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Positive Darstellungen sind eine Grundregel
all derer, die ihr Gedankengut als den einzig
richtigen Weg verkaufen möchten. Entsprechend
werden Linienänderungen in der
BVG-Kundenzeitschrift „BVG-Plus" stets als
eine dem Fahrgast dienende Verbesserung
dargestellt. Unter der Schnelligkeit suggerierenden
Überschrift „Non Stop zur Pfaueninsel"
wird die Vereinigung der Ausflugslinie
216 mit der Linie 218 als Vorteil für den
Fahrgast herausgestellt, da man nunmehr
vom U-Bahnhof Theodor-Heuss-Platz geradlinig
über die Heerstraße und die Havelchaussee
bis zur Pfaueninsel durchfahren
kann und nicht mehr am S-Bahnhof Wannsee
umsteigen muss. Schön und gut. Die
wesentliche Verschlechterung aber, das
„Abhängen" der beliebten Ausflugsziele
Moorlake und Nikolskoe, findet man erst
weiter unten im Text. Die lapidaren Worte,
„die Haltestellen Moorlake, Dachsweg und
Nikolskoer Weg werden nicht mehr bedient",
lassen die einschneidende Verkürzung
der Wegführung als nicht so schlimm
erscheinen. Diese Maßnahme ist aber eine
wesentlich Verschlechterung des Verkehrsangebotes
für Ausflügler.
Angesichts der desolaten Finanzlage, sowohl
bei der Stadt Berlin als auch bei der
BVG, ist man zwar bereit, ein gewisses Verständnis
entgegenzubringen, wenn Einsparungen
bei einer Ausflugslinie beginnen,
aber hier hätte das Einsparziel auch erreicht
werden können, ohne die beliebten Ausflugsziele
vom BVG-Netz abzukoppeln.
Wenn die Buslinie nicht in ihrem Zielgebiet
Moorlake/Nikolskoe gekürzt worden wäre,
sondern im Stadtgebiet von der Endstelle U-Bahnhof
Theodor-Heuss-Platz - zum S-Bahnhof
Pichelsberg zurückgezogen worden
wäre, hätte man das Sparziel sehr viel
kundenfreundlicher erreicht. Denn bei dieser
Variante bliebe die Anbindung zur S-Bahn
und zur Omnibuslinie 149 mit Weiterfahrmöglichkeit
zum U-Bahnhof Theodor-Heuss-Platz erhalten. Um keinen Zweifel
aufkommen zu lassen: Auch diese Maßnahme
wäre eine Verschlechterung gegenüber
dem vorherigen Zustand, aber die Funktion
dieser Linie ist ja die Erschließung der Ausflugsgebiete
und nicht der Innenstadt. Hier
hat die BVG falsche Prioritäten gesetzt.
Unter dem Titel „Ohne Umweg" wird die
verkürzte Wegführung der Linie 221 von
der BVG als eine Verbesserung für die Fahrgäste
angepriesen. Fuhr der 221er bisher
vom Kurt-Schumacher-Platz kommend in
einem Schlenker über die Gotthard-, Holländer-
und Londoner Straße, nimmt er nun
den direkten Weg durch die Afrikanische
und Müllerstraße und spart dadurch nicht
unerheblich Fahrzeit. Auf den ersten Blick ist
das eine sinnvolle Maßnahme, die neben
einem Rationalisierungseffekt für die BVG
auch Zeitvorteile für die diesen Bereich
durchfahrenden Fahrgäste bietet, zumal der
Bereich Holländerstraße auch weiterhin
durch die Linie 128 bedient wird.
Nun aber häuften sich im Fahrgastzentrum
die Beschwerden von Anwohnern aus
dem betroffenen Bereich, die den Wegfall
der Linie 221 in der bisherigen Wegführung
beklagen. Bei den Beschwerdeführern handelt
es sich vor allem um ältere und/oder
gehbehinderte Personen, für die zum Beispiel
die U-Bahn keine akzeptable Alternative
bietet, da der U-Bahnhof Afrikanische
Straße nicht behindertenzugänglich ausgebaut
ist. Ersatz durch die Linie 128 ist für
viele auch nicht sinnvoll, schließlich hat diese
Linie eine völlig andere Wegführung, so
dass zusätzliche Umsteige- und Wartevorgänge
die Folge sind, gerade für ältere und
gehbehinderte Menschen ein Problem. Andere
beklagten bei unserer Empfehlung zur
Benutzung der Linie 128 die kürzeren Betriebszeiten
dieser auf die Flughafen-Erschließung
ausgelegten Linie. Nach 23.55
Uhr gibt es eben keinen Ersatz für die entfallene
Linie, eine knappe Stunde früher als
in der alten Fahrplanlage des 221ers. Diese
Details sind es, die den wahren Grund auch
dieser Maßnahme erkennen lassen: Einsparen
von Leistungen, notfalls auch auf Kosten
einzelner Fahrgastgruppen.
Lieber Umsteigen statt „Parallelverkehr" ?
Ebenfalls kritisch muss man die Zusammenlegung
der bisherigen Linie 141 mit der
Linie 171 zu einer neuen Linie 171, mit einer
Wegführung vom U-Bahnhof Hermannplatz
zum Flughafen Schönefeld, betrachten.
Die unter dem positiven Titel „Linienehe
nach Schönefeld" hochgejubelte Maßnahme
hat als Kern die Verkürzung der Linienführung
im dicht bebauten Kreuzberg
und Neuköllner Stadtgebiet zum Inhalt. Für
Auto fahrende Verkehrspolitiker ist das ein
klassischer Fall von Parallelverkehr zwischen
Bus und U-Bahn, für zahlreiche täglich in
dieser Relation fahrende ÖPNV-Benutzer
aus dem Bereich Sonnenallee mit Fahrtzielen
im Bereich Kottbusser Damm und Kottbusser
Tor bedeutet die Einstellung nun für
das letzte Stück der Wegstrecke einen zusätzlichen
aufwändigen Umsteigevorgang
zur U8 am Hermannplatz und damit eine
deutliche Reisezeitverlängerung. Eine weitere
Folge ist, dass die Fahrplantreue von der
werktäglichen Mittagszeit bis in die Abendstunden
verloren ist. Besonders durch die
hohe Kfz-Dichte auf der Buschkrugallee/Rudower
Straße sind Verspätungen in Richtung
Schönefeld von mehr als sechs Minuten
praktisch der Regelfall. Der bislang mit
der alten relativ kurzen Linie 171 bediente
Bereich in der Waltersdorfer Chaussee bekommt
nun die Unzuverlässigkeit im Fahrtengefüge
durch die lange, stauanfällige
Linienführung drastisch zu spüren. Hinzu
kommt, dass an der Endstelle Flughafen
Schönefeld nur eine Wendezeit von vier
Minuten vorgesehen ist. Bei einer Verspätung
von sechs Minuten eines ankommenden
Busses bedeutet das, dass dieser Wagen
die Rückfahrt in Richtung Hermannplatz
bereits mit einer Verspätung von zwei
Minuten antritt. Und das auch nur, wenn
der Fahrer ohne jeden Aufenthalt sofort
zurückfährt, was erklärlicherweise nicht
immer geschieht. Die Verspätung wird also
in die Gegenrichtung mitgenommen und
erhöht sich oft im Verlauf der Fahrt, so dass
die gesamte Linie über viele Tagesstunden
unpünktlich verkehrt. Auch für das Fahrpersonal,
dass zum Teil mehrere Stunden ohne
Unterbrechung fährt, war die Änderung
eine Verschlechterung.
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Bus 171 zum Flughafen Schönefeld. Foto: Alexander Frenzel |
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„BVG-Plus" fasst das alles unter dem Titel
„Ohne Schnörkel" als eine Verbesserung
zusammen. Die genannten Beispiele lassen
aber erkennen: Es geht darum, Geld zu sparen
und die Folgen als Verbesserungen für
die Fahrgäste zu verkaufen. Natürlich wissen
wir, dass die BVG nicht der wirkliche
Verursacher der stetigen Verschlechterungen
im ÖPNV-Angebot ist. Der Senat von
Berlin übt derartigen Druck aus, dass dem
mit dem Rücken zur Wand stehenden Unternehmen
BVG faktisch nichts anderes
übrig bleibt, als Kosten zu senken, wo immer
es geht. Die Frage an die verantwortlichen
Politiker aller Parteien lautet: Wo soll
dieser Weg eigentlich enden? Und wie ist all
das mit dem Senatsziel zu vereinbaren, das
Verkehrsaufkommen im Berliner Innenstadtbereich
auf das Verhältnis von 20:80
zu Gunsten des ÖPNV zu ändern? Politiker
wissen darauf bestimmt eine positive Antwort.
IGEB Stadtverkehr
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