Berlin

Straßenbahn auch in westliche Stadtteile

Mündliche Anfrage vom 15. September 2005

Frage:

Teilt der Senat die Auffassungen von T. N. [Anm.. Thomas Necker], Vorstand der BVG, dass die Straßenbahn im Westteil der Stadt mit Sicherheit keine Renaissance erleben wird (Regionalverkehr 5/2005, S. 37 ff.)?

Wird der Senat die Realisierung des Straßenbahnausbaus nach Stadtentwicklungsplan Verkehr (bitte die Projekte benennen) gegenüber dem BVG-Vorstand einfordern und dies gegebenenfalls durch entsprechende Zielvereinbarungen durchsetzen?

Antwort:

Der Senat hat im Rahmen des Stadtentwicklungsplans Verkehr eine deutliche Verschiebung zugunsten der Bestandserhaltung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur vorgenommen. Infrastrukturerweiterungen sind unter der Maßgabe der Wirtschaftlichkeit und der Finanzierbarkeit nur noch in vergleichsweise geringem Umfang vorgesehen. Umfassende Erweiterungen der Straßenbahn in den westlichen Bezirken sind deshalb zzt. nicht geplant. Der Stadtentwicklungsplan Verkehr sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, die vor allem der Beseitigung struktureller Defizite, der Anbindung relevanter Verkehrsknoten und der Erschließung von Stadtquartieren mit gesamtstädtischer Bedeutung dienen. Die Realisierung erfolgt im Rahmen der zur Verfügung stehenden Finanzierungsmittel. Der Senat hat in seiner mittelfristigen Finanzplanung die Umsetzung der Straßenbahnneubaustrecken

  • Invalidenstraße (ab Freifläche am S-Bahnhof Nordbahnhof bis Endstelle am Hauptbahnhof) und
  • Sonntagstraße (von Wühlischstraße bis Endstelle am Bahnhof Ostkreuz bzw. bis Marktstraße über Ostkreuz)

vorgesehen. Sofern die Wirtschaftlichkeit der geplanten Neubaustrecke Groß Berliner Damm vom S-Bahnhof Adlershof bis Johannisthal, Sterndamm durch die laufende Untersuchung bestätigt wird, ist auch die Umsetzung dieses Vorhabens mittelfristig gewährleistet.

Über die Umsetzung neuer Infrastruktur-Maßnahmen im BVG-Netz entscheidet der Senat im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten. Zielvereinbarungen sind hierzu nicht erforderlich.

Berlin, den 15. September 2005
Ingeborg Junge-Reyer
Senatorin für Stadtentwicklung

[IGEB]

Gleisbaustelle
Kein Anschluss auf diesen Gleisen. 2006 sollte die Straßenbahn zum Lehrter Bahnhof fahren. Damit hätte es gut 16 Jahre nach dem Mauerfall endlich die zweite sektorenüberschreitende Straßenbahnstrecke in den Westteil Berlins gegeben. Zwar wurden auf der Invalidenstraße am künftigen Hauptbahnhof inzwischen die ersten Gleise gelegt, doch frühestens 2010 werden hier die Züge vom Nordbahnhof ankommen. Foto: Florian Müller

Grundsätzlich ist es natürlich richtig, dass beim Berliner Schienennetz in den nächsten Jahren Erhalt und Sanierung des Bestandes Vorrang haben vor Neubaustrecken. Doch für die Straßenbahn muss es Ausnahmen geben. Wie bei keinem anderen Berliner Verkehrsmittel ist das Netz hier bis heute durch die einstige Teilung der Stadt geprägt. Zum wirtschaftlichen Erhalt des Netzes gehört hier zwingend ein Ausbau in die City-Ost und nach Westen. Dass das lohnt, zeigen die Beispiele Bornholmer Straße, einzige nach West-Berlin verlängerte Strecke, und das Projekt Alex II, nach dessen Fertigstellung Ende 2006 die BVG Mehreinnahmen und Betriebskostensenkungen erwartet.

Derartig wirtschaftliche Neubauprojekte sind entlang der gesamten einstigen Stadtgrenze zwischen Märkischem Viertel und Rudow zu finden. Es geht also nicht darum, ob die Straßenbahn ausgebaut wird, sondern welche Strecken Priorität haben.

Über die Umsetzung entscheidet der Senat, antwortet Frau Junge-Reyer und distanziert sich damit vorsichtig vom BVG-Vorstand. Das hätte deutlicher ausfallen dürfen. Oder will der rot-rote Senat sich einst vorhalten lassen, dass er noch hinter CDU-Senator Herwig Haase zurückgefallen ist, der Anfang der 90er erkannt hatte, dass eines der besten Erbstücke im Ostteil Berlins das große Straßenbahnnetz sei? Doch leider ließ er den schönen Worten zu wenige Taten folgen.

Auch 2006 sind vor allem Taten gefragt, wenn die Weichen zum U-5-Bau zwischen Brandenburger Tor und Alexanderplatz gestellt werden. Zwar ist dieser U-Bahn-Neubau realistischerweise nicht mehr aufzuhalten, aber das Tempo bei dieser Baustelle entscheidet auch über die Straßenbahn. Denn je größer das Tempo beim U-5-Bau ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass noch Geld für den Straßenbahnneubau übrig bleibt.

Jutta Matuschek (Die Linkspartei PDS), Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin

aus SIGNAL 5/2005 (Oktober/November 2005), Seite 14

 

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