Es ist schon bemerkenswert, welchen Aufwand
von Finanznöten geplagte Behörden
oder Unternehmen treiben, wenn es um ihre
Außendarstellung geht - wir erinnern uns
nur der nobel ausgestatten Publikationen
aus dem Hause der Berliner Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung zu Zeiten Peter
Strieders. Die Deutsche Bahn, welche sonst
gar nicht genug an allem und jedem sparen
kann, hat nun eine vergleichbare Broschüre
über ihr gegenwärtig wichtigstes Projekt in
Leipzig herausgebracht - selbstverständlich
als Buch mit festem Einband.
Was in München, Stuttgart oder Frankfurt
am Main mit viel Tamtam als „Projekt
21" vorgestellt wurde und eher versandete,
heißt in der Messestadt bekanntlich
„City-Tunnel" und ist gerade in der
Ausführung begriffen: Die Unterquerung
des Stadtkerns vom Kopf-Hauptbahnhof zu
einer Bahnstrecke am südlichen Ende des
Zentrums. Genau genommen handelt es
sich hier um einen Zwitter aus den „21er-Projekten"
und einem jener S-Bahntunnel,
den auch Leipzig zweifelsohne längst besäße,
hätte die Stadt nicht in der DDR gelegen:
An der Pleiße soll nicht der gesamte,
in seiner architektonischen Wirkung durch
die Umgestaltung zum „Kommunikationsund
Dienstleistungszentrum" (so das Buch)
demolierte Hauptbahnhof unter die Erde
verlegt werden, sondern „nur" einzelne
Fernzüge - wohl nicht zuletzt auf der Relation
Berlin—München - will man künftig
neben S- und Regionalbahnen durch den
Tunnel führen.
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Baustelle für den künftigen Tunnelbahnhof Wilhelm-Leuschner-Platz im Mai 2005. Foto: Joachim Schmitt |
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So fragwürdig derlei Großprojekte grundsätzlich
sind - auf dieses haben die Leipziger
fast schon ein historisches Anrecht, denn in
den letzten hundert Jahren verhinderten
immer wieder die Zeitläufe und die daraus
resultierenden ökonomischen Verhältnisse
den Bau einer solchen Verbindung. So wäre
Leipzig ohne den Ersten Weltkrieg vermutlich
die dritte deutsche U-Bahn-Stadt geworden
- das dortige Projekt scheint jedenfalls weiter
gediehen gewesen zu sein als beispielsweise
das Münchner.
Kurt Ackermann, 1967 bis 1980 Leiter des
Büros für Verkehrsplanung der Kommune,
danach Dozent und Professor für Verkehrsplanung
an der TU Dresden, bestreitet den
Hauptteil des Buches mit einer Darstellung
der Bedeutung des Leipziger Verkehrs für die
Entwicklung derStadt und derdiversen Pläne
für eine Verbindung zwischen Hauptbahnhof
und Bayerischem Bahnhof, zu denen sogar
eine Einschienenbahn gehörte. Auch andere
oberirdische Lösungen erwog man noch in
den 1970er Jahren, ebenso jedoch unterirdische
Straßenbahnstrecken, wobei sich bald
herausstellte, daß der Aufwand kaum in einem
angemessenen Verhältnis zum erzielten
Nutzen gestanden hätte.
Nicht bezweifelt wird dieser Nutzen jedoch
für den jetzt beschlossenen Tunnel, der
Ende 2009 in Betrieb gehen soll, allerdings
mit einem nicht ganz sinnfälligen Linienkonzept:
Derweil es S-Bahnverkehr bis nach Dessau
und Zwickau geben soll, verkehrt zum
Flughafen Leipzig-Halle die Regionalbahn.
Darüber hinaus bleibt abzuwarten, wie
schnell die beliebte Vorgehensweise, alle
S-Bahnlinien - in Leipzig übrigens in einem
15-Minuten-Grundtakt - auf einer zweigleisigen
Strecke zu bündeln, wie viele Störungen
produzieren wird.
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Der geplante Verlauf des City-Tunnels unter der Leipziger Innenstadt, Foto: Grafik: Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit, März 2005 |
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Die Darstellung der jüngsten Planungsgeschichte
ist ebenso knapp wie erschöpfend.
Und über Verschlechterungen - wie zur Stilliegung
vorgesehene Strecken und Stationen
oder die in Frage gestellte Straßenbahn nach
Markkleeberg - wird natürlich nicht groß geschrieben.
Insbesondere den von den jahrzehntelangen
Hervorbringungen der Senatsbauverwaltung
geplagten Berliner Fahrgästen zeigt der
Band nebenbei auch, wie edel, großzügig
und zeitlos unterirdische Stationen gestaltet
werden können: Die vier unterirdischen
Haltepunkte in Leipzig, im Gegensatz zur
Strecke in offener Bauweise erstellt, werden
zum großen Teil stützenfrei ausgeführt und
wo möglich als hohe, lichte Hallen.
Alles in allem: Lesenswert - nicht nur für
Leipziger.
City-Tunnel Leipzig. Chronik einer Eisenbahnverbindung
vom 19. bis zum 21. Jahrhundert.
Von Kurt Ackermann, Andreas Glowienka,
Reinhard W. Heinemann, Dietmar Ludwig,
Carsten Schulze, Walter Stein. Strom & Strom
Verlag, Leipzig 2004, 14,95 Euro Jan Gympel
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