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Sind Sie schon in „Linie 15" gewesen?
Nein? Sie wissen gar nicht, was das ist?
Nichts anderes als der neue Name des bekannten
Musicals „Linie 1". Jedenfalls
nach der Logik der BVG.
Bekanntlich erhielt nach der Wiedervereinigung
des Kleinprofilnetzes der Berliner
U-Bahn nicht die nunmehr wichtigste Verbindung
zwischen Ruhleben und Pankow,
via Zoo, Potsdamer Platz und Alex, die Nummer
1. Und dies, obwohl dafür auch gesprochen
hätte, dass sie den westlichen Ast der
bisherigen U 1 übernahm und einige Kilometer
weit über die älteste Berliner
U-Bahnstrecke führt. Nein, wenn man sich
denn schon nicht dazu entschließen konnte,
statt von der „U 1" weiterhin, dem alten
Jargon gemäß, von der Linie 1 zu sprechen
so sollte doch wenigstens die Hochbahnstrecke
durchs bunt-bewegte Kreuzberg
diese mittlerweile mindestens deutschlandweit
berühmte Bezeichnung behalten, hieß
es damals von Seiten der BVG - auch wenn
man mit dieser nun nicht mehr, wie in dem
Musical geschildert, vom Zoo in den verblassenden
Szenebezirk gelangen kann.
Zehn Jahre später scheint dies nicht mehr
zu gelten: Schon mit der Einführung des
durchgehenden Nachtbetriebs an den Wochenenden
wurde die U 1 in den verkehrsschwachen
Zeiten auf die Relation Krumme
Lanke - Nollendorfplatz zurückgestutzt,
also praktisch auf die Dimension der U 2
aus Mauerzeiten. Durch die Kreuzberger
Nächte fährt nur noch die - von der BVG
anfangs ungeliebte und recht stiefmütterlich
behandelte - „Abzweiglinie" U 15
von und nach Uhlandstraße. Konsequenterweise
verkehrte, während im Juli und August
die Strecke zwischen Nollendorfplatz
und Hallesches Tor wegen Bauarbeiten gesperrt
war, auf dem verbleibenden Teil der
Kreuzberger Hochbahn ausschließlich die
U 15. Ob man am Rüdesheimer Platz oder in
Dahlem-Dorf in dieser Zeit Touristen gesichtet
hat, die erwartungsvoll in die U 1
gestiegen waren und sich dann wunderten,
wie wenig diese Gegenden doch mit dem
zu tun haben, was sie auf der Bühne gesehen
hatten?
Jan Gympel
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