Vergleichbar mit dem Straßennetz können
zum Beispiel Güterzüge freizügig
über diese Strecken verkehren, um ihr Ziel
auf dem günstigsten Weg zu erreichen.
Dieses klingt nun wirklich sehr banal,
doch das Netz ist nur deshalb ein solches,
weil unzählige Verknüpfungspunkte zu
den Nebenstrecken existieren, die im Folgenden
als Infrastrukturanschlüsse bezeichnet
werden sollen.
Ein Infrastrukturanschluss besteht bei
abzweigenden Bahnen in der Regel aus
einer Verbindungsweiche, sicherungstechnischen
Einrichtungen (zum Beispiel
Signal- und Stellwerkstechnik) sowie ergänzenden
Komponenten (zum Beispiel
Gleisabschnitte).
Leider mussten in der Vergangenheit
unzählige Infrastrukturanschlüsse aufgegeben
werden bzw. konnten bei neuen
Strecken nicht geschaffen werden. Die
Gründe hierfür sind vielfältig. Einleitend
soll ein (fiktives), allerdings durchaus typisches
Beispiel verdeutlichen, wie sich die
Situation aus Sicht der „kleinen Streckenbetreiber"
darstellt:
Ein Beispiel
Nehmen wir den Fall an, eine nichtbundeseigene
(Privat-)Bahn (NE-Bahn) übernimmt
von der DB Netz AG die zwölf Kilometer
lange stilllegungsgefährdete Nebenstrecke
von B-Stadt nach C-Dorf. Über
B-Stadt verläuft eine Hauptstrecke der DB
Netz.
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Die hohen Vorhaltungskosten für die Infrastruktur der DB Netz AG bedeuten viele Anchlüsse das schnelle Aus. Fotomontage: Georg Radke |
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Der Bahnhof in B-Stadt verfügt unter
anderem über eine Weiche, über die die
Nebenstrecke angebunden ist. Außerdem
gibt es an der Nebenbahn ein Einfahrsignal,
dass an das alte Hebelstellwerk des
Bahnhofs angeschlossen ist. Dort schieben
zur Zeit noch drei Stellwerkskräfte
Dienst. Im Jahr 2005 soll das alte Stellwerk
abgerissen und der Bahnhof über
ein entferntes Computerstellwerk ferngesteuert
werden. Zwischen dem Einfahrsignal
und der Weiche liegen 350 Meter
Gleis sowie ein beschrankter Bahnübergang.
Die NE-Bahn möchte die Nebenstrecke
wieder „entwickeln", Kunden im Güterverkehr
zurückgewinnen, und der Tourismusverband
des Landkreises ist zumindest
bereit, einige Sonderzüge zwischen
dem Bahnhof B-Stadt und dem sehenswerten
C-Dorf zu finanzieren. Damit all
dieses überhaupt realisiert werden kann
bedarf es jedoch des Infrastrukturanschlusses
in B-Stadt.
Die Kosten
Die zuständige Niederlassung der DB Netz
AG unterbreitet der NE-Bahn ein Angebot
über den Abschluss eines Infrastrukturanschlussvertrages.
In diesem Vertrag sichert
sie die Vorhaltung der für den Infrastrukturanschluss
(vorhandenen) Weichen,
Signale usw. gegen Zahlung eines
jährlichen Entgeltes zu. Die DB Netz
bringt im Einzelnen folgende jährliche
Kosten in Ansatz (es handelt sich hierbei
um willkürlich gewählte Werte, die Kostensumme
entspricht jedoch durchaus
den in der Praxis auftretenden Größenordnungen):
Ferngestellte Weiche für Zugfahrten | 9.000,00 Euro |
350 Meter Gleis | 5.189,61 Euro |
Beschrankter Bahnübergang |
2.556,46 Euro |
Einfahrsignal | 300,00 Euro |
Anteilige Kosten für die
Schrankenbedienung | 3.000,00 Euro |
Summe | 20.046,07 Euro |
Aus Sicht der NE-Bahn ist ein derartig
hoher Betrag angesichts der noch schwachen
Nutzung der Nebenstrecke nicht finanzierbar.
Sie wendet sich daher an die
DB Netz mit der Bitte, die Kosten doch
noch einmal zu überprüfen bzw. im Interesse
der Sache doch zu verringern. Diese
lehnt Verhandlungen über ihre Preisbildung
jedoch mit Verweis auf „unveränderliche
Vorgaben der Zentrale" ab.
Aufgrund der geplanten Umstellung
des Bahnhofs auf Computerstellwerkstechnik
verlangt die DB Netz AG zusätzlich,
dass die NE-Bahn anteilig die Kosten
der Umstellung zu übernehmen habe,
anderenfalls werde die Nebenstrecke „abgebunden".
Per Einschreiben erhält die
NE-Bahn eine Bau- und Finanzierungsvereinbarung
über 135.000 Euro, die sie zu
unterschreiben habe. Auch diese „Offerte"
der DB Netz AG muss die NE-Bahn ablehnen,
da die Erlöse des Streckenbetriebs
eine derartig umfangreiche Kostenbeteiligung
nicht zulassen.
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Der Einzelwagenverkehr ist für kleinere Infrastrukturunternehmen eine interessante Einnahmequelle - sofern nicht die Kosten für den Anschluss an das grosse Eisenbahnnetz explosionsartig steigen. Foto: IGEB-Archiv |
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In der Konsequenz wird die Verbindung
zum Bahnhof B-Stadt aufgegeben. Die
Pläne zur Reaktivierung des Güterverkehrs
kann die NE-Bahn ad acta legen. Für den
Personenverkehr baut sie einen kleinen
Behelfsbahnsteig am Stadtrand, so dass
zumindest einige Sonderzüge noch verkehren
können.
Das Beispiel zeigt sehr deutlich, dass
aus Infrastrukturanschlüssen ganz wesentliche
finanzielle Belastungen erwachsen
können. Nachfolgend soll jedoch kritisch
untersucht werden, ob die gegenwärtige
Anschluss-Praxis mit den gesetzlichen
Regelungen konform läuft und inwieweit
Regelungsbedarf besteht.
In der Eisenbahngesetzgebung wird
das Thema „Infrastrukturanschluss" stiefmütterlich
behandelt. Eine althergebrachte
Regelung in § 13 des Allgemeines Eisenbahn-Gesetz
findet der Leser im Kasten
rechts unten auf dieser Seite. Diese
Regelung bezieht sich, wenngleich explizit
nicht so erkennbar, wohl auf die öffentlichen
Bahnen. Somit ist zumindest
ein gewisses Anrecht auf einen Infrastrukturanschluss
gegeben, wenngleich die
Formulierung schwammig und dehnbar
ist. Leider gibt es kaum Streitfälle, die
über das Eisenbahn-Bundesamt oder gerichtlich
entschieden wurden, auch Kommentare
dazu sind nicht bekannt.
Bezüglich der nichtöffentlichen Bahnen
gewähren einige Landeseisenbahngesetze
den Anschlussbahnen ein Anschlussrecht.
Dort, wo es noch kein Landeseisenbahngesetz
gibt, zum Beispiel im Land
Brandenburg, kann der Anschluss der
nichtöffentlichen Bahnen (zum Beispiel
Firmengleisanschlüsse) nur auf der Basis
freiwilliger Verhandlungen erfolgen.
Was bedeutet nun der Grundsatz im
AEG, der Anschluss habe unter „billiger
Regelung der Bedingungen und der Kosten"
zu erfolgen? Beide Infrastrukturbetreiber
müssen die Bedingungen und die
Kosten billigen. Dieses bedeutet nach
Auffassung des DBV, dass ein weitreichender
Verständigungs- und Einigungsprozess
zwischen beiden Infrastrukturbetreibern
in Gang gesetzt werden muss.
Einseitig vorgegebene verbindliche Vertragsmuster
passen genauso wenig in
dieses Schema wie das unweigerliche Verlangen
zur Zahlung von jährlichen
Pauschbeträgen, die keine tatsächlichen
und offenzulegenden Kosten sondern
kaum nachvollziehbare und als überhöht
einzustufende Leistungsentgelte darstellen.
So ist jedoch leider die gegenwärtige
Praxis der DB Netz AG. Die als Kosten ausgewiesenen
Positionen werden nach dem
Anlagenpreissystem (APS) berechnet. Dieses
APS ist jedoch eine Preistafel die nur
dort herangezogen werden darf, wo die
DB Leistungsentgelte frei bestimmen darf,
etwa bei der Vermietung von Abstellgleisen.
So schlagen sich gegenwärtig bereits
abgeschriebene Weichen mit den vollen
Entgeltsätzen in den Infrastruktanschlussverträgen
nieder.
Zudem muss die Frage gestellt werden,
wer eigentlich die Kosten eines Infrastrukturanschlusses
zu tragen hat. Der Grundsatz
der DB Netz AG lautet hier: Wer sich
anschließen will, muss auch alles bezahlen.
Folgerichtiger wäre aber eigentlich
ein Interessenprinzip walten zu lassen. So
profitiert die DB Netz ja in aller Regel
durch Zugverkehre, die über einen Infrastrukturanschluss
geführt werden, indem
sie Trasseneriöse im Hauptnetz erzielt. Es
wäre dann ja auch recht und billig, die
Kosten des Infrastrukturanschlusses zwischen
beiden Infrastrukturbetreibern aufzuteilen.
Es soll hier allerdings nicht unerwähnt
bleiben, dass die DB Netz einer
solchen Kostenverteilung seit knapp einem
Jahr bedingt zustimmt, allerdings
nur wenn eine bestimmte und von ihr
fallweise festgelegte Marge an jährlichen
Zügen über den Infrastrukturanschluss
verkehren. Diese Vorgehensweise ist für
die betroffenen Vertragspartner in der
Regel nicht zufriedenstellend.
Aus Sicht des DBV hat die gegenwärtige
Praxis bereits großen Schaden im
Bahnnetz Deutschlands angerichtet. Gerade
im Zuge der Ausbauvorhaben „Verkehrsprojekte
Deutsche Einheit" und den
Vorhaben nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz
sowie der schon erwähnten
Einführung neuer Computerstellwerkstechnik
ist es reihenweise zur Abbindung
(und oftmals auch Stillegung)
von Nebenstrecken und Gleisanschlüssen
gekommen. Soll nicht noch mehr Schaden
angerichtet werden, so ist die vollkommen
unzureichende Regelung im
§13 AEG zu ersetzen oder zumindest
durch eine Verordnung zu untersetzen.
Leider umfasst die jetzt veröffentlichte
Novelle zum AEG keine Veränderungen
zum § 13. Die oben genannte Forderungen
sollten daher in die nächste AEG-Novelle
einfließen, die zur Zeit bereits erarbeitet
wird. Bis dahin muss verstärkt im
Sinne der bestehenden Regelung verfahren
werden:
- Echte und nachweisbare Kostenberechnung
statt pauschaler APS-Entgelte.
- Freies Vereinbaren der Bedingungen,
Abkehr von Musterverträgen.
- Anwendung kostengünstiger Techniken
statt unbezahlbarer elektronischer
Stellwerke, die nur für die DB Netz einen
Rationalisierungseffekt bringen,
nicht jedoch für die NE- und Anschlussbahnen.
DBV Bundesverband
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