International

Güterverkehr Bundesrepublik—Polen

Mit dem Kombinierten Verkehr Straßen entlasten!

Der Straßengüterverkehr hat seit dem Beitritt Polens in die Europäische Union erheblich zugenommen. Hiervon ist besonders die Autobahn A12 betroffen. Um Entlastung zu schaffen, wurde zwischenzeitlich der Ruf nach einem 6-spurigen Ausbau dieses Autobahnabschnittes laut. Die Umsetzung alternativer, ressourcenschonender Konzepte, zum Beispiel in Form eines deutlich verbesserten Kombinierten Verkehrs (KV) Schiene - Straße, wird dagegen mit viel zu geringer Intensität verfolgt.

Fuhren vor dem EU-Beitritt Polens am 1. Mai 2004 im Durchschnitt täglich 3000 Lkw über den Grenzübergang Frankfurt (Oder), sind es mittlerweile etwa 6000. Diese Entwicklung bestätigt leider die Wachstumsprognosen im Güterverkehr, schwerpunktmäßig auf der Straße.

Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung wurden im Bundesland Brandenburg als Schnittstelle zwischen Schiene und Straße drei Terminals für den Kombinierten Verkehr in den Güterverkehrszentren Wustermark, Großbeeren und Frankfurt (Oder) geschaffen, hinzu kommt das trimodale Terminal im Berliner Westhafen. Trotz dieser Angebote erfolgt eine Bahnverladung bislang keineswegs in dem gewünschten Umfang, eine Nutzung dieser Terminals erfolgte zum Teil erst mit mehrjähriger Verzögerung.

Gleisbauarbeiten
Ein beschleunigter Ausbau der Infrastruktur wäre eine Voraussetzung, um zwischen Deutschland und Polen deutlich mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Aber selbst auf dieser wichtigen Magistrale zwischen Berlin Ostbahnhof und Frankfurt (Oder) werden die Arbeiten nach derzeitigem Planungsstand frühestens im Jahr 2009 abgeschlossen werden. Foto: Christian Schultz

Neben Zeitvorteilen führt der intensive Wettbewerb zwischen den Transportunternehmen mittlerweile zu derart ruinösen Preisen, die von den Bahnunternehmen in der Regel nicht geboten werden können. Die negativen Folgen bezüglich der Verkehrssicherheit, der Lärm- und Schadstoffbelastung - z. B. für die Anwohner an Bundesstraßen - sind dagegen unübersehbar. Verantwortungslos sind daneben die Begleitumstände der „kostengünstigen" Lkw-Transporte: Überladene Fahrzeuge, überhöhte Geschwindigkeit, grobe Missachtung von Lenk- bzw. Ruhezeiten und erhebliche technische Mängel werden bei Polizeikontrollen regelmäßig festgestellt und beschränken sich leider nicht nur auf wenige Einzelfälle. Welches Bahnunternehmen kann sich dagegen einen Wettbewerb zu Lasten der Betriebssicherheit leisten?

Daneben bestätigt sich auch das bereits im Vorfeld der Mauteinführung befürchtete Ausweichen schwerer Lkw auf Bundesstraßen. Die für solche Ausweichverkehre beliebte B 87 zwischen Frankfurt (Oder) und Lübben sei an dieser Stelle beispielhaft genannt.

Ungenutzte Kapazitäten im Kombinierten Verkehr Schiene-Straße

Die benannten Anlagen für den Kombinierten Verkehr sind - abgesehen von dem Terminal im Berliner Westhafen - nicht ausgelastet, außerdem noch erweiterungsfähig. Das an der stark belasteten Ost-West-Achse liegende Terminal in Frankfurt (Oder) steht beispielsweise seit 5. Dezember 2002 (Datum der Betriebsgenehmigung) zur Verfügung, wurde aber über zwei Jahre lang nicht genutzt. Diese Anlage besteht derzeit aus zwei Umschlaggleisen von 620 Meter Länge, im Endausbau sind sogar fünf Umschlaggleise geplant. Die Investitionskosten betrugen bislang rund 15 Millionen Euro!

Erst seit dem 6. April 2005 verkehren nunmehr dreimal pro Woche Container-Ganzzüge nach Hamburg und Bremerhaven bzw. in der Gegenrichtung (Seehafen-Hinterlandverkehre). Damit hat u. a. dieses Terminal noch erhebliche Kapazitätsreserven.

Das Marktpotenzial für den Kombinierten Verkehr in Form gebündelter Verkehre auf Langstrecken ist angesichts der Lkw-Lawine auf der A 12 bzw. den weiterführenden Autobahnstrecken A 2, A 9, A 13 und A 24 grundsätzlich vorhanden; günstige Voraussetzungen für eine Verlagerung auf die Schiene sind somit vorhanden.

Die Erweiterung oder der Neubau von Terminals allein garantiert allerdings noch keinen Erfolg.

Leistungsmängel beim Bahnangebot im Vergleich zum Lkw

Ladekräne
Während die rechte Spur der Autobahn A 12 vorrangig von Lkw in Anspruch genommen wird, arbeitet zum Beispiel das Terminal für den Kombinierten Verkehr in Frankfurt (Oder) mit gerade einmal drei Zugpaaren pro Woche (!) deutlich unterhalb der Kapazitätsgrenze. Unverständlich ist die politische Duldung dieses Mißverhältnisses. Foto: Christian Schultz

Für Lkw sind die zeitaufwändigen und teuren Zollaufenthalte an der Grenze Bundesrepublik—Polen seit 1. Mai 2004 entfallen, die Leistungsqualität bezüglich Preis, Fahrzeitverkürzung und Zuverlässigkeit ist dadurch wesentlich gestiegen. Die Bahn konnte dagegen keine vergleichbaren Positiveffekte verbuchen, die Betriebsabwicklung gestaltet sich noch immer sehr zeitintensiv und umständlich. Für attraktive Angebote u.a. im Kombinierten Verkehr sind aber gerade günstige Ladeschluss- und Bereitstellungszeiten, der schnelle Transport beispielsweise im Nachtsprung, zeitnahe Information der Kunden im Fall von Störungen, eine qualitätsmäßig beständige Leistung sowie eine hohe Pünktlichkeitsquote unabdingbar.

Die Realität sieht leider anders aus. Grenzaufenthaltszeiten von sechs Stunden und mehr sind noch immer üblich. Hinzu kommen weitere Qualitätsmängel. Seitens der Deutschen Bahn wurden für den Güterverkehr zwischen der Bundesrepublik und Polen beispielsweise für April 2005 Pünktlichkeitswerte von lediglich 35 % genannt, in der Gegenrichtung war die Situation mit 50 % nicht wesentlich besser.

Daneben bedroht der Preisverfall im europäischen Güterverkehr gerade den Hoffnungsträger der Verkehrspolitik: den Kombinierten Verkehr.

Verbesserungspotenziale kurzfristig nutzen

Nachfolgend soll das Verbesserungspotenzial im Schienengüterverkehr verdeutlicht werden. In vielen Fällen wäre die Stärkung des Kombinierten Verkehrs, ebenso auch der anderen Angebotsformen, wie z. B. des Einzelwagenverkehrs, mit vergleichsweise geringem finanziellem Aufwand möglich. Folgende politisch wie auch bahnseitig zu realisierende Verbesserungsmaßnahmen seien hier genannt:

  • Abschluss eines neuen Grenzübereinkommens zwischen der Bundesrepublik und Polen
  • Mit dem Einsatz von Mehrsystemloks kann auch im Güterverkehr die Möglichkeit geschaffen werden, unnötige Aufenthaltszeiten an der Grenze zu vermeiden. Durch entsprechende Vereinbarungen ist es z.B. mittlerweile möglich, dass Güterzüge über alle deutsch-französischen Grenzübergänge ohne Halt verkehren. Erforderliche Zulassungsverfahren für die hierfür erforderlichen Mehrsystemloks sind derzeit jedoch mit unverantwortlich hohem zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden, so dass die Wirtschaftlichkeit der Interoperabilität ad absurdum geführt wird. Würden gleiche Maßstäbe beim Lkw angelegt, die für die Zulassung von Lokomotiven im Ausland gelten, müsste der Spediteur mit seinem Lkw umfangreiche Probe- und Messfahrten in jedem Land, in dem er fahren möchte, absolvieren. Teilweise wäre ein und derselbe Nachweis für verschiedene Länder zu wiederholen. An jeder Grenze müsste in der Regel der Lkw-Fahrer gewechselt werden, da er die Landessprache des anderen Landes nicht beherrscht. U.a. durch solch überbordenden Bürokratismus wird die Wettbewerbsposition der Bahn gegenüber dem Schwerlastverkehr auf der Straße nicht nur zwischen der Bundesrepublik und Polen, sondern europaweit spürbar geschwächt. Hier sind die zuständigen Aufsichtsbehörden gefordert, kurzfristig Vereinfachungen zu schaffen.
  • Durch Einrichtung einer Grenz- und Korridorkontrollstelle kann die Überwachung und Steuerung des internationalen Zugbetriebs verbessert werden (Vorbild: Alpentransit am Brenner).
  • Entwicklung zusätzlicher durchgehender, internationaler Trassen seitens der Schienennetzbetreiber.
  • Durch die konsequente Einrichtung von „Vertrauenszügen" bzw. die Beseitigung langer Standzeiten für technische Grenzkontrollen kann der Güterverkehr deutlich beschleunigt werden.
  • Beseitigung bestehender Hürden für private Bahnunternehmen im Verkehr Bundesrepublik—Polen.
  • Die Schaffung von Entschädigungsregelungen bei mangelhafter Transportqualität dürfte - in Anlehnung an die Kundencharta der DB AG im Personenfernverkehr - einen deutlichen Qualitätsschub bei der Leistungserbringung bewirken.
  • Verbesserung und Vereinfachung des Datenaustausches zwischen den beteiligten Bahnunternehmen.
  • Qualifizierung der polnischen Speditionsund Transportunternehmen im Hinblick auf KV-Nutzungspotenziale.
  • Einführung von Steuervorteilen in Polen bei der Beschaffung und Nutzung von KV-fähigem Equipment (Wechselaufbauten und kranfähige Sattelauflieger). Die Einrichtung begleiteter Kombinierter Verkehre in Form der „Rollenden Landstraße" ist in der Regel nur mit erheblicher finanzieller Stützung zu realisieren.

Infrastrukturmängel beseitigen

Unbefriedigend sind weiterhin die Fortschritte bezüglich des Ausbaus und der Modernisierung der Infrastruktur zwischen der Bundesrepublik und Polen. Folgende gerade für den Güterverkehr bedeutende Strecken sind zwar im Bundesverkehrswegeplan enthalten, Termine für die Realisierung sind jedoch gerade angesichts des verschärften Wettbewerbs zu langfristig gesetzt oder schlimmstenfalls sogar völlig unklar:

  • Ausbaustrecke Berlin—Angermünde—Grenze D/PL (—Szczecin); Ausbau für 160 km/h;
  • Ausbaustrecke Berlin—Frankfurt (Oder)—Grenze D/PL (—Warschau); Ausbau für 160 km/h (Peinlich ist bei dieser international bedeutsamen Strecke die aktuelle Diskussion bezüglich der Sanierung der maroden Oder-Brücke.);
  • Ausbaustrecke Berlin—Görlitz; Elektrifizierung Cottbus—Görlitz, zweigleisiger Ausbau Lübbenau—Cottbus
  • Ausbaustrecke Hoyerswerda—Horka—Grenze D/PL (—Wegliniec—Wroctaw); zweigleisiger Ausbau für 120 km/h und Elektrifizierung;
  • Ausbaustrecke Dresden—Görlitz—Grenze D/PL; Ausbau für 120 bis 160 km/h.

Angesichts des Zeitverzugs und der kritischen Wettbewerbssituation im Vergleich zum Lkw ist kurzfristiges Handeln seitens der Politik und der Bahnverwaltungen dringend erforderlich. Die Bundesrepublik ist aufgrund ihrer geographischen Lage innerhalb Europas in erheblichem Umfang Transitland. Wegen der daraus entstehenden Belastungen darf das Verkehrswachstum nicht mehr wie in den vergangenen Jahren allein auf der Straße stattfinden. Unser Land ist außerdem sehr dicht besiedelt; jede Nutzung einer Fläche für den Verkehr steht in direkter Konkurrenz zu anderen Nutzungen. Daher gibt es verständlicherweise zunehmend Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung - die aktuelle Diskussion um Mautausweichverkehre sei an dieser Stelle genannt. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob die international eingegangenen Verpflichtungen hinsichtlich des Klimaschutzes nur unterschrieben wurden oder auch ernst genommen werden.

IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 4/2005 (August/September 2005), Seite 24-25

 

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