Zum 1. August 2013 werden die meisten Tarife
im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg
nach genau einem Jahr erneut erhöht. Die
durchschnittliche Erhöhung liegt bei +2,8
Prozent. Diese Zahl ist für den einzelnen
Fahrgast wenig aussagekräftig, zeigt aber,
dass die Erhöhung wieder einmal über der
Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten
von rund 2 Prozent liegt.
Begründet wird die Erhöhung wie jedes
Mal mit steigenden Energie- und Personalkosten.
Ein Nachweis wird seit Jahren höchstens
ansatzweise geführt. In einigen Jahren
gesunkene oder zumindest stabile Energiekosten
z. B. durch günstige Einkaufskonditionen
wurden übergangen.
Getäuscht wird die Öffentlichkeit auch mit
dem Verweis auf ähnlich hohe oder noch höhere
Tarife in anderen Verkehrsverbünden. Denn
verschwiegen wird,
dass das Einkommensniveau
in Berlin und Brandenburg deutlich unter
dem deutschen Durchschnitt und vor allem
deutlich unter dem Niveau von beispielsweise
Hamburg, München oder Stuttgart liegt. Diese
Differenz wächst in Berlin sogar noch. Für
2011 bilanzierte das Amt für Statistik Berlin-
Brandenburg am 22. Mai 2013, dass „sich die
jährliche Vergrößerung des Rückstandes der
Einkommen der Berliner gegenüber dem
Durchschnitt in Deutschland in den letzten
zehn Jahren weiter fortgesetzt“ hat.
Sozial- und umweltpolitische Ziele
zählen nicht mehr
Seit Jahren wird von den Politikern versprochen,
dass die Tarifgestaltung dazu beitragen
soll, verständliche und bezahlbare
Tarife zu bekommen, die mehr Menschen
in Bahnen und Busse locken und damit zur
Daseinsvorsorge für Menschen ohne Auto,
zum Klima- und Umweltschutz und zur Reduzierung
der Verkehrsunfälle und -opfer
beitragen soll.
In der Realität geht es aber längst fast
nur noch um die Steigerung der Tarifergiebigkeit.
Wenn die Tariferhöhung dazu führt,
dass Fahrgäste auf Auto oder Fahrrad abwandern,
aber die Gesamteinnahmen durch
die Tariferhöhung dennoch gesteigert werden,
hat der Finanzsenator sein Ziel erreicht.
Mehr Fahrgäste in Bahnen und Busse zu
bringen, ist ein nachrangiges Ziel geworden.
Dank wachsender Einwohner- und Touristenzahlen
konnten die Fahrgastzahlen
allerdings trotz Tariferhöhung gesteigert
werden, in Berlin von 2011 zu 2012 über alle
Verkehrsmittel um 0,8 Prozent. Aus der Kombination
von Fahrpreiserhöhung und mehr
Fahrgästen lagen die Mehreinnahmen in
Berlin bei 4 Prozent.
Der BVG droht eine Krise
wie 2009 bei der S-Bahn
Diese positive Entwicklung hatte den Finanzsenator
allerdings nicht davon abgehalten,
für 2013 mehr als nur 2,8 Prozent
Steigerung zu fordern, weil die Zahlungsbereitschaft
noch nicht „abgeschöpft“ sei. Zugleich
will der Finanzsenator der BVG aber
die ihr laut Evaluierung zum Verkehrsvertrag
zustehenden erhöhten Zuschüsse nicht
zahlen, sondern verlangt viel mehr, dass oft
schon heute überlastete BVG-Verkehrsangebot
zu reduzieren, obwohl eine Erweiterung
erforderlich wäre.
Mit dem Zurückhalten dringend benötigter
Gelder für Investitionen in die Strecken
und Fahrzeuge der BVG droht das Unternehmen
in eine ähnliche Krise zu geraten, wie
die Berliner S-Bahn im Jahr 2009.
Zugleich wird der BVG seit Jahren ein
ungenutztes Einsparpotenzial von über 10
Millionen Euro jährlich verweigert, weil ein
großer Teil der geplanten Ampelvorrangschaltungen
für Straßenbahnen und Busse
noch immer fehlen und viele der für mehrere
Millionen Euro bereits eingerichteten
Vorrangschaltungen nicht oder nicht richtig
funktionieren.
Umso spendabler ist der Senat beim Straßenbau.
Hier wird das Netz durch Neubauten
ausgebaut, obwohl das nicht nur Investitionen,
sondern auch erhöhte Folgekosten
erfordert.
Kleine Verbesserungen
Zum 1. August wird für Berlin die Kurzstrecke
auch als 4-Fahrten-Karte angeboten.
Damit kann auf einer Kurzstrecke weiterhin
für 1,40 Euro gefahren werden, während der
Einzelfahrausweis um 6,7 Prozent auf 1,50
Euro verteuert wird.
Erfreulich ist die Neuregelung, dass Heiligabend
und Silvester die tariflichen Wochenendregelungen
gelten. Das hatte der
Berliner Fahrgastverband IGEB in Gesprächen
mit BVG und S-Bahn GmbH mehrfach
gefordert, weil an diesen Tagen, wenn sie
auf Montag bis Freitag fallen, dennoch der
Sonnabendfahrplan gefahren wird. Die
Einnahmeausfälle werden zu verschmerzen
sein, weil viele BVG-Busfahrer in der
Vergangenheit bereits beispielsweise die
Mitnahme einer zweiten Person auf einer
Umweltkarte akzeptiert hatten. Umso
wichtiger ist die jetzige eindeutige Regelung.
Dank des Einsatzes der S-Bahn GmbH wird
es außerdem möglich sein,
zur Kita eine ermäßigte Monatskarte nutzen
können (siehe SIGNAL 1/2013 ).
Schwarze Perspektive
Während die Tariferhöhung zum 1. August
2013 noch bevorsteht, plant der Finanzsenator
und BVG-Aufsichtsratsvorsitzende
bereits die nächste, möglichst noch vor
dem 1. August 2014. Als Motivationsschub
fungieren die sogenannten Bruttoverträge
bei den Vergaben im Regionalverkehr, denn
jede Mehreinnahme durch Tariferhöhungen
kommt unmittelbar den Landeshaushalten
der Länder Berlin und Brandenburg zugute.
Die Begründung für die Tariferhöhung
2014 wird allerdings etwas anders sein als
bisher: Berlin hat rechnerisch weniger Einwohner
und bekommt deshalb weniger
Geld über den Länderfinanzausgleich. Dass
die Fahrgastzahlen steigen und viele Linien
überlastet sind, interessiert nicht. Zusätzliches
Geld wird bestenfalls bereit gestellt,
um auf die (trotz angeblicher Einwohnerverluste)
wachsende Nachfrage nach Wohnungen
und Schulplätzen zu reagieren – und
natürlich für Straßenneubau und den neuen
Flughafen BER. Bei Bahnen und Bussen
soll demgegenüber gespart und zugleich an
der Tarifschraube gedreht werden, „bis es
quietscht“ – wie es der Regierende Bürgermeister
Wowereit gern formuliert. Und die
Berliner Abgeordneten, gerade auch die der
SPD-CDU-Koalition, finden das alles richtig?
Berliner Fahrgastverband IGEB
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