Als Frau M. aus Hofheim im Sommer dieses
Jahres eine Bahnfahrkarte nach Berlin erwarb,
hatte sie augenscheinlich keine unlauteren Absichten.
Sie schildert, wie ihr am Schalter der
Hinweis gegeben wurde, dass sie mit diesem
Fahrschein auch den Nahverkehr am Zielort
- also in Berlin - benutzen dürfe. Auch auf dem
Ausdruck der Reiseverbindung befindet sich
ein entsprechender Hinweis. Aber: Weil sie keinen
Fahrschein mit Bahncard, sondern einen
zum Normalpreis kaufte, war die sogenannte
„City-Ticket"-Funktion nicht enthalten und auch
nicht auf dem Fahrschein aufgedruckt.
Es kam, was kommen musste. Frau M. wurde
bei der BVG kontrolliert und des Schwarzfahrens
bezichtigt. Sie erhielt von der BVG
eine Aufforderung zu einer Nachzahlung von
40 Euro. Sie konnte überhaupt nicht einsehen,
dass sie mit einer solchen Anklage und Forderung
konfrontiert wird. Sie hatte nur genau das
getan, was man ihr bei der Bahn empfohlen
hatte. Folglich lehnte sie es ab, der Forderung
nachzukommen. Die BVG ging sehr ausführlich
auf ihre Beschwerde ein und setzte den
Sachverhalt detailliert auseinander. Im Ergebnis
zeigte sie sich allerdings hart und hielt die
Forderung aufrecht. Es kamen nun Inkassogebühren
hinzu.
Erst jetzt erkannte Frau M., dass sie ihre Beschwerde
eher an die Deutsche Bahn richten
müsste. Möglicherweise erkannte sie sogar
erst in dieser Phase, dass es sich um zwei Verkehrsunternehmen
handelte. Die DB lehnte
jedoch zunächst jegliche Verantwortung für
den entstandenen Schaden ab. Frau M. wandte
sich daraufhin an die Schlichtungsstelle
Mobilität.
Nachdem wir den Sachverhalt aufgeklärt
hatten, versuchten wir, sowohl bei der BVG
als auch bei der DB zu intervenieren. Zunächst
wollten wir die BVG von der Unschuld sowie
fehlenden Absicht von Frau M. und einem
daraus folgenden Verzicht auf die Forderung
überzeugen. Die BVG beharrte jedoch auf dem
formalen Fehlen eines gültigen Fahrscheins
und den daraus entstehenden Rechtsfolgen:
der Fahrpreisnacherhebung.
Daraufhin unterbreiteten wir der DB und
Frau M. einen Schlichtungsvorschlag. Im Verhältnis
von 70 zu 30 sollten beide Seiten an
dem entstandenen Schaden beteiligt werden.
Grund für die stärkere Belastung der Unternehmensseite
ist die unseres Erachtens größere
Verantwortung für die Richtigkeit solcher ausschlaggebenden
Informationen. Der Fahrgast
hat allerdings die Pflicht zu prüfen. Aber die
Hilflosigkeit des Fahrgastes in diesem Fall zeigt,
in welch hohem Maße offensichtlich viele
Bahnkunden beim Erwerb von Fahrscheinen
überfordert sind.
Die DB lehnte den Schlichtungsvorschlag
zunächst ab, ließ sich in einem nachfolgenden
Gespräch dann aber doch noch davon überzeugen,
dass es sich um eine gerechte und
angemessene Lösung handelt, und willigte
ein. Eine Lösung übrigens, die auf Kulanz basiert.
Die Durchsetzbarkeit eines rechtlichen
Anspruchs aufgrund der Verletzung von Informationspflichten
ist als eher unwahrscheinlich
einzuschätzen.
Gerade in Berlin, aber auch andernorts in
Deutschland, passieren derartige und ähnliche
Ereignisse recht häufig. Auch für die BVG
scheint diese Häufung inzwischen ein Problem
geworden zu sein, das sie nicht mehr durch
kulantes Entgegenkommen zu lösen bereit ist.
Dies zeigt: Aus der Komplexität des gesamten
Systems öffentlicher Verkehr entstehen
zwangsläufig ungewollte Folgen für die Kunden.
Es ist deshalb gut, dass die entsprechende
Instanz bei der DB auf unsere Schlichtungsarbeit
so offen eingeht.
Kontakt:
Schlichtungsstelle Mobilität
c/o Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD)
Postfach 6102 49
10923 Berlin
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(Montag bis Freitag 9 bis 14 Uhr)
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