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Seit mehreren Jahren publiziert die
Deutsche Bahn AG, dass sie
beabsichtigt, die Fahrpreise für
den Fernverkehr neu zu gestalten.
Dabei gehe es ihr in erster Linie
darum, das Preissystem zu
vereinfachen und für den Kunden
eine bessere Übersichtlichkeit
herzustellen.
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Züge mit und ohne Plan & Spar, mit und ohne Wochenendbindung, mit und ohne Reservierung, aber alle mit Bahncard, mit und ohne Kontingentierung. Das zeichnet das einfachere Tarifsystem der Deutschen Bahn AG ab 15. Dezember 2002 aus. Foto: Fern- und Regionalzüge im Bahnhof Bamberg, DB AG/Klee |
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Nach Auffassung der Bahn soll „Das neue
System ... durch klare Konditionen und
attraktive Preise unser Preisimage deutlich
verbessern und damit mehr Verkehr
auf die Schiene bringen". Seit geraumer
Zeit steht als Termin für die Einführung
des neuen Preissystems der 15. Dezember
2002 fest. An diesem Tag finden auch
umfangreiche Fahrplanänderungen statt;
die Eisenbahnfahrpläne werden einheitlich
in ganz Europa künftig nicht mehr
im Mai und Oktober (Sommer- und Winterfahrplan),
sondern nur einmal - eben
Mitte Dezember geändert.
Die tatsächlich zu erwartenden Beförderungspreise
für das neue System hat
die Bahn Mitte Oktober bekanntgegeben.
Die Grundpreise entsprechen etwa den
bisher geltenden Fahrpreisen, für Entfernungen
über 180 Kilometer werden durch
eine degressive Staffelung die Preise pro
Kilometer etwas billiger als bisher.
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Der persönliche Beratungsbedarf in den Reisebüros und Fahrkartenausgaben wird mit dem neuen Preissystem sicherlich erheblich zunehmen. Foto: Georg Radke |
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In den meisten Veröffentlichungen der
Deutschen Bahn AG kommt allerdings
nicht deutlich zum Ausdruck, mit welchen
Beförderungsbedingungen die Fahrgäste
der Deutschen Bahn ab 15. Dezember
rechnen müssen. Dazu soll im folgenden
eine kurze Übersicht gegeben werden.
Hohe Rabatte nur mit Zug- und
Wochenendbindung
Die wesentlichste Neuheit des Systems ist
die in Werbung und Presse bereits hinreichend
verkündete Einführung von Rabatten.
Diese werden von der Bahn „Plan & Spar-Preis"
genannt und enthalten, je
nach Vorverkaufstermin, Ermäßigungen
von 40, 25 oder 10 Prozent. Wesentlich
dabei ist, - und das kam in der Werbung
zu kurz - daß solche ermäßigte Fahrkarte
ausschließlich mit „Zugbindung" verkauft
werden. Das heißt, die Bahn bestimmt,
mit welchem Zug der Kunde zu
fahren hat und hält dafür ein begrenztes
Kontingent bereit. „Zugbindung" bedeutet
jedoch nicht, daß der Reisende auch
einen Sitzplatz bekommt - dazu muß er
zusätzlich eine Platzreservierung für
2,60 Euro kaufen. Die Ermäßigungen von
25 und 40 Prozent gibt es nur zusammen
für Hin- und Rückfahrt; bei 40 Prozent Ermäßigung
muß zwischen Hin- und Rückfahrt
ein Wochenende liegen. Nutzt ein
Reisender den vorgeschriebenen Zug
nicht, kann er gegen einen Zuschlag von
45 Euro (!) plus der Differenz zwischen
dem ermäßigten und dem Normalpreis
einen anderen Zug benutzen.
Auch gibt es weitere Rabatte, die jedermann
ohne Bedingungen in Anspruch
nehmen kann: Mitfahrer- und Bahncard-Rabatt.
Gültigkeit
Die Gültigkeit einer Fahrkarte betrug bisher
pro Fahrt vier Tage, wobei innerhalb
dieses Zeitraumes Unterbrechungen erlaubt
waren. Zum Normalfahrpreis gilt sie
künftig nur zwei Tage, am ersten Geltungstag
bzw. auf der Rückfahrt am Tag
des Fahrtantrittes sowie am jeweils ersten
Folgetag, so daß Unterbrechungen stark
eingeschränkt sind.
Produktklassen
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Statt halbem Preis für das Volk gibt es ab 15. Dezember nur noch 1/4-Preis für halbe Volk. Und wer Glück hat, bekommt bei seiner Fahrt über 180 Kilometer auch einen der kontingentierten 40 Prozent-Plätze. Für alle anderen wirds halt teurer. Foto: Georg Radke, Dresden Hbf |
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In der Vergangenheit gab es Personen-,
Eil-, Schnell- und Expreßzüge. Für diese
im wesentlichen von der Geschwindigkeit
bestimmten Beförderungsarten wird
nunmehr der Begriff „Produktklasse" eingeführt,
der die Züge nicht unbedingt allein
durch die Geschwindigkeit unterscheidet.
So gehören zur „Produktklasse
ICE" (man beachte die Schreibweise!):
der Intercity-Express, Intercity-Express-Sprinter,
Cisalpino, Thalys. Zur „Produktklasse
IC/EC" gehören Intercity und Eurocity
und zur „Produktklasse C": Interregio,
Interregio-Express, Regionalexpress,
Regionalbahn und S-Bahn.
Erstattung
Für die Erstattung des Fahrpreises (Rücktritt
vom Vertrag: §§ 349, 346 BGB) will
die Bahn bereits dann Sanktionen erheben,
wenn eine Fahrkarte am ersten Geltungstag
vor Antritt der Reise zurückgegeben
wird.
Zuschläge
Zu den künftigen Preisen sind bereits wieder
Aufpreise vorgesehen: Für die Benutzung
der ICE-Sprinter 10 bzw. 15 Euro je
nach Wagenklasse, sowie für die Schnellfahrstrecke
Köln - Frankfurt/M zusätzlich
12 Euro pro Person und Richtung.
Kinder und Jugendliche
Im folgenden wird auf weitere Neuheiten
des künftigen Preissystems hingewiesen,
die zum Teil auch Verbesserungen für bestimmte
Fahrgäste enthalten. So werden
Kinder bis einschließlich 14 Jahre unentgeltlich
befördert, wenn sie in Begleitung
mindestens eines Eltern- oder Großelternteiles
oder deren Lebenspartner fahren
und ihre Anzahl auf der Elternfahrkarte
angegeben ist. Kinder im Alter zwischen
6 und 14 Jahren ohne eine Begleitung
werden zum halben Fahrpreis befördert.
Rabatte nutzen
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Fahrkartenkauf am Automaten. Foto: Marc Heller |
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Bei Nutzung der bereits erwähnten Plan &
Spar-Preise können Reisende, die beispielsweise
ihren Urlaub längerfristig planen, die
Hin- und Rückfahrt gemeinsanr
antreten, eine Bahncard besitzen, mit der
vorgegebenen Zugbindung für Hin- und
Rückfahrt einverstanden sind und diese
auch nutzen, eine Reihe Rabatte beanspruchen.
Für „Plan & Spar 40" (40 Prozent
Ermäßigung) muß die Fahrkarte spätestens
sieben Tage vor Fahrtantritt erworben
werden. Hinzu kommen 25 Prozent
Ermäßigung für die Bahncard. Jede
zweite bis fünfte mitfahrende Person erhält
dazu 50 Prozent Mitfahrer-Rabatt. So
müßte beispielsweise eine gemeinsam
reisende Familie mit drei Erwachsenen
(wenn alle drei eine Bahncard besitzen)
und drei Kindern für eine Reise, deren
Normalpreis für die gemeinsame Hin- und
Rückfahrt 100 Euro kosten würde,
folgendes zahlen: Für die drei Kinder
nichts. Für die erste Person (Plan & Spar
40 plus Bahncard) 45 Euro. Für die zweite
und dritte Person dazu 50 Prozent Mitfahrer-Rabatt,
also je 22,50 Euro; zusammen
also für alle sechs Personen 90 Euro.
Eine Bahncard für den Ehe- oder Lebenspartner
wird zum Preis von fünf Euro ausgestellt,
wenn mindestens ein Kind unter
18 Jahren im Haushalt lebt und eine Kindergeldbescheinigung
vorgelegt wird. Im
übrigen kostet eine Bahncard künftig
60 Euro für die zweite oder 150 Euro für
die 1. Klasse. Da die Zugbindung keinen
Anspruch auf einen Sitzplatz bedeutet
(was eigentlich unverständlich ist) wird
bei solchen Reisen eine Sitzplatzreservierung
empfohlen; der Peis dafür beträgt
pro Person und Richtung 2,60 Euro.
Ersatzleistungen der DB AG
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Fahrkartenschalter im Bahnhof Bützow 1990. Foto: DBV-Archiv |
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In letzter Zeit häufen sich Diskussionen
um Ersatzleistungen der Bahn für Schäden,
die dem Reisenden bei Verspätungen
und Ausfall von Zügen entstanden
sind. Insbesondere Verbraucherschutzverbände
fordern hierfür Regelungen,
wie sie zwischen Vertragspartnern im
Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im
Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
(AGB-Gesetz) vorgeschrieben
sind. Nach den neuen Beförderungsbedingungen
will die Bahn
dem Reisenden nur den
Schaden ersetzen, der dadurch
entsteht, daß die Reise
wegen Verspätung oder
Ausfall des Zuges oder Versäumnis
des Anschlußzuges
nicht bis 1.00 Uhr des
Folgetages mit einem anderen
fahrplanmäßigen
Verkehrsmittel fortgesetzt
werden kann. Der Schadensersatz
umfaßt Übernachtungs-
oder eventuelle
Taxikosten. Die Ersatzpflicht
soll jedoch bei für
die Bahn unabwendbaren
Umständen und Selbstverschulden
des Reisenden
ausgeschlossen sein. Hier
wäre zu prüfen, ob das Unternehmen
derartige Risiken
auf seine Kunden abwälzen
kann.
Auf weitere Einzelheiten
der Beförderungsbedingungen
- zum Beispiel
Gruppenfahrten, Gepäck- und
Fahrradbeförderung,
Zeitkarten und ähnliches -
wurde hier vorerst verzichtet.
Diesbezüglich auftretende
Probleme könnten
im Einzelfall erörtert werden.
Sind Teile der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen ungültig?
Offenbar hat die DB AG bei der Ausarbeitung
und das Bundesministerium für Verkehr
bei der Genehmigung dieser Allgemeinen
Bedingungen das Gesetz zur Modernisierung
des Schuldrechts - eine Novelle
des Bürgerlichen Gesetzbuches
(BGB) - nicht beachtet. Nach § 305 a
BGB sind nunmehr die Tarife und Ausführungsbestimmungen
der Eisenbahnen,
die mit Genehmigung der zuständigen
Verkehrsbehörde erlassen wurden, in
die strengen Regeln über den Inhalt Allgemeiner
Geschäftsbedingungen einbezogen
worden. Nach diesem Gesetz wären
eine Reihe der oben genannten Vorschriften
der „BB Personenverkehr" unwirksam.
Zum Beispiel:
- Die Erhebung einer „Gebühr" von
45 Euro bei Nichtbenutzung des vorgeschriebenen
Zuges oder die Vorschrift
über die Nichtrücknahme der Fahrkarte
vor Antritt der Reise an ihrem ersten
Geltungstag (§ 308 Ziffer 7 BGB: Unwirksamkeit
für den Fall, daß der Reisende
vom Vertrag zurücktritt oder ihn
kündigt und die Bahn einen unangemessen
hohen Ersatz für ihre Aufwendungen
verlangt).
- Die erhebliche Haftungseinschränkung
bei Verspätung und Ausfall von Zügen
(§ 308 Ziffer 8 BGB: Die Bahn ist bei
Nichtverfügbarkeit der Leistung - Ausfall
oder Verspätung - verpflichtet, den
Fahrgast über die Nichtverfügbarkeit
unverzüglich zu informieren und die
Gegenleistung - das Fahrgeld - dem
Fahrgast unverzüglich (!) zu erstatten).
- Die Forderung, daß die Nichtbenutzung
eines Fahrausweises - oder einen
anderen Anspruch - der Fahrgast beweisen
muß ( § 309, Ziff. 12 BGB: Unwirksam
ist eine Bestimmung, durch
die die DB AG Kunden die Beweislast
für Umstände auferlegt, die in ihrem
eigenen Verantwortungsbereich liegen,
oder die dem Kunden bestimmte
Tatsachen bestätigen läßt).
Der DBV wird in kürze eine umfassende
Expertise zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
des neuen Tarifsystems der
DB AG vorlegen. DBV Bundesverband
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