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Begonnen hatte alles in großer Eintracht:
Einstimmig hatte der Verkehrsausschuss des
Kreistags des niedersächsischen Kreises Lüchow-Dannenberg
im September 1999
empfohlen, die Deutsche Regionaleisenbahn
(DRE) mit Verhandlungen zur Übernahme
der Bahnstrecke von Dannenberg-Ost nach
Lüchow zu beauftragen. Eine
Empfehlung, der sich im selben Monat der
Kreisausschuss anschloss, dessen Entscheidungen
nur vom Kreistag revidiert werden
können - ebenfalls einstimmig „beauftragte"
das Gremium die DRE, mit der DB AG
über die „Übernahme der Streckeninfrastruktur"
zu verhandeln. Damit schien der
Weg zur Realisierung der Vorgaben des Regionalen,
des Landesraumordnungsprogramms
und des Nahverkehrsplans des
Kreises frei, die alle Bahnverkehr auf der
Strecke vorsehen.
Bringt uns unsere Züge zurück!
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Bahnhof Dannenberg: Sonderfahrt der DRE mit einem Zug der Lüneburger Verkehrsfreunde. Foto: Thomas Janssen |
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Die DRE folgte diesem Ruf, kaufte im Herbst
2000 die Bahnstrecke, auf der es bis 1997
Güterverkehr gab und die in der ersten Hälfte
der 70er Jahre letztmalig einen fahrplanmäßiger
Personenzug gesehen hatte. Als
Voraussetzung für die Reaktivierung der
Strecke hatten Verkehrs- und Kreisausschuss
vorgegeben: keine Mehrkosten für
den hoch verschuldeten Landkreis. Dies vorausgesetzt,
werde der den Schülerverkehr
nach Dannenberg und Lüchow (zwischen
beiden Orten liegt die Hauptsiedlungsachse
des Kreises) auf die Schiene verlagern. Damit,
so damals DRE-Geschäftsführer Gerhard
Curth, sei eine finanziell ausreichende
Grundlage für eine Stufe des Betriebs gegeben.
Wünschenswert sei Engagement der
Kommunen beim Ausbau der Haltepunkte,
dieser könne jedoch unaufwendig geschehen
und werde außerdem durch GVFG-Zuschüsse
gefördert.
Doch trotz aller scheinbaren Eindeutigkeit
der politischen Beschlüsse von 1999, denen
ein jahrelanges Engagement der Bahnbefürwortern
im Kreis vorausging: Züge hat die
Strecke von Dannenberg nach Lüchow bis
heute nur einmal gesehen. Am 1. Februar
2003, am Tag vor den niedersächsischen
Landtagswahlen, pendelte im Auftrag der
DRE ein Oldtimer-Sonderzug der Arbeitsgemeinschaft
der Verkehrsfreunde Lüneburg
zwischen den beiden Städtchen. Ein Wochenende
zuvor hatte eine Diskussion mit
den Landtagsdirektkandidaten stattgefunden.
Sie spiegelte im wesentlichen im Kleinen
die bekannten Positionen wieder, die
die Parteien im Großen zur Bahn einnehmen
- der Kandidat der jetzigen Regierungspartei
FDP etwa war nicht einmal erschienen.
Gedacht waren Fahrt und Diskussion als
Demonstration in Richtung Kreis- und Landespolitik.
Denn entgegen der eigenen Beschlüsse
gab es im offiziellen Lüchow-Dannenberg
keine eindeutige Unterstützung
des Projekts. Vielmehr war die Stimmung in
Kreistag und -haus so, dass der Kommunalpolitiker
Kurt Herzog von der Grünen Liste
Wendland bei einer Diskussion in Lüchow
im Herbst 2002 davon sprach, dass viele
seiner Kollegen dem Bahnprojekt „immer
nur Knüppel zwischen die Beine geworfen"
hätten.
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Der Sonderzug nach Lüchow vor seiner Abfahrt in Lüneburg. Foto: Ingo Franßen |
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Der Unwillen des Kreises, die DRE, die
man ja selbst gerufen hatte, zu unterstützen,
wurde recht schnell deutlich: Kaum
waren die eingangs genannten Beschlüss
gefällt, stellte sich die Kreisverwaltung, eigentlich
an Beschlüsse der politischen Gremien
gebunden, quer: Bei einem Treffen
mit in der Region aktiven Busunternehmen,
für die eine Verlagerung des Schülerverkehrs
Einnahmeverluste zur Folge hätte,
„verdeutlichte", wie es im Protokoll heisst,
„ein zuständiger Mitarbeiter des Kreishaues
im März 2000, „dass der politische Beschluss
nicht als endgültig angesehen werden
kann." Und bei der oben genannten
Diskussion in Lüchow sprach derselbe Mitarbeiter
von der angeblichen Notwendigkeit
neuer Straßen, die zum Erreichen der Bahnhaltepunkte
gebraucht würden. Ein Schelm,
wer Böses dabei denkt.
Dass bis heute keine Bahn zwischen Lüchow
und Dannenberg unterwegs ist, ist
nach Meinung der Herren im Kreishaus in
Lüchow Schuld der DRE: Die habe keine
tragfähigen Konzepte vorgelegt, hieß er
von dieser Seite wiederholt. Wenn die Verwaltung
„unser Konzept nicht mag, heißt
das noch lange nicht dass es nicht schlüssig
ist", konterte Curth im Herbst in Lüchow,
drei Konzepte seien seit 1999 vorgelegt
worden.
Die DRE zog Konsequenzen: In ihrem
Konzept, das Gerhard Curth bei der oben
genannten Diskussion vorstellte, spielt der
Schülerverkehr genauso wenig noch eine
Rolle wie die Stellung des Landkreises Lüchow-Dannenberg
zu dem Bahnprojekt.
Man habe die „Zusammenarbeit abgebrochen",
sagte Gerhard Curth. Das vom Kreis
nicht mehr abhängige Konzept der DRE sah
eine Übernahme des vom Land bestellten
Verkehrs von Lüneburg nach Dannenberg
durch die DRE und - ohne Mehrkosten - die
Weiterführung der Züge nach Lüchow vor.
Doch wie bestellt landete wenige Tage nach
der Vorstellung des Konzepts ein Fax der
Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) im
Kreishaus und auf den Tischen des Verkehrsausschusses:
Entsprechende Gespräche
seien nicht beabsichtigt. Später erklärte die
LNVG, sie habe ihre Entscheidung vor
dem Hintergrund der Verhandlungen über
den inzwischen geschlossenen neuen Nahverkehrsvertrag
mit der DB AG getroffen.
Auch sei das DRE-Konzept unrealistisch gewesen.
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Bahnhof Lüchow. Foto: Ingo Franßen |
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Die Strecke von Lüneburg nach Dannenberg-Ost
ist vor allem wegen der Atommülltransporte
in das im Kreis gelegene Castor-Lager
Gorleben bekannt, hier fand im März
2001 die Aufsehen erregende Blockade
statt, bei der sich vier Castorgegner im
Gleisbett einbetonierten. Außer den Atommüll-Zügen
fahren bis heute Triebwagen
von Dannenberg nach Lüneburg, wo es
gute Anschlüsse nach Hamburg gibt. Die
Metropole ist per Bahn von Dannenberg
trotz zahlreicher Langsamfahrstellen auf
dem Weg nach Lüneburg in nur etwas über
zwei Stunden zu erreichen - eine Zeit, mit
der ein Pkw nur mithalten kann, wenn die
Straße frei ist. Zum Beispiel von den landwirtschaftlichen
Fahrzeugen, die in der bäuerlichen
Region keine Seltenheit sind. Von
einem Bus nach Lüneburg, der in den Neunzigern
als Alternative gehandelt wurde,
ganz zu schweigen. Derzeit setzen sich Lüchow-Dannenberger
dafür ein, dass die für
den Sommer geplante, nach Angaben der
DB AG rund 20 Millionen Euro teure Grundsanierung
der Strecke nicht nur dem Atommüll, sondern auch den Menschen in der
Region zu Gute kommt und fordern Beschleunigungsmaßnahmen.
So wäre die Wiederaufnahme des Personenverkehrs
von Lüchow nach Dannenberg
und die Bahnanbindung der Kreisstadt an
die Metropole Hamburg eigentlich eine
Chance, nicht nur für Lüchow, sondern für
die ganze strukturschwache Region, die sich
seit Jahren als Tourismusregion präsentieren
will und in der Einpendler nach Hamburg
keine Seltenheit sind.
Doch solcher Chancen und allem scheinbar
eindeutigen politischen Willen zum
Trotz: Die Mehrheit der Kreispolitik belässt
es trotz der Beschlusslage bestenfalls bei
Lippenbekenntnissen. Da passt eine Äußerung
des Landrats Dieter Aschbrenner, von
der DRE-Geschäftsführer Gerhard Curth
berichtet: Beschlüsse, so der Landrat ihm
gegenüber, könne die DRE haben so viel wie
sie wolle.
Ob sich diese Haltung angesichts des Erfolgs
der von Bahnfreunden aus dem Kreis
mitgetragenen Sonderfahrt ändert, ist ungewiss.
Rund 600 Fahrgäste nutzten das
Angebot und dokumentierten so ihr Interesse
an der Bahn - obwohl erst zwei Tage
vorher feststand, dass der Zug fährt, obwohl
es so gut wie keine Werbung gab. Die
Unklarheit lag nicht an technischen Problemen:
Der Zustand der Strecke ist gut, nötige
Freischneidearbeiten wurden von Initiativen
aus der Region erledigt. Probleme
machte nach Angaben der DRE die Deutsche
Bahn, angeblich war eine Anfahrt des
Sonderzugs aus Lüneburg unmöglich. Erst
eine Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes
stellte das Signal auf Grün.
Thomas Janssen, Lüchow
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