwicklung der Altmark in Schweigen, obwohl allein hier die über 100 Kilometer lange Verbindung Oebisfelde - Salzwedel - Wittenberge abbestellt und somit auch das Touristenzentrum Arendsee von der Bahn abgehängt werden soll.

Verwirrung schafft die kurzfristige Abbestellung auch bei den Kreisen der zumeist ländlichen Regionen. Sie sind gerade dabei, die Schülerfahrkarten für das neue Schuljahr 2002/2003 zu bestellen und dürfen sich nicht einmal mehr auf den gültigen Fahrplan der Deutschen Bahn verlassen.

Gegen diese (Un-)Taten der Landesregierung regt sich unter den Bahnkunden Empörung und Widerstand. Innerhalb weniger Tage sammelte die Initiative „Die Bahn bleibt" allein in der dünnbesiedelten Altmark über 1 500 Unterschriften, die am 9. Juli 2002 vor der Kabinettssitzung Verkehrsminister Dähre übergeben wurde, Erreichen konnte sie ein Gesprächsangebot des Ministers im August. Den Beschluss abwenden konnte sie bisher nicht.

Wenn die Landesregierung den Beschluss nicht von sich aus zurücknimmt, müssen die Abgeordneten im Landtag Sachsen-Anhalts den Erhalt des Bahnverkehrs jetzt beschließen.

Weiteres zum Thema in der nächsten Ausgabe des Signals.

DBV Sachsen-Anhalt

aus SIGNAL 4/2002 (September/Oktober 2002), Seite 25

 

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