Wenn in einigen Jahren der neue Flughafen
in Betrieb gehen und die Schienenanbindung
unter dem neuen Terminalgebäude gebaut
werden sollte, könnte er mit
der Einführung einer S-Bahn auf dem Berliner
Aussenring - kurz „S BAR" - günstig
angebunden werden.
Die „S-BAR" könnte im zentralen Abschnitt
im 10-Minuten-Takt verkehrt und auf angrenzende
Streckenabschnitte (mit geringerer
Taktdichte) durchgebunden wird. Da die
„S BAR" sowohl Gleich- als auch Wechselstrom-elektrifizierte
Strecken nutzen würde,
wäre der Einsatz eines elektrischen Duo-Fahrzeugs
angebracht. Somit könnte mit geringem
Aufwand eine sehr gute verkehrliche Wirkung
erzielt werden.
Mit der - noch immer - angestrebten Inbetriebnahme
des Single-Großflughafens „Berlin
Brandenburg International" (BBI) ergeben
sich im Hinblick auf ein Angebot im Schienenpersonennahverkehr
(SPNV) entlang des Berliner
Außenrings (BAR) völlig neue Prämissen.
Hiervon besonders betroffen ist der Bereich
des Grünauer Kreuzes und des Bahnhofs Grünau,
da dort nicht nur BAR, Görlitzer Bahn und
zwei Gleichstrom-S-Bahn-Strecken zusammentreffen,
sondern zukünftig auch noch ein
Ast der geplanten neuen Eisenbahnstrecke
zum Flughafen und dessen Tunnel-Bahnhof.
Welche Fahrgastnachfrage ist auf dem südöstlichen
BAR zu erwarten? Wie können die
genannten Eisenbahnstrecken miteinander
verknüpft und im Rahmen eines schlüssigen
SPNV-Konzepts genutzt werden? Wie könnte
ein nachfragegerechtes Angebots- und Linienkonzept
aussehen?
Nachfrage
Einen Großteil des Fahrgastaufkommens auf
dem BAR wird der Flughafen BBI verursachen.
Während diesbezügliche Nachfrageprognosen
für die südwestlichen Abschnitte bereits
in den Planungsunterlagen enthalten
sind, ist für die östlichen Abschnitte eine Abschätzung
vorzunehmen (siehe Tabelle 1).
Ausgehend davon, daß viele Ziele der in Richtung
Ostkreuz gehenden Verkehre nördlich
und östlich des Berliner Innenrings liegen,
könnten etwa 50 % dieser Fahrgäste (also ca.
18.500 Fahrgäste pro Tag) von einem Angebot
im Schienenpersonennahverkehr auf dem
BAR profitieren.
Zudem bestehen ausgeprägte Pendlerströme,
die teilweise erstmals auf den SPNV umgelegt
werden können. Somit ist im gesamten
Abschnitt zwischen der Dresdener Bahn und
Wartenberg auf dem BAR mit einer Belastung
von über 20.000 Fahrgästen pro Tag zu rechnen.
Ähnlich wie die Ringbahn wird der BAR
dabei in großem Maße von Umsteigerströmen
leben.
Infrastruktur und Fahrzeugwahl
Aufgrund der bereits vorhandenen Elektrifizierung
ermöglicht der BAR, leistungsstarke
und dennoch emissionsarme Fahrzeuge - zum
Beispiel elektrische Triebzüge - einzusetzen.
Die Teile des BAR, die von der Gleichstrom-S-Bahn
befahren werden (Abschnitte der Linien
S 75 und S 8), verfügen über eine eigene
S-Bahn-Infrastruktur. Um die vorhandene Infrastruktur
optimal nutzen und somit auf den
Bau neuer Infrastruktur möglichst verzichten
zu können, sind Duo-Fahrzeuge erforderlich,
die in beiden Teilsystem verkehren können.
Aufgrund ihrer Charakteristika (zum Beispiel:
ungünstige Fahrdynamik, Abgasproblematik
bei Anfahrten im Tunnel etc.) ist der Einsatz
von Dieselfahrzeugen hierbei entschieden abzulehnen.
Das heißt, es sind elektrische Duo-
Fahrzeuge einzusetzen. Diese können ohne
weiteres aus modernen Wechselstrom-S-Bahn-Fahrzeugen
abgeleitet werden.
Mit Inbetriebnahme des Nord-Süd-Regional-
und Fernbahn-Tunnels erfolgt die Verlagerung
zahlreicher Zugfahrten im Personenverkehr
in diesen Tunnel, so daß auf dem BAR
Kapazitäten frei werden. Abschnittsweise
verbleibt dann lediglich der Güterverkehr auf
dem BAR, so daß hier auch mittelfristig überwiegend
keine eigene S-Bahn-Infrastruktur
erforderlich sein wird.
Das Konzept - die „S BAR"
Die Akzeptanz des SPNV-Angebots auf dem
Berliner Aussenring hängt stark davon ab, wie
nutzerfreundlich es ist. Neben der Taktdichte
wirkt sich hierbei die Gestaltung der Zugangsstellen
und vor allem der Verknüpfungspunkte
mit den kreuzenden Verkehrswegen aus.
Die Verknüpfungen können prinzipiell dadurch
erfolgen, daß Züge vom BAR auf radiale
Strecken abzweigen, oder aber dadurch, daß
alle Züge auf dem BAR verbleiben und die
Fahrgäste auf die Radialen umsteigen.
Im Hinblick auf ein übersichtliches und dichtes
Angebot sowie die Forderung nach einer
tangentialen Verbindung, wurde ein leistungsfähiges
Konzept entwickelt. Es sieht einen
10-Minuten-Takt im Abschnitt zwischen Wartenberg
und der Dresdener Bahn vor, der sowohl
im Sinne umsteigender Fahrgäste als
auch unter Berücksichtigung der prognostizierten
Nachfrage angebracht und realistisch ist.
An den Enden dieses Abschnitts bestehen
vielfältige Varianten der Linienführung, der
Wahl der Endpunkte und somit auch der dortig
gen nachfragegerechten Ausdünnung des Angebots.
So sollte im Süden die Integration der
heutigen Regionalverkehrslinien RB 22, RB 24
und ex-RE 4 sowie des Flughafen-Expresses
BBI - Potsdam angestrebt werden. Sowohl
der RE 3 als auch der RE 4 dürften mit Inbetriebnahme
des Nord-Süd-Regional- und Fernbahn-Tunnels
auf direktem Wege zum Lehrter
Tunnel-Bahnhof verkehren (Linienplan siehe
Seite 29).
Im Norden sollten die Züge nicht bereits in
Wartenberg enden, sondern mindestens bis
zum Karower Kreuz bzw. darüber hinaus verkehren.
Denkbar wäre hier die Führung von
Zügen
-
in Richtung Gesundbrunnen,
-
in Richtung Hohen Neuendorf/Birkenwerder mit der Option einer
stündlichen Verbindung bis Hennigsdorf,
-
in Richtung Bernau (als RB 60 bzw. ex-RE 3).
Im Zusammenhang mit den zu erwartenden,
für ein städtisches Schnellverkehrssystem
teilweise relativ weiten Stationsabständen
(siehe unten), ergibt sich eine Systemcharakteristik,
die den S-Bahn-Konzeptionen westdeutscher
Ballungsräume (Stuttgart, München)
entspricht. Um einerseits die Nähe zur
Berliner S-Bahn und andererseits die herausgehobene
Stellung im S-Bahn-Netz zu symbolisieren,
wurde das SPNV-Angebot „S BAR"
getauft.
Die durch Umgestaltung des nordöstlichen
Abschnitts der heutigen Linie S 75 auf der
Stadtbahn freiwerdenden Fahrplantrassen
könnten für einen „echten" 5-Minuten-Takt
zur Hauptverkehrszeit auf den Linien S 5 und
S 7 genutzt werden. Im Falle einer Führung
von Zügen - beispielsweise im 20-Minuten-Takt - vom
Außenring in Richtung Gesundbrunnen,
würde der Bereich Wartenberg/Hohenschönhausen
zudem eine weitere attraktive
(Direkt-) Verbindung in das Stadtzentrum
bekommen.
Zugangsstellen
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Die behandelte Thematik war Teil des Schinkelwettbewerbes 2002/2003. Dieser Ideenwettbewerb wird jährlich vom Architekten- und Ingenierurverein zu Berlin (www.aiv-berlin.de) in verschiedenen Fachsparten ausgeschrieben. Grundlage des Beitrags ist die Arbeit, die im Frühjahr 2003 mit dem Schinkelpreis ausgezeichnet wurde. Bei Interesse kann eine Langfassung dieses Wettbewerbsbeitrags unter Gruenau@Gumprecht.net bzw. Gruenau@Walf.de angefordert werden. |
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Die vorzusehenden Zugangsstellen liegen
vor allem an den Kreuzungspunkten
mit den Radialen - mit einer Ausnahme: An der
Spindlersfelder Bahn sollte kein Halt auf dem BAR erfolgen, da
die System- und Erschließungswirkung mit einem Halt unmittelbar
südlich der Ottomar-Geschke-Straße um ein Vielfaches größer
ist. Letztendlich kann derart auch
eine Optimierung der Haus-zu-Haus-Zeiten
aller Reisenden erreicht werden. Die Lage der übrigen
Zugangsstellen orientiert sich am Verkehrsaufkommen. Zu
berücksichtigen ist hierbei auch die
Auslastung der Strecke: Insbesondere
im Abschnitt Grünauer Kreuz - Wuhlheide ist mit starkem
Güterverkehrsaufkommen zu rechnen, so daß hier die Errichtung
zusätzlicher Stationen eine eigene „S BAR"-Infrastruktur
voraussetzen dürfte bzw. zunächst auf einzelne Stationen zu
verzichten ist.
Der Bereich Grünau/Grünauer Kreuz
Für den Bereich der verkehrlichen und infrastrukturellen Verknüpfung
der Strecken im Bereich Grünau kommen drei Möglichkeiten
in Frage.
-
Ein neuer Halt im Grünauer Kreuz,
-
die Erweiterung des Bahnhofs Grünau oder
-
ein neuer Halt südlich des Bahnhofs Grünau.
Eine Abwägung der Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten
führt zu dem Ergebnis, daß der heutige Bahnhof Grünau um einen
Bahnsteig für den Regionalverkehr und die „S-BAR" erweitert
werden sollte. Nur so kann eine attraktive Einführung der Züge in
den zukünftigen Flughafen-Bahnhof und deren Durchbindung
nach Westen gesichert werden. Vorteilhaft ist zudem, daß auch
im Über-Eck-Verkehr optimale (bahnsteiggleiche) Umsteigebeziehungen
geschaffen werden. Nicht zuletzt würde der Umbau bereits
einen Vorläuferbetrieb der „S BAR" zulassen, bei dem der
Güterbahnhof Grünau als Wendeanlage dienen könnte.
Erforderliche Infrastruktur, Inbetriebnahmestufen
Das Gesamtkonzept kann etappenweise in Betrieb genommen
werden, wobei sich die einzelnen Etappen sinnvoll ergänzen. Die
geschilderte Anpassung des Bahnhofs Grünau vorausgesetzt, basiert
der erste Schritt streckenseitig ausschließlich auf vorhandener
Infrastruktur; lediglich der Bau der Zugangsstellen ist erforderlich.
Um durchgängig entlang des BAR verkehren zu können
ist ein weiterer Schritt erforderlich:
der Lückenschluß im Biesdorfer Kreuz. Zwar
könnte die vorhandene Eisenbahninfrastruktur
zischen Biesdorf Süd und Springpfuhl ohne weiteres genutzt
werden, ausgesprochen problematisch gestaltet sich dann jedoch
die (verkehrliche) Verknüpfung mit Ost- und Wriezener Bahn sowie
die (betriebliche) Verknüpfung mit den vorhandenen S-Bahn-Gleisen
nach Wartenberg. Daher sollte das Augenmerk in diesem
Bereich von vornherein auf der Erstellung einer eigenen
Infrastruktur
entlang der freigehaltenen Trasse liegen.
Stufe 1: Inbetriebnahme südliche
„S BAR" auf vorhandener Infrastruktur,
südliche Zulaufstrecken - südlicher BAR - Flughafen
BBI - Grünau - östlicher BAR - Lichtenberg
Neue Zugangsstellen: [Bergholz], [Mahlow Süd], Grünau, Köllnische
Vorstadt, Wuhlheide, [Bürknersfelde], Biesdorf Süd (provisorisch)
Fahrzeugart: Einsystem-Wechselstrom
Stufe 2: „Brückenschlag" Biesdorf Süd - Springpfuhl mit Ein- und
Ausfädelung Springpfuhl (eigene Infrastruktur). Inbetriebnahme
Gesamtkonzept „ 5 BAR ".
Neue Zugangsstellen: Biesdorf Süd (neu), Biesdorfer Kreuz
Fahrzeugart: Duo (Gleich- und Wechselstrom)
[...] optionale neue Zugangsstellen
Mikko Gumprecht, Berlin
Fabian Walf, Berlin
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