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Wie weiter am Alexanderplatz?

Seit vier Jahren ist der Berliner Alexanderplatz endlich auch eine Haltestelle der Straßenbahn. Wie warb doch damals die BVG: Unsere jüngste Haltestelle hat eine lange Geschichte. Doch davon, dass der Alexanderplatz wie einst auch ein echter Knotenpunkt der Straßenbahn wird, ist man heute weit entfernt.

Wenn man davon absieht, dass zur Zeit scheinbar alle Verlängerungen Richtung Leipziger Straße zum Kulturforum in weite Ferne rücken (zumindest erst nach 2008 realisiert werden sollen) bleibt ein offenkundiger Mangel der jetzigen Alex-Anbindung: Die aus der Prenzlauer Allee kommenden Fahrgäste erreichen den Alexanderplatz weiterhin nicht. Denn zur Zeit biegt die Straßenbahn-Linie 1 noch kurz davor von der Prenzlauer Allee kommend in die Torstraße in Richtung Rosa-Luxemburg-Platz ab. Über 10.000 Fahrgäste werden so täglich vor dem Erreichen des eigentlichen Umsteigepunktes im wahrsten Sinne „umgeleitet".

Obwohl die Liebe zur Straßenbahn in Berliner Amtsstuben nicht eben tief ist, entschloss man sich dazu, auch die Prenzlauer Allee direkt mit dem Alexanderplatz zu verbinden. 1996 versprach der damalige Verkehrssenator Kiemann die Inbetriebnahme dieser 700 Meter langen Verbindung, die den Titel „Alex II" bekam, für das Jahr 2000.

Pläne um den Alex
Projektierte Erweiterung des Straßenbahn-Netzes am Bahnhof Alexanderplatz mit der Einbindung in das vorhandene Netz. Zur Verdeutlichung wurden die neuen Gleisanlagen dicker nachgezeichnet. Karte: BVG

In einem vor wenigen Monaten herausgegebenen Faltblatt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wird kurz beschrieben, was aktuell geplant ist: „Die neue zweigleisige Straßenbahn-Strecke beginnt an der Prenzlauer Allee/Mollstraße (Prenzlauer Tor) und führt im Zuge der Karl-Liebknecht-Straße über Dircksenstraße zur Rathausstraße. Verbindungsstücke zur Gontardstraße und zum Alex ergänzen die Bahnanlage ... Die Strecke endet kurz vor der Jüdenstraße mit einem Gleiswechsel. Der neue Abschnitt in der Karl-Liebknecht-Straße wird mit dem bereits seit vier Jahren betriebenen Abschnitt südlich der Stadtbahnbrücke verbunden. Die letztgenannte Verbindung erfolgt vor allem aus betrieblichen Gründen, dauerhaft soll sie nicht im Linienverkehr befahren werden."

Verzögerungstaktik auch am Alex wieder erfolgreich

Aber so einfach wie es sich anhört, ist es leider nicht. Senatsbaudirektor Stimmann ließ nichts unversucht, die Straßenbahn zu verhindern und vor allem die Dircksen- und Rathausstraße endlich wieder durch den Autoverkehr zu „beleben". Diese inzwischen durch Intervention von Anwohnern und Investoren wieder verworfene Zielsetzung führte aber immerhin dazu, dass der 2. Abschnitt des Planfeststellungsverfahrens deutlich ins Stocken geriet und somit vor kurzem die Erörterungsveranstaltung nur für den ersten Bauabschnitt (vom Prenzlauer Tor bis ca. 50 Meter in die Dircksenstraße hinein) einschließlich der Verbindung mit dem bestehenden Abschnitt in der Karl-Liebknecht-Straße stattfand. Dieser Abschnitt (also die geradlinige Straßenbahntrasse in der Karl-Liebknecht-Straße) soll nach derzeitigen Senatsplanungen im Herbst 2003 in Betrieb genommen werden. Der restliche Abschnitt etwa ab Höhe Taxistand in der Dircksenstraße bis zur Jüdenstraße (Berliner Rathaus) soll erst 2003 planfestgestellt und Mitte 2004 fertiggestellt werden.

Straßenbahn unter der Brücke am Alex
Noch geht es unter der Bahnbrücke am Bahnhof Alexanderplatz nur um die Kurve. Im Bildhintergrund, dort, wo die Betonkübel stehen, soll die Strecke weiter zum Roten Rathaus (links am Bildrand) gehen. Foto: Alexander Frenzel

Die offizielle Begründung für diese im wesentlichen durch Intervention von Senatsbaudirektor Stimmann verursachte häppchenweise Inbetriebnahme lautet natürlich anders: Die seit Jahren immer noch nicht beigelegten Streitigkeiten über die Finanzierung der notwendigen Leitungsverlegungen mit den Berliner Wasserbetrieben (übrigens eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Senator für Wirtschaft als Aufsichtsratsvorsitzenden!) müssen wieder als Argument für die Verzögerung herhalten und die notwendige Tunnelsanierung der U 8 im Bereich Dircksenstraße (auch dieser Sachverhalt ist ja keine Neuigkeit) kann plötzlich erst im Jahr 2003 erfolgen.

Erster Bauabschnitt bietet keine akzeptablen Umsteigemöglichkeiten

Und so hat das Gerangel über die Neubaustrecke mal wieder fatale Konsequenzen für die Fahrgäste. Denn wenn in einem Jahr der erste Bauabschnitt in der Karl-Liebknecht-Straße tatsächlich in Betrieb gehen sollte, so würde die Straßenbahn an ihrem eigentlichen Ziel vorbeifahren - dem Regional, S- und U-Bahnhof Alexanderplatz.

Geht es nach den Vorstellungen des Senats, so soll die Straßenbahn-Linie 1 dann nämlich (als Interimslösung) die Karl-Liebknecht-Straße auf ganzer Länge entlang fahren, dass heisst, sie würde nur an der neuen Haltestelle Memhardstraße halten und dann Richtung Spandauer Straße ohne weitere Haltestelle weiterfahren. Die Umsteigesituation zu den S-Bahn-Linien und insbesondere zu den U-Bahn-Linien 2 und 8 würde sich gegenüber den jetzigen Umsteigewegen am Hackeschen Markt, am Rosa-Luxemburg-Platz bzw. der Weinmeisterstraße deutlich verschlechtern. Der Umsteigeweg von der Haltestelle der Straßenbahn Memhardstraße bis zum S-Bahnhof bzw. zu den U-Bahnsteigen würde 200 Meter bis 300 Meter betragen und auch die Überquerung der Karl-Liebknecht-Straße voraussetzen.

Straßenbahn in Richtung Rathaus
So könnte es einmal aussehen: ein Straßenbahn-Zug fährt zur neuen Endstelle Rathausstraße. Links die Halle des Bahnhofs Alexanderplatz, die letzten Stockwerke des Alexanderhauses sind auch noch sichtbar. Fotomontage: BVG

Eine vorzeitige Verlegung der Straßenbahn-Linie 1 in die Karl-Liebknecht-Straße ist daher aus Sicht der Fahrgäste abzulehnen. Die avisierten Fahrgastzahlen von ca. 20.000 Fahrgästen pro Tag gegenüber zur Zeit 11.000 auf der Prenzlauer Allee sind unter solchen Bedingungen nicht zu erreichen.

Darüber hinaus verschlechtert sich für viele Fahrgäste die Umsteigesituation, ohne dass sie sich für die übrigen verbessert. Und das kann nicht das Ziel dieser Netzerweiterung sein.

Wie kann man also diese Rumpfstrecke für den Fahrgast nutzbar machen ? Um die Straßenbahn-Neubaustrecke in der Karl-Liebknecht-Straße nicht fast ein Jahr lang ungenutzt liegen zu lassen, sollte auf dieser Strecke ein provisorischer Betrieb erfolgen. Denkbar wäre die Einrichtung einer (Interims-) Linie E die zum Beispiel von der Endstelle Eberswalder Straße über Prenzlauer Allee und Karl-Liebknecht-Straße zum Hackeschen Markt fahren könnte.

Erst wenn der U-Bahnhof Alexanderplatz (Haltestelle in der Dircksenstraße) direkt von den aus der Prenzlauer Allee kommenden Fahrgästen erreicht werden kann, sollte die Linie 1 im Interesse der übergroßen Mehrzahl der Fahrgäste in die Karl-Liebknecht-Straße verlegt werden. Dann kann auch die vorgeschlagene provisorische Linie E wieder eingestellt werden.

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 6/2002 (Januar 2003), Seite 4-5

 

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