Vor genau zwei Jahren hatten wir
im SIGNAL 3/2011
den Themenschwerpunkt „Bauarbeiten
im Test”, bei dem wir beispielhaft an einigen
größeren Baumaßnahmen bei BVG und
S-Bahn Durchführung und Informationsfreudigkeit
der Verkehrsunternehmen ausgiebig
testeten und bewerteten – mit eher unterirdischen
Ergebnissen. Zwei Jahre; das bedeutet,
Zeit genug um zu überprüfen, ob aus den
Fehlern gelernt wurde.
Exemplarisch haben wir uns dazu zwei ähnlich
schwere Baustellen bei der S-Bahn und
der Straßenbahn der BVG im selben Zeitraum
gesucht. Passenderweise hat es beide Male die
Linie 1 erwischt.
Einmal die S-Bahn-Linie S 1 im
Süden Berlins auf dem Abschnitt in Zehlendorf
und dann die im Norden befindliche Straßenbahnlinie
M 1 in Pankow.
S 1-Ersatzverkehr
Hier hat sich die S-Bahn GmbH viel Mühe gegeben.
Zum einen hat sie zuvor die Fahrgastverbände
zu den geplanten Bauinformationen
befragt und sogar noch kurzfristig Verbesserungsvorschläge
umgesetzt – ein ganz großer
Pluspunkt. Zum anderen wurden bei der Fahrgastinformation
fast alle Register gezogen und
gut vorgeplant.
Zwei Ersatzverkehrs-Buslinien mit unterschiedlicher
Haltekonzeption, an den Bahnhöfen
Fußtapsen, Aufsteller, Wegweiser und
Aufkleber, außerdem Extra-Faltblätter, Artikel
in der Kundenzeitschrift und auf der Homepage,
Ansagen in den Zügen – die Faltblätter
wurden sogar in den
Zügen von Mitarbeitern
verteilt, die jede
Rückfrage kompetent
beantworten konnten.
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Benotung erfolgt nach Schulnoten mit dem Punktesystem von 1+, 1 und 1- für „sehr gut” bis 6 für „ungenügend”. |
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Auf den Wegen zu den SEV-Haltestellen der S-Bahn wurden auch große Schilder mit Wegpfeilen und Lageskizze aufgestellt. Foto: Holger Mertens |
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Wünschenswert wären Richtungsangaben groß direkt am Haltestellenschild gewesen, zusätzlich zur kleinen Angabe auf den Fahrplanaushängen. Foto: Holger Mertens |
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Einige Tage vor
der Sperrung gab
es zusätzlich einen
Max-Bahnbautreff
auf dem Bahnsteig
Mexikoplatz, zu dem
man vielen Verantwortlichen aus den Fachabteilungen
bei der S-Bahn Fragen stellen konnte
und hochkompetente
Antwort erhielt. Denn die
Gesprächspartner waren
aus den Fachabteilungen
und zeichneten daher
selbst für die Planung des
SEV verantwortlich. Für die
eigene Arbeit persönlich bei den Fahrgästen
einzustehen, ist dabei beispielhaft und muss
hoch angerechnet werden.
Leider hat man sich aber auch einige wenige
Schnitzer erlaubt. So fehlten an den Haltestellenschildern
entsprechend große Beschriftungen
für die Richtung. Auch waren einige Haltestellenstandorte
etwas ungünstig gelegen.
Diese sollten, wenn BVG-Haltestellen in die
gleiche Richtung bestehen, nach Möglichkeit
an derselben Stelle liegen. Nicht verantwortlich
ist die S-Bahn GmbH allerdings dafür, dass
die vom Expressbus bediente BVG-Haltestelle
Potsdamer Chaussee/Lindenthaler Allee hinsichtlich
Lage der Haltestelle und der Wartehalle
besonders fahrgastunfreundlich ist (siehe
SIGNAL 4/2012 ).
Alles in allem ist die S-Bahn Berlin GmbH
mit dieser Ersatzverkehrsorganisation aber
nur haarscharf an der Bestbewertung vorbeigeschrammt.
Besonders die gute Vorplanung
und hervorragende Zusammenarbeit haben
dies möglich gemacht. Für ein „sehr gut” hat
es jedoch noch nicht gereicht.
M 1-Ersatzverkehr
Bei der BVG läuft das anders ab. Hier arbeitet
man anscheinend meist gegeneinander und
im Zweifelsfall gegen den Fahrgast. Beispiele
folgen unten. Bei der Straßenbahn M 1 wurde
über einen weitaus längeren Zeitraum
gebaut, wobei gleich mehrere Abschnitte
unterbrochen wurden. Bestimmend für den
Gesamtzeitraum waren aber die Gleisbauarbeiten
in der Grabbeallee mit der Herstellung
barrierefreier Haltestelleninseln für die Station
Bürgerpark Pankow.
In der Friedrich-Engels-Straße wurde
ebenfalls umgebaut, was jedoch
nur den Abschnitt nach Rosenthal
Nord betrifft. Im Sperrschatten wurden
ebenfalls einige Asphaltarbeiten in
der Schönhauser Allee und der Berliner
Straße durchgeführt, was zu drei unterschiedlichen
Betriebsphasen führte:
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Phase 1:
Mo, 18.03.2013 – Mo, 25.03.2013
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Phase 2:
Mo, 25.03.2013 – Mo, 15.04.2013
-
Phase 3:
Mo, 15.04.2013 – Sa, 18.05.2013
In Phase 1 war der Abschnitt zwischen Pankow
Kirche und U-Bahnhof Eberswalder Straße
bzw. S-Bahnhof Bornholmer Straße gesperrt,
in Pankow bestand ein Straßenbahn-Inselnetz.
Phase 2 weitete den Ersatzverkehr dann auf
das gesamte Pankower Netz aus. In Phase 3
fuhr die 50 dann wieder normal und die M 1
wurde aus der Innenstadt kommend ab Pankow
Kirche wie die 50 geführt, so dass der
Ersatzverkehr nur noch zwischen S+U Pankow
und Rosenthal Nord bzw. Schillerstraße
bestand.
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M 1-Ersatzverkehr in Pankow. Grafik: BVG-Kundeninformation |
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SEV-Haltestelle der M 1 am Bahnhof Pankow. Fahrplanlose und auch sonst äußerst informationsarme Ersatzhaltestellen waren nicht Ausnahme sondern die Regel. Dabei sind Fahrgäste bei Bauzuständen besonders informationsbedürftig. Fahrpläne mit korrektem Linienverlauf und leicht verständlicher Baumeldung (am besten mit Skizze) sind daher Pflicht. Foto: Holger Mertens |
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SEV M 1: die linke Grafik zeigt, wie kompliziert geschildert wurde im Vergleich zur tatsächlichen Betriebsführung (rechts) Grafik: Holger Mertens |
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Betriebsführung zur Bauphase 2… Grafik: Holger Mertens |
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... und zur Bauphase 3. Grafik: Holger Mertens |
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Benotung erfolgt nach Schulnoten mit dem Punktesystem von 1+, 1 und 1- für „sehr gut” bis 6 für „ungenügend”. |
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Auswirkungen des BVG-Beschilderungs-Unsinns |
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Zur Bauphase 3 wurden sogar die Busse Richtung Rosenthal Nord bei den Echtzeitdaten mit „Schillerstr” beschildert. m.bvg.de |
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Beschilderungsfalle: Selbst am U-Bahnhof Eberswalder Str hat man die Züge mit dem Planziel beschildert und damit nicht wenige Fahrgäste hier auf die Straßenbahn warten lassen. Doch die Fahrt endete dann nur wenige Meter später direkt hinter der Kreuzung. Foto: Holger Mertens |
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Zu Beginn der zweiten Bauphase hat man die SEV-Haltestelle der Linie 50 zurück zur Stammhaltestelle verlegt, wie es richtig auf den DAISY-Anzeigern dargestellt wurde. Leider hat man aber vergessen, den Busfahrern Bescheid zu geben, die die ersten Tage allesamt weiterhin an den wartenden Fahrgästen an dieser Haltestelle durchfuhren und an der alten, eigentlich bereits außer Betrieb gesetzten Haltestelle hinter der Kreuzung hielten. Foto: Holger Mertens |
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Normalerweise fahren auf der M 1 stets überfüllte 30-Meter-lange Straßenbahnen alle 10 Minuten. Diese hat man versucht, mit je nur einem Bus (teilweise nur 12-Meter-Eindecker) mit knappen Fahr- und kurzen Wendezeiten zu ersetzen, was zu unzumutbaren Fahr- und Taktzeiten führte. Hinweise auf die Umfahrungsalternative U 2 wurden nicht gegeben. Foto: Holger Mertens |
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Foto: Holger Mertens |
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Am S- und U-Bahnhof Pankow (links) warten viele Fahrgäste an der Kombihaltestelle für Bus und Straßenbahn. Vergeblich, denn zum Zeitpunkt der Aufnahme war die Haltestelle außer Betrieb, was weder auf dem deaktiviertem DAISY-Anzeiger zu sehen war noch an den Haltestellensäulen (rechts) besonders „prominent“ kommuniziert wurde. Foto: Holger Mertens |
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Doch so konnte oder wollte
man das den Fahrgästen
gegenüber nicht kommunizieren.
Es gab nur nichtssagende
Aufsteller, falsche
oder fehlende Fahrpläne und
irreführende Internetmeldungen. Dabei wäre
die BVG ihren Kunden bei einer so großen
Maßnahme, die zwei Monate, drei Bauphasen
und einen Großbezirk umfasst, mindestens ein
Sonderfaltblatt schuldig gewesen. Es hat aber
nicht einmal für die fehlerfreie Information der
eigenen Mitarbeiter gereicht. So wurden von
den Ersatzbussen teilweise falsche Haltestellen
angefahren.
Problematisch
war vor allem die
Beschilderung der
Fahrzeuge und an
den Haltestellen. Statt
auf den Ersatzverkehr
hinzuweisen, wurden
die Fahrgäste hier
wieder unnötig in
die SEV-Falle gelockt.
Üblich und sinnvoll
(und eigentlich auch
vorgeschrieben) ist es,
an der Front und den
Seiten des Fahrzeuges
das Ziel der Fahrt zu
beschildern, also die
Haltestelle, wo das
Fahrzeug hinfährt und
endet.
Die BVG hat sich jedoch
andere Regeln
gegeben. Demnach
soll auch bei Bauarbeiten
immer das eigentliche
Endziel der Linie
geschildert werden,
wenn (und jetzt kommt der wichtige Teil) die
durchgehende Fahrt sichergestellt ist. Das
heißt, wenn überall gesicherte 1:1-Anschlüsse
ohne nennenswerte Fahrtzeitverlängerung
bestehen, was hier definitiv nicht der Fall war.
Die Auswirkungen dessen waren vielfältig
und allesamt fahrgastfeindlich. Exemplarisch
haben wir sie einmal nebenstehend für die
erste Bauphase dargestellt. Eine umfassende
Betrachtung würde den Rahmen dieses Heftes
sprengen.
Die BVG kommunizierte: „Der Ersatzverkehr
hält, soweit möglich, an den bzw. in
Höhe der Straßenbahnhaltestellen”
Nein, das tat er nicht. Vielmehr schien es, als
ob man sich besondere Mühe gegeben hätte,
die Ersatzhaltestellen so schwer auffindbar wie
nur irgend möglich zu machen. Im Abschnitt
Rosenthal Nord lagen diese teilweise über 700
m entfernt in einer Parallelstraße. Hinweis an
der Haltestelle? Fehlanzeige!
Beschwerdemanagement mit
Lösungsvermeidestrategien
Als die Mängelliste bei den IGEB-Testern
immer länger wurde, entschieden sie sich
in Anbetracht des noch lange andauernden
Bauzeitraums, einzugreifen. So haben sie
mehrfach Kontakt mit der BVG-Hotline aufgenommen
und auf die vielfältigen Mängel
hingewiesen. Einige wenige wurden kurz
darauf sogar behoben, einige aber auch verschlimmbessert.
Jedes Mal wurden auch die Kontaktdaten
hinterlegt, da die Hinweise aufgrund ihrer
Fülle durch das „Stille-Post-Syndrom” zu
verpuffen drohten. Anstatt aber zurückzurufen,
hat die „Fachabteilung”, zu der die
Hinweise weitergeleitet wurden, sich für
die langsamste Kontaktmöglichkeit entschieden.
Kein Anruf, keine E-Mail, ein Brief
per Post kam bei einem Tester einige Tage
später ins Haus. Einfach nur „dumm gelaufen”
oder eine Lösungsvermeidestrategie?
Schließlich sind SEV-Probleme in der Regel
sehr zeitsensitiv. Da den klassischen Postweg
zu wählen, ist unverständlich.
Abschließend bleibt eigentlich nur zu sagen,
dass das Schulnotenprinzip gar nicht
ausreicht, diese wirklich miese Leistung
entsprechend zu würdigen. Null
von 15 erreichbaren Punkten, also
die Note 6 zu erhalten, ist beinahe
noch schwieriger, als eine 1+ zu bekommen.
Es besteht Handlungsbedarf!
Dies alles offenbart grundlegende
Struktur- und Managementfehler bei
der BVG und dringenden Handlungsbedarf:
-
Selbst definierte Mindeststandards
müssen eingehalten werden!
-
die fahrgastfeindliche Beschilderungspolitik
muss umgehend geändert
werden!
-
Jede Haltestelle muss jederzeit korrekte
Fahrplanaushänge besitzen!
Unter den zwölftausend Mitarbeitern
der BVG gibt es mit Sicherheit
Personen, die das können. Auch eine
Beratung mit Fahrgastverbänden vor (!) den
Bauarbeiten kann so manchen
Mangel oder Fehler vermeiden – siehe oben. (hm)
IGEB Stadtverkehr
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