Im Rahmen des vom „Center for Clean Air
Policy" durchgeführten Austausch-Projektes
zwischen der EU und den USA besuchte
ich Washington, Chicago, Portland
(Oregon), San Francisco, Los Angeles und
New York. Auf meiner Reise kam ich mit
Vertretern der unterschiedlichsten Umwelt-
und Verkehrsinitiativen, der politischen
Administration und auch mit Politikern
unterschiedlicher Couleur zusammen.
In den vier Wochen habe ich etwa
80 Gesprächstermine wahrgenommen.
An dieser Stelle möchte ich mich recht
herzlich bei den Organisatoren vor Ort
und insbesondere bei Lea Rosenbohm
und Marianne Ginsburg, der Chefin des
German Marshall Fund, bedanken, die die
Kontakte geknüpft haben und für die
Organisation der Reise verantwortlich
waren. Außerdem ermöglichten sie mir
die Teilnahme an dem in Washington
stattfindenden „International Dialogue
on Transportation and the Environment".
Unabhängig davon habe ich selbst auch
etwa 10 Vorträge gehalten über die verkehrspolitische
Situation in Berlin und
auch über den Umgang
Berlins mit der Mauer.
Stadtentwicklung
und Verkehr
den USA besteht ein weitaus engerer Zusammenhang
zwischen Stadtentwicklung und Verkehr
als in Deutschland. Die Stadtentwicklung wird vorbereitet
durch den Bau neuer Straßenbahnstrecken
und nicht - wie in Berlin in Karow Nord, Buchholz
West oder dem Markischen Viertel - als nachtragliche
Verbesserungsmaßnahme. Im Märkischen Viertel z.B.
ist die Schienenanbindung nach mehr als 30 Jahren
noch immer nicht erfolgt.
In Portland wurde die
Straßenbahn nicht nur gezielt
in die ärmeren Gebiete
geführt, um für diejenigen,
die sich kein Auto leisten
können, Mobilität überhaupt erst möglich
zu machen, sondern auch in brach liegende
Gebiete, die erst noch entwickelt
werden sollen.
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Parkhaus. Foto: Michael Cramer |
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Auch in Los Angeles wurde dieses Prinzip
bei der Entwicklung der U-Bahn nach
Hollywood angewandt. Da das Gelände
um den U-Bahnhof dem Verkehrsbetrieb
gehörte, war das für die Verkehrsgesellschaft
ein großer Gewinn. Hier wurde ein
neues Theater für die Filmstars gebaut, in
dem die Hollywood-Preise verliehen werden.
Auf dem Areal in den neuen Bauprojekten
befinden sich auch Wohnungen
und Büroflächen. Die direkte Verflechtung
von Verkehrswegen bei gleichzeitiger
Entwicklung ist beeindruckend. Sie ist
ein Gewinn für den Entwickler, aber auch
ein Gewinn für die Stadt und die Verkehrsbetriebe.
In Portland z.B. wurde die Straßenbahn
vom Zentrum zum Flughafen von der
Flughafengesellschaft gebaut und finanziert,
wofür sie ein Grundstück in der
Nähe des Flughafens bekam. Man hatte
die Erfahrung gemacht, dass sich die
Grundstückspreise entlang einer neuen
Straßenbahntrasse um 40 % erhöhen. Im
Frühjahr 2002 wurde die neue Straßenbahnstrecke
eingeweiht, ohne dass die
der Flughafengesellschaft übertragenen
Grundstücke bislang entwickelt worden
sind. Ein gutes Geschäft für die Stadt.
Beeindruckend ist das Bekenntnis zur
Bürgerbeteiligung z.B. in Pasadena (LA.),
wo durch die oft nervigen Diskussionen
schließlich eine Zustimmung von 98 % für
die Tram erreicht wurde. Verbesserungsvorschläge
der Bevölkerung wurden aufgenommen.
Nina deConcini, in Oregon
verantwortlich für die Umwelterziehung,
sagt, dass für die notwendigen Veränderungen
die frühere Methode „with the
stick" durch die erfolgreichere „with conviction"
ersetzt wurde.
Auch vor den Toren New Yorks wurde
dieses Prinzip bei der Straßenbahn in New
Jersey realisiert. Dass der Investor die Verkehrswege
bezahlt, ist in Berlin undenkbar
- weder beim Flughafen noch bei
Wohnprojekten.
Stadtreparatur
Keinen einzigen Menschen habe ich getroffen,
der die Entwicklung der amerikanischen
Städte in den letzten Jahrzehnten
gut geheißen hätte. Alle meine Gesprächspartner
beklagten diese Entwicklung,
alle waren damit beschäftigt, die
Konsequenzen dieser Fehlentwicklung zu
lindern.
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Straßenszene in New York. Foto: Michael Cramer |
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Beeindruckend ist die Stadt Portland in
Oregon. Vor 20 Jahren war das eine hässliche
und unattraktive Stadt, die von der
Wohnbevölkerung verlassen wurde. Weil
die Stadtväter und -mütter diesen Zustand
nicht weiter mit ansehen wollten,
haben sie die Innenstadt wieder attraktiver
gemacht. Aus der Hauptstraße wurde
eine reine Bus-Strasse, die Autobahn entlang
des Flusses wurde zugunsten eines
Parks abgebaut, die geplanten Autobahnringe
um die Stadt durch ein Straßenbahnnetz
ersetzt und eines der größten
Parkhäuser in der Innenstadt wurde abgerissen.
An dessen Stelle wurde ein Stadtplatz
gebaut, den die Bevölkerung heute
liebevoll „living room" nennt.
Tausende von Parkplätzen, die die Verwaltungsgebäude
umgaben, wurden
durch attraktive Wohnhäuser ersetzt. Die
„streetcar" genannte Straßenbahn in der
City wie auch die größeren Straßenbahnen,
Max genannt, garantieren zusammen
mit den Bussen die notwendige
Mobilität. In Portland wuchs die Bevölkerung
in den letzten Jahren um 25 % , wobei
nur 1 % zusätzlicher Flächen verbraucht
wurden. In Chicago wurde z.B.
bei einem Bevölkerungszuwachs von 7 %
ein zusätzlicher Flächenverbrauch von
40 % registriert.
In Berlin haben wir sogar einen zusätzlichen
Flächenverbrauch bei sinkender
Bevölkerungszahl.
Reparatur der Stadtquartiere
In vielen Städten wird ganz unten wieder
angefangen. Da z.B. in Chicago die Existenz
größerer Supermärkte eine durchschnittliche
Lebensdauer von nur fünf
Jahren aufweist, arbeiten Architekten
schon im Voraus daran, wie sie bestimmte
Stadtviertel entwickeln können, wenn
der Supermarkt seinen Geist aufgibt. Insbesondere
in Chicago gibt es Architekten,
die solche Quartiere, die bislang von Supermärkten
und Parkplätzen dominiert
waren, wieder entwickeln. Sie gehen dabei
von fußgänger- und fahrradfreundlichen
Quartieren aus.
In Chicago und auch in Washington
gibt es Finanzberater, die sich darauf konzentrieren,
die Fahrtkosten für das Auto
ins Bewusstsein ihrer Kunden zu bringen.
Sie ökonomisieren die Kosten des Autoverkehrs
und zeigen auf, wie man durch
Verzicht auf das zweite oder überhaupt
auf ein Auto bei einer guten ÖPNV-Anbindung
Geld sparen kann. Daraus ergibt
sich dann die Möglichkeit, teurere Grundstücke
oder Häuser zu erwerben, die
sonst unerschwinglich sind.
In Chicago hatte sich eine Initiative um
den Architekten Doug Farr und die Städteplanerin
Jackie Grimshaw gegen den
Abriss und für die Modernisierung einer
Hochbahnstrecke eingesetzt. Nach der
Modernisierung wurde das Stadtviertel
entwickelt und saniert. Auch in Pasadena
wurde durch die neue Straßenbahn ein
umgekipptes Stadtviertel wieder aufgerichtet.
Auch Rückschläge bleiben nicht aus.
Die Hauptstraße von Chicago, die State
Street, wurde in den 80er Jahren radikal
umgebaut. Die Gehwege wurden verbreitert,
der Autoverkehr unterbunden und
auf der Fahrbahn fuhren nur noch Busse.
Für die amerikanische Autogeseilschaft, in
der 9 von 10 Haushalte über ein Auto
verfügen (in Berlin nur einer von zwei)
war das zuviel. Die Geschäfte gingen in
Konkurs, die Gebäude standen leer. Vor
einigen Jahren wurden diese Fehler korrigiert.
Die Gehwege wurden wieder etwas
zurückgebaut, fußgängerfreundlich gestaltet
und mit Blumenbeeten versehen.
Der Autoverkehr wurde wieder zugelassen.
Seitdem ist in diese Straße wieder
Leben eingekehrt. Heute steht kein Kaufhaus mehr leer.
In Washington arbeitet Stewart
Schwarz daran, die Umgebung von U-Bahnstationen
zu entwickeln, um damit
die „sprawled city" mit einem weiteren
Autobahnring zu verhindern.
In Long Beach, eine boomende Stadt
südlich von LA. werden riesige Parkplätze
durch zehnstöckige Hochhäuser ersetzt.
Michael Cramer
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