Längst heißt der Lehrter Bahnhof offiziell
Hauptbahnhof, obwohl hier nur
die S-Bahn hält. Um zu zeigen, dass aus
der Großbaustelle bis zum Fahrplanwechsel
am 28. Mai 2006 tatsächlich ein Fern- und
Regionalbahnhof werden
wird, lud DB-Chef Hartmut Mehdorn die
Medien im November 2005 zur Bahnhofsbesichtigung
ein.
Wie nicht anders zu erwarten lobte Mehdorn
den neuen Bahnhof in den höchsten Tönen.
Schätzungsweise 50 Millionen Reisende im
Fernverkehr und 85 Millionen im Nahverkehr
sollen das gewaltige Bauwerk inmitten der
Stadtbrache beleben. „Mit den Besuchern des
Bahnhofs werden täglich 300.000 Menschen
die fünf Ebenen bevölkern", erwartet Mehdorn.
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Von zwei der vier Tunnelbahnsteige geht es per Aufzug umsteigefrei zu den Stadtbahnsteigen Foto: Florian Müller, November |
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Doch dies wird für viele Reisende teuer
erkauft. Selbst die Ost-West-Fernzüge will
der DB-Chef am liebsten vollständig von der
Stadtbahn in den neuen Nord-Süd-Tunnel verlagern.
Bei den Fernzügen, bei denen
das nicht gelingt, wird zumindest der
Halt im Bahnhof Zoo gestrichen. „Das
war von Anfang an so geplant" verteidigt
Mehdorn die Strategie. Dass dies nicht
stimmt, lehrt ein Blick in die vielen Broschüren,
die seit 1991 begleitend zu Planung und Baugeschehen
seitens der Bahn und des Senats
veröffentlicht wurden.
Kurze Wege?
Um das Umsteigen im neuen Bahnhof zu erleichtern,
wird es 54 Fahrtreppen und 34 Aufzüge
geben, darunter auch
solche, die es bei zwei von vier
Tunnelbahnsteigen ermöglichen,
ohne Umsteigen direkt
zu den Fernbahnsteigen auf
der Stadtbahn zu gelangen.
Aber die Mehrzahl der Reisenden
wird viele Minuten für
lange Umsteigewege einplanen
müssen. Ein Blick in die
elektronische Fahrplanauskunft
der Bahn für das Jahr
2006 zeigt, dass die DB selbst
das auch so einschätzt.
1200 Lautsprecher werden
den Bahnhof beschallen und
die Bahnkunden über den
Zugverkehr und mehr informieren.
Deshalb habe man
entgegen der Absicht der Hamburger Architekten
Gerkan, Marg und Partner (GMP) im
Bahnhof keine Gewölbedecken, sondern den
Schall besser verteilende Lochabdeckplatten
vorgesehen, erklärt Mehdorn und ergänzt damit
seine bisher öffentlich nur auf die Kosten
gestützte Verstümmelung des GMP-Entwurfs.
„Alles schon vermietet"
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Fahrtreppen auf den Tunnelbahnsteigen. Von den unteren zu den oberen Bahnsteigen sind vier Ebenen zu überwinden Foto: Florian Müller, November |
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Insgesamt 70.000 Quadratmeter Geschossflächen
bietet das Bahnhofsgebäude einschließlich
der beiden Brückenbauten, davon 15.000
Quadratmeter für Verkaufsfläche. Alle Läden
und Restaurants seien schon vermietet, versichert
die Bahn. Wenn also ein Zug Verspätung
hat oder gar ausfällt, können die Reisenden in
der Zwischenzeit alles zum Leben Erforderliche
einkaufen - und mehr.
Die ersten Hinweisschilder hängen auch
schon. Sinnigerweise weisen sie auf das 900
Stellplätze bietende Parkhaus hin. Das war
anfangs übrigens nur als 300-Plätze-Haus geplant,
weshalb die Planung auf Betreiben der
Bahn für viel Geld geändert werden musste.
Schließlich muss ein Fernbahnhof gute Abstellmöglichkeiten
für Autos bieten, insbesondere
wenn S-Bahn-, Straßenbahn- und U-Bahn-Anschluss
nicht rechtzeitig fertig werden, (mkv) Berlin-Brandenburgischer Bahnkunden-Verband
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