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Fast wie im Märchen

Potsdamer Kaiserbahnhof glänzt im alten Kleid, Bürgerbahnhof verfällt

Am 16. Juni 2005 wurde nach zweijähriger Rekonstruktions- und Neubauarbeit der ehemalige Kaiserbahnhof in Potsdam für die Führungskräfteakademie der Deutschen Bahn AG feierlich eröffnet. Ehrengäste waren u.a. der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bahnchef Hartmut Mehdorn.

Halle
Beeindruckend: Die von der DB AG denkmalgerecht wiederhergestellte prächtige Halle der einstigen Hofstation Wildpark, von den Potsdamer Bürgern Kaiserbahnhof genannt. Foto: Charlotte Schwalm-Dittfurth

Ein Stationsschild „Kaiserbahnhof" hat es nie gegeben, es war der Volksmund, der den Bahnhof „Hofstation Wildpark" so nannte, weil dieser für feierliche Ankünfte und Abfahrten des Kaisers und für Staatsempfänge genutzt wurde. 1906 beim Hofarchitekten Ernst Eberhard von Ihne durch Kaiser Wilhelm II. in Auftrag gegeben, wurde der Bau 1909 fertiggestellt. 1999 wurde das Gebäude von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Nach Jahrzehnten des Verfalls war seine Zukunft damals aber noch ungewiss. Viele Pläne hatten sich schon als Makulatur erwiesen.

Aufwändig restauriert

Das für seine Entstehungszeit moderne Gebäude im englischen Landhaustil wurdedurch die aufwändige Restaurierung äußerlich nicht verändert. Das Architekturbüro BDS aus Hamburg hat das historische Gebäudevolumen über der Erde unverändert belassen und die für Tagungs- und Schulungsräume benötigten Flächen geschickt, durch große Glasdecken tagesbelichtet, unter dem Gebäude und dem Vorplatz versteckt. Sogar der Weg, den der Kaiser nach seiner Ankunft mit Pkw und kurzem Aufwärmen vor dem Kamin über eine Eichenholztreppe in die gläserne Eisenbahnhalle zurücklegte, wurde, wie von den Denkmalpflegern gefordert, erhalten. Innenarchitektur und Interieur sollten der Zeit entsprechen. Die Ausführungspläne für den Kaiserbahnhof gibt es noch, Fotos der originalen Möblierung, nach denen man sich hätte richten können, jedoch nicht.

Eingang
Unverantwortlich: Ohne Baugenehmigung im Gebiet des Weltkulturerbes wird es keinen Bürgerbahnhof geben, sagt das BEV. Foto: Charlotte Schwalm-Dittfurth
Baustelle
Baustelle Kaiserbahnhof 2003. Foto: DB AG
Bahnhof
Der Kaiserbahnhof im Juni 2005. Foto: Charlotte Schwalm-Dittfurth

Heute erkennt man den historischen Bereich im steinernen Gebäude an den Eichenholzvertäfelungen, an die sich moderne helle Ledermöbel elegant anschließen. Neben dem eher bodenverhafteten, sich an den Bahndamm anlehnenden Empfangsgebäude wirkt die Holz-Stahl-Glas-Konstruktion der Bahnsteighalle heute immer noch großzügig, hell und zukunftsweisend fortschrittlich.

Vorbild für andere Bahnhöfe

Ihre neue Ausbildungsstätte für Führungskräfte in historischer Hülle hat sich die DB AG einiges kosten lassen: rund 20 Millionen Euro. Die DB AG hat mit diesem Projekt ein sehr positives Zeichen für die Um- bzw. Neunutzung von nicht mehr für ihren eigentlichen Zweck benötigten Bahnhofsgebäuden gesetzt. Es wäre zu begrüßen, wenn weitere Bespiele folgten. Man denke nur an die klassizistischen Gebäude an der Strecke Berlin—Hamburg als Ort der Identifikation und Orientierung im Stadtbild.

Dass man auch ganz anders mit historischer Bausubstanz umgehen kann, beweist leider das Bundeseisenbahnvermögen (BEV). Visa- vis vom Kaiserbahnhof steht das schlichte, aber erhaltenswerte Bahnhofsgebäude der heutigen Station „Potsdam Park Sanssouci" Zwar gibt es ein Nutzungskonzept für einen Bürgerbahnhof, einen bereitstehenden Träger und den Willen der Stadt Potsdam, das Gebäude preisgünstig zu erwerben, doch das BEV lehnt ab beziehungsweise fordert als Gegenleistung eine Baugenehmigung im Weltkulturerbe. Verantwortungsloser als diese Bundesbehörde würde sich wohl kein privater Bodenspekulant verhalten. (csd)

Deutscher Bahnkunden-Verband

aus SIGNAL 6/2005 (Dezember 2005/Januar 2006), Seite 28

 

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