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Ist von der Schönhauser Allee die Rede,
denken wohl die meisten Berliner sofort an
die dortige Hochbahn, die am 27. Juli vor
hundert Jahren ihren öffentlichen Betrieb
aufnahm. Offenbar wird das Image dieses
Boulevards von dem eisernen Viadukt stärker
geprägt als jenes von Bülow-, Gitschiner,
Skalitzer oder Oberbaumstraße – und dies,
obwohl die drei letztgenannten, anders als
die Schönhauser Allee, auf voller Länge von
einer Hochbahn durchzogen werden.
Dabei verdankt das Bauwerk in Prenzlauer
Berg seine Entstehung rein finanziellen
Erwägungen: Die Strecke vom Spittelmarkt
zum Alexanderplatz war unmittelbar
zuvor errichtet und bereits am 1. Juli
1913 eröffnet worden. Sie hatte sich – vor
allem wegen der Unterfahrung der Spree
und zahlreicher Häuser in der noch dicht
bebauten Altstadt – als teurer denn erwartet
entpuppt.
Die Mehrkosten sollten
durch die Anlage einer Hoch- anstelle einer
Untergrundbahn wenigstens teilweise
wieder hereingeholt werden. Außerdem
vermied man auf diese Weise eine komplizierte
Kreuzung mit der hier im Graben
verlaufenden Ringbahn und mit großen
Abwasserkanälen.
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Eigentlich ging es nur darum, Kosten zu sparen. Und längst wäre ein solcher Bau wohl nicht mehr möglich. Nicht von ungefähr war die Hochbahn in der Schönhauser Allee, die jetzt einhundert Jahre alt wird, die letzte ihrer Art in Berlin. Dennoch wird sie seit langem weniger als Belästigung betrachtet, sondern als Beleg besonders großer Urbanität. Foto: Jan Gympel |
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Im eher proletarisch geprägten Berliner Norden,
meinten die Verantwortlichen, müsse auf
Anwohnerproteste wenig Rücksicht genommen
werden. War lange geglaubt worden, in
Berlin wegen der Bodenbeschaffenheit gar
keine Tunnel bauen zu können, so hatte sich
die Stimmung rund eine Dekade nach der
Inbetriebnahme der Hoch- und Untergrundbahn
vollständig gedreht: Die ursprünglich
favorisierten und allen voran von Siemens
ausgiebig propagierten Viaduktstrecken waren
selbst in einem bestenfalls halbdemokratischen
Obrigkeitsstaat wie dem deutschen Kaiserreich
politisch kaum mehr durchzusetzen.
Die Hochbahn – ein Auslaufmodell
So war denn die Hochbahn in der Schönhauser
Allee, nach und neben der 1902 eröffneten
Stammstrecke, bereits das letzte eiserne
Viadukt inmitten einer Straße, welches in
Berlin errichtet wurde. Als man es verlängerte
– die Verbindung zum heutigen Bahnhof
Vinetastraße ging am 29. Juni 1930 in Betrieb
–, ließ man die Strecke so schnell wie
möglich in der Erde verschwinden. Was in
diesem Falle eben bedeutete: nach der Kreuzung
mit der Bornholmer/Wisbyer Straße. In
technischer Hinsicht hätte nichts dagegen
gesprochen, die sich an die Schönhauser Allee
anschließende Berliner Straße in Pankow
wenigstens bis kurz vor der Stettiner Bahn
mit einer Hochbahn zu versehen.
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Foto: Jan Gympel |
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Foto: Jan Gympel |
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Klobig und monumental wirkt der Unterbau des Hochbahnhofs Eberswalder Straße. Einen eleganteren Eindruck erweckt, durch die Schrägstellung der Stützen, der eiserne Viadukt. Die 1930 eröffnete Verlängerung wurde hingegen betont schlicht und sachlich gestaltet (im Hintergrund der alte Viadukt, der an der heutigen Kreuzung Paul-Robeson-/Erich-Weinert-Straße endet). Foto: Jan Gympel |
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Heute wäre ein eiserner Viadukt schon
aus Kostengründen kaum mehr vorstellbar:
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Preise
für Stahl stark gestiegen, schon deshalb
führte man Hochbahnen – etwa zwischen
Nürnberg und Fürth oder einen Teil der
S-Bahn nach Hamburg-Harburg – in Stahlbeton
aus.
Derlei wäre wiederum vor hundert Jahren
undenkbar gewesen, allein schon weil
einer gefälligen Gestaltung des öffentlichen
Raums ungleich mehr Bedeutung
beigemessen wurde als heutzutage, wo
man schon froh ist, wenn der Schmutz, die
Schmierereien, die allgemeine und auch die
ästhetische Verwahrlosung zumindest nicht
überhand nehmen.
Umso bemerkenswerter ist, wie vergleichsweise
wenig Ambition und sonstiger
Aufwand in der Schönhauser Allee auf eine
dem breiten Geschmack schmeichelnde
Formgebung verwendet wurde. Die ersten
in Berlin gebauten Hochbahnviadukte waren
ja – um damals bereits starken Vorbehalten
zu begegnen – betont zartgliedrig und
transparent gehalten. Nur entlang der gesamten
Oberbaumstraße ist noch ein Stück
davon erhalten, und nach allen Erfahrungen
mit dem Denkmalschutz für Verkehrsbauten
in Berlin darf man davon ausgehen, dass
auch dieses bedeutende Dokument der örtlichen
Verkehrsgeschichte in einigen Jahren
verschwinden wird.
Für den um 1900 vorherrschenden Geschmack
stellten diese Anlagen dennoch
eine Zumutung dar. Es begann schon mit
dem verwendeten Werkstoff: Eisen galt
nicht als „echtes“ Material – wie allen voran
Stein –, sondern als ästhetisch minderwertig.
Der Bauherr versuchte, die Viadukte aufzuwerten,
indem er sie mit allerlei Schmuck
behängte und in der Bülowstraße von vornherein
etwas anders gestaltete und auch mit
steinernen Elementen ergänzte.
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Wenn Kreuzberg und Prenzlauer Berg wie west-östliche Pendants wirk(t)en, so nicht zuletzt, weil beide eine Hochbahn besitzen. In der Oberbaumstraße steht der letzte erhaltene Abschnitt des allerersten Viadukts, dessen betont filigrane Gestaltung sich rasch als zu zartgliedrig erwies. Foto: Jan Gympel |
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Die wohl wesentlichste Abweichung vom
ursprünglichen Standardentwurf stellte die
Schrägstellung der Stützen dar, was dem
Viadukt eine dynamischere Anmutung verlieh.
Das wurde auch ein gutes Jahrzehnt
später in der Schönhauser Allee übernommen.
Freilich hatten sich die Konstruktionen
auf der Stammstrecke als allzu filigran
erwiesen. Im Berliner Norden kamen daher
statt Fachwerk- weniger korrosionsanfällige
Vollwandträger zum Einsatz.
Klobige Stützen für kleine Hallen
Auf Dekoration wurde relativ wenig Wert
gelegt – wohl nicht nur, weil der Jugendstil
mit seinen fließenden Formen, der noch
heute die Hochbahn in der Bülowstraße
prägt, um 1913 bereits als veraltet, wenn
nicht gar geschmacklos galt. Offenkundig
hatte man schon kurz vor dem Ersten Weltkrieg,
welcher den Untergang der bürgerlichen
Gesellschaft einleiten und wahrlich
ein Zeitalter beenden sollte, einen gewissen
Sinn für schmucklosen Funktionalismus
entwickelt.
Zwar gibt es bei der Hochbahn in der
Schönhauser Allee an den Straßenkreuzungen
noch steinerne Portale, und ursprünglich
wurden diese – die auch als stabile Brückenwiderlager
dienen mögen – von verzierten
Bögen bekrönt (letzte Beispiele für
solchen Schmuck haben sich am Übergang
von der Rampe zum eisernen Viadukt, nicht
weit südlich der Station Eberswalder Straße,
erhalten). Noch bemerkenswerter sind die
Stützen, auf denen die letztgenannte Haltestelle
ruht: Man möchte meinen, in maximalem
Kontrast zu den feingliedrig wirkenden
Konstruktionen, auf denen noch heute die
Stationen Görlitzer Bahnhof, Prinzenstraße
oder Hallesches Tor stehen, sollte hier so stabil
wie möglich gebaut werden.
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Heute eine Rarität: Von einem verzierten Steinbogen bekrönter Pfeiler an der Rampe in der Schönhauser Allee. Foto: Jan Gympel |
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Auch in der Schönhauser Allee zeichnete,
wie bei so vielen Berliner U-Bahn-Bauten bis
1930, als Architekt Alfred Grenander verantwortlich.
In den mächtigen Stützen mag man
einen Hang zum Monumentalen und zum
Neoklassizismus ausmachen, der für jene
Zeit nicht untypisch ist und der auch in dem –
ebenfalls 1913 nach Plänen Grenanders fertiggestellten
– Empfangsgebäude auf dem
Wittenbergplatz zum Ausdruck kam.
Die massive Sockelkonstruktion wirkt um
so klobiger, als auf ihr eine vergleichsweise
kleine, ganz einfach und funktional gestaltete
Bahnsteighalle thront. Diese wird
zwar in der Längsachse bekrönt von einer
satteldachförmigen Oberlichtraupe, doch
erstens war man 1913 noch Jahre entfernt
von den Glaubenskriegen um das Flachdach
und zweitens bewirkt die satteldachartige
Ausführung einen besseren Lichteinfall als
eine flache, ist also letztlich zweckgerichtet.
Den einzigen Schmuck an der Halle stellen
die andreaskreuzförmigen Sprossen der
hochliegenden seitlichen Fensterbänder dar
(beim heutigen Bahnhof Schönhauser Allee,
dessen Halle nahezu identisch gestaltet
wurde, blieben diese Sprossen nicht erhalten).
Ansonsten sind die Wände geschlossen.
Ursprünglich wurden sie von langen hölzernen
Reklametafeln dominiert.
Braucht man große Seitenfenster?
Die Grundform der beiden Hochbahnstationen
in der Schönhauser Allee erinnert an
den 1912 nach einem Entwurf Sepp Kaisers
errichteten Bahnhof Gleisdreieck, auf dessen
Außenansicht freilich auch deshalb wenig
Wert gelegt zu werden brauchte, weil
diese in Anbetracht der Lage der Station
kaum jemand wahrnehmen konnte. Anders
als in Gleisdreieck tragen in der Schönhauser
Allee die bogenförmigen Binder der Bahnsteighallen
viel stärker zur Raumwirkung bei.
Und während der Mittelperron nun auch bei
Viaduktstationen zum Standard geworden
war, wurden die Zugänge noch immer mit
doppelläufigen Treppen versehen. Nur an
der Haltestelle Eberswalder Straße ist diese
Situation erhalten, und so kann man dort
auch heute noch erkennen: Ein einfacherer,
einladenderer Zugang zu den Flächen unter
der Hochbahn wurde erkauft mit für den
Fahrgastandrang zu schmalen Treppen.
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Foto: Jan Gympel |
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Der Hochbahnhof Eberswalder Straße (vormals Dimitroffstraße, vormals Danziger Straße) nach seiner jüngsten Renovierung, die ihm auch Schilder bescherte, welche die ursprüngliche Gestaltung nachahmen. Im Hintergrund die spätere Bahnsteigverlängerung, die ebenfalls überdacht wurde. Foto: Jan Gympel |
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Kurzsichtig erscheint auch der Gedanke,
angesichts des Mittelbahnsteigs auf große
Fensterflächen in den Seitenwänden der
Hallen verzichten zu können, da die Züge
diese ohnehin verdecken würden: Der 1929
eröffnete neue Hochbahnhof Kottbusser
Tor wurde ebenso auf voller Länge großflächig
verglast wie ungefähr zeitgleich oder
wenig später entstandene Bahnsteighallen
der S-Bahn, etwa in Jannowitzbrücke, Westkreuz,
Schöneberg oder Zoo.
Rund um das Kottbusser Tor – genauer:
zwischen der Oranien-/Wiener Straße und
der Zossener Brücke – kann man auch aus
der Zwischenkriegszeit stammende Viadukte
sehen, welche die rasch verschlissenen
Ursprungsbauten ersetzten. Interessanterweise
sind sie anders gestaltet als die an der
heutigen Kreuzung Paul-Robeson-/Erich-
Weinert-Straße beginnende Verlängerung
der Hochbahn in der Schönhauser Allee:
Diese wurde so ausgeführt, dass die Längsträger
– gestützt von simplen Pfeilern mit
quadratischem Grundriss – über statt unter
der Fahrbahnfläche für die Züge liegen. Diese
Konstruktionsweise gewährleistet eine
bestmögliche Beleuchtung des unter dem
Viadukt verlaufenden Fußwegs – anders als
in Kreuzberg oder in der Bülowstraße wird
dieser Raum in der Schönhauser Allee ja
nicht mittlerweile als Parkplatz zweckentfremdet.
Der „Magistratsschirm“ kann also
noch benutzt werden.
Wobei Letzteres wohl eine dieser Bezeichnungen
ist, von denen die Berliner staunend
in gewissen Büchern und Artikeln lesen, sie
würden sie benutzen. Sie ist natürlich auch
sachlich falsch, denn 1913 hatte die Stadt
Berlin noch nicht einen einzigen Kilometer
Hoch- oder Untergrundbahn fertiggestellt.
Auch die Strecke zur Schönhauser Allee
war von privater Seite gebaut worden und
wurde privat betrieben – beides übrigens,
heute unvorstellbar, ohne Subventionen der
öffentlichen Hand.
Die Hochbahn im Norden bildete dabei
den Abschluss der ersten Schnellbahnstrecke
durch das Berliner Zentrum. Deren
Bau wurde als willkommene Gelegenheit
genutzt, in der Altstadt mal wieder kräftig
abzureißen – als die DDR dort um 1970 neben
zahlreichen Gebäuden sogar das aus
der Anfangszeit Berlins überkommene Straßennetz
tilgte, war dies ja nur der finale Akt
eines seit mindestens einem Jahrhundert
mit regelrechtem Hass betriebenen Zerstörungsprozesses.
So soll es der Stadtverwaltung ganz recht
gewesen sein, dass durch die Untertunnelung
der Spree eine große Bresche in den
ufernahen Bestand an Gebäuden des 17. und
18. Jahrhunderts geschlagen wurde. Kurz
zuvor hatte man – direkt neben dem 1913
eröffneten U-Bahnhof Klosterstraße – mal
eben einen ganzen Block abgebrochen, um
Platz für das Stadthaus zu schaffen. Und parallel
zum Bau der U-Bahn wurde seit 1906
der Kern des Scheunenviertels kahlschlagsaniert
und an seiner Stelle der heutige Rosa-Luxemburg-Platz angelegt.
So fragwürdig dieses Vorgehen war – die
Innenstadtstrecke erwies sich rasch als voller
Erfolg. Bis zum Mauerbau 1961, durch
den sie bis 1993 vom restlichen Kleinprofilnetz
abgetrennt wurde, war sie eine der
am stärksten frequentierten der Berliner
U-Bahn. So rühren aus jener Zeit auch die
Pläne, sie durch eine geradlinige Großprofilverbindung
zwischen Alexanderplatz und
Potsdamer Platz zu ergänzen – Pläne, die
man inzwischen wohl als wilde Phantasien
bezeichnen darf, denn dank veränderter
Verkehrsströme und Stadtstrukturen sowie
neuer U-Bahn-Strecken wirkt die heute von
der U 2 genutzte Trasse keineswegs mehr
überlastet, unweit von ihr wird gerade die
parallel verlaufende Verlängerung der U 5
gebaut, und eine Straßenbahn soll zwischen
Alex und Potsdamer Platz ja eigentlich auch
noch entstehen.
Beliebt bei Film und Fernsehen
Apropos Straßenbahn: Nahezu auf ihrer
gesamten Länge – und im Norden noch
über die am 16. September 2000 eröffnete
neue Endstation Pankow hinaus – wird die
Hochbahn in der Schönhauser Allee von
der Tram begleitet. Dabei ist Parallelverkehr
auf Schienen für die BVG Teufelszeug. Abgesehen
von einem Teil von Friedrich- und
Chausseestraße gibt es ihn daher auch nirgends
auf nur annähend so langer Strecke
wie in der Schönhauser Allee und der Berliner
Straße.
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Sachlich und schmucklos wurde auch die 1930 eröffnete Rampe in der Berliner Straße gestaltet. So schnell wie möglich ließ man die Hochbahn bei der Streckenverlängerung in der Erde verschwinden. Foto: Jan Gympel |
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Dabei war es sicher auch dieses Nebeneinander
von Hoch- und Straßenbahn, welches
der Schönhauser Allee in den Jahren der
Teilung das Image verschaffte, Ost-Berlins
lebendigste Straße zu sein. Natürlich hatte
die Schönhauser Allee, der bald sogar die
Ehre zuteil wurde, im Schlager besungen
zu werden, auch wenig Konkurrenz: Die als
Prachtmeile gedachte Stalinallee war architektonisch
noch vor ihrer Fertigstellung wieder
in Ungnade gefallen und viel zu weitläufig,
um wirklich Urbanität zu entfalten. Erst
recht galt dies für die mühsam mit größtenteils
belanglosen Betonklötzen kaschierte,
erst um 1970 geschaffene Einöde rund um
den Fernsehturm.
Ging es darum, quirliges Großstadttreiben
zu zeigen, drehte man daher für Film
wie Fernsehen gern in der Schönhauser
Allee. Und beginnend mit Gerhard Kleins
1957 entstandenem Spielfilm „Berlin – Ecke
Schönhauser“ wurde insbesondere die große
Kreuzung vor der heutigen Station Eberswalder
Straße so oft ins Bild gerückt, dass man
fast glauben konnte, die Hochbahn wäre extra
für die Dreharbeiten aufgebaut worden.
Vielleicht trug diese offenkundige Wertschätzung
für einen Bau, der eigentlich ein Zeugnis
finstersten kapitalistischen Profitstrebens ist,
auch dazu bei, dass die Hochbahn schon 1979
unter Denkmalschutz gestellt wurde. Erst ein
Jahr später geschah dies – gegen heftigen Widerstand
der BVG – mit der ersten U-Bahn-Anlage
in West-Berlin: dem Empfangsgebäude
auf dem Wittenbergplatz.
So hatte sich etwas, das einmal als
Verschandelung betrachtet wurde, zum
besonders erhaltenswürdigen Teil des
Stadtbildes gewandelt. Natürlich stellt die
Hochbahn, wie von ihren Gegnern vor hundert
Jahren befürchtet, eine Belästigung
dar. Und genehmigungsfähig wäre solch
ein Bau heute wohl kaum mehr, und wenn
doch, würde er vermutlich von schauderhaften
Schallschutzwänden umschlossen.
Aber diese Anlage zeigt auch, wie eine
Zumutung, wenn man sich an sie gewöhnt
hat, zum Attraktivitätsgewinn werden
kann. Denn was die Schönhauser Allee
ganz wesentlich von ihren „Schwestern“
Greifswalder Straße oder Prenzlauer Allee
unterscheidet und ihr ihren besonderen
Charakter verleiht, ist eben die – sich seit
einigen Jahren in Quietschgrün darbietende
– Hochbahn, an die fast jeder denkt,
wenn es um diese Straße geht.
Jan Gympel
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