Es sei zugestanden, dass bei Planung
und Inbetriebnahme eines großen Bahnhofs
immer auch etwas misslingt. Aber so
gravierende Unzulänglichkeiten wie beim neuen
Bahnhof Berlin Südkreuz (bisher S-Bahnhof
Papestraße) darf es nicht geben. Dass
hierfür nicht nur die DB verantwortlich
ist, sondern auch BVG, Senat und Bezirk,
macht es für die Fahrgäste kein Stück erträglicher.
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So „ansprechend” präsentiert sich der Bahnhof Südkreuz zum Sachsendamm hin. Immerhin: Diese Beschilderung weist keine Fehler auf. Foto: Matthias Horth |
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Mit der Inbetriebnahme des Nord-Süd-Eisenbahntunnels
erhielt Berlin auch zwei
neue Fern- und Regionalverkehrsbahnhöfe:
Gesundbrunnen und Südkreuz. Während im
Bahnhof Gesundbrunnen neben den RE-Linien
3 und 5 und der zweistündlich verkehrenden
IC-Linie Stralsund—Berlin—Halle
nur wenige aus- bzw. einsetzende ICE halten,
kommt dem Bahnhof Südkreuz eine sehr
viel bedeutendere Funktion im Berliner Eisenbahnverkehr
zu. Zusätzlich zu den in Gesundbrunnen
haltenden Zügen kann man
ab Südkreuz mit den IC-/EC- und ICE-Zügen
Richtung Dresden, Leipzig und Hamburg
und mit der RE-Linie 4 fahren. Wegen der
eingeschränkten ÖPNV-Erreichbarkeit des
Hauptbahnhofs ist der Bahnhof Südkreuz
insbesondere für die Fahrgäste aus den südlichen
Berliner Bezirken eine wichtige Station
im DB-Fern- und Regionalverkehrsnetz.
Doch im Gegensatz zur ambitionierten
Architektur des Hauptbahnhofs stellt sich
das vom Architekturbüro J.S.K, entworfene
Bahnhofsgebäude als reiner Zweckbau
mit erheblichen funktionalen und gestalterischen
Mängeln dar, was in besonderer
Weise auch für die Bahnhofsvorplätze gilt.
Lediglich die große Ringbahnhalle, der die
Verteilerfunktion für alle Fernbahnsteige zukommt,
kann gestalterisch den Anforderungen
an einen so wichtigen öffentlichen Bau
genügen. Aber auf den in Nord-Süd-Richtung
liegenden, durch hässlichen Rohbeton
geprägten Fern- und Regionalbahnsteigen
fühlt sich der Fahrgast eher wie auf einem
schlecht belichteten U-Bahnhof, denn das
Dach wird sowohl südlich wie auch nördlich
der Ringbahnhalle durch unvollendete und
nur eingeschränkt nutzbare Parkdecks gebildet.
Zu- und Abgänge von den Fernbahnsteigen
erfolgen durch z.T. schlecht platzierte
feste Treppen bzw. Fahrtreppen sowie je
einen Aufzug in Richtung Ringbahnhalle.
Autofahrer erreichen das eine bisher in Betrieb
befindliche Parkdeck direkt, aber alle
anderen Fahrgäste müssen zunächst zur
Ringbahnhalle hoch, um dann wieder auf
das Niveau der Eingangsbereiche und Vorplätze
herunterzusteigen.
Freier Blick von der BSR zur DB
Während der östliche Vorplatz, der wegen
einer nachträglichen Änderung des Planfeststellungsbeschlusses
zugunsten eines Zugangs in der -1-Ebene und den daraus
resultierenden Treppen und Rampen als
Platz kaum nutzbar sein wird, bisher noch
nicht fertig gestellt ist, kann der ebenfalls
missratene westliche Vorplatz bereits genutzt
werden. Ob hier die Architekten, die
Bahn oder die Akteure bei Senat und Bezirk
versagt haben, kann dahingestellt bleiben.
Wohl um die zentrale Sichtachse auf den
Haupteingang (von der gegenüberliegenden
Sammelstelle der Berliner Stadtreinigung)
frei zu halten, besitzt der in Beton
gegossene Vorplatz kein Vordach, welches
Fahrgäste vor Regen oder Sonne schützen
könnte. Auch Bäume, die im Sommer etwas
Schatten spenden könnten, behindern
nicht den freien Blick auf den in der Fassadengestaltung
nur unzureichend ablesbaren
Eingang, sondern stehen am Rand des
Platzes.
Damit auch kein Bus den freien Blick
auf den Eingang und die unvermeidlichen
Fahnenmasten trübt, sind die Bushaltestellen
so angeordnet, dass unnötig viele
Fahrgäste (an optisch kaum erkennbaren
Querungsbereichen) die überbreite Hauptfahrbahn
überqueren müssen, um die
schmalen Haltestelleninseln zu erreichen.
Die Abfahrthaltestellen der drei Buslinien
sind für die Fahrgäste wenig nachvollziehbar
angeordnet und Hinweistafeln gibt es
keine. Kurios ist, dass die Busse der Linien
106 und 204 Richtung Norden (Schöneberger
Insel) nicht direkt die nördliche
Ausfahrt benutzen dürfen, sondern noch
eine Schleife zur ampelgeregelten Haupteinfahrt
fahren müssen.
Aber neben den baulichen Unzulänglichkeiten
gibt es auch eine Menge Defizite, die
leichter behebbar sind. Die für abfahrende
Bahnkunden wichtigen elektronischen Abfahrttafeln
hängen in den Eingangshallen
viel zu hoch und sind wegen ihrer kleinen
Schrift kaum lesbar. Auf dem Ringbahnsteig
gibt es erst gar keine zentrale Abfahrttafel.
Nur an den Treppenabgängen zu den Nord-Süd-Bahnsteigen
sind bahnsteigebezogene
kleine elektronische Hinweistafeln installiert.
Hinzu kam in den ersten Wochen, dass
in den beiden Eingangsbereichen kein einziger
Abfahrtplan aushing, was zwischenzeitlich
wenigstens provisorisch nachgebessert
wurde. Besonders ärgerlich sind die
mangelnden Orientierungsmöglichkeiten
für die Fahrgäste. Zu wenige Stadt- oder
Umgebungspläne auf den Bahnsteigen und
gar keine in den Eingangsbereichen oder auf
den Vorplätzen sind hierbei besonders zu
bemängeln.
Irreführung der S-Bahnfahrgäste
und Taxi-Kunden
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Fünf S-Bahnlinien - zwei davon falsch: Auf allen Schildern wurden die Fahrgäste noch wochenlang auf die seit dem Fahrplanwechsel Ende Mai nicht mehr verkehrende Linie S 45 zum Flughafen Schönefeld hingewiesen. Und statt der S 26 fährt längst die S 25. Foto: Matthias Horth |
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Leider kann man nicht einmal sicher
sein, ob die Fahrgäste mit zusätzlichen
Hinweistafeln tatsächlich besser informiert
wären, denn über einen Monat
lang wurde auf allen (!) S-Bahn-Hinweistafeln
auf die seit der Inbetriebnahme
des Fernbahnhofs hier nicht
mehr verkehrende S45 zum Flughafen
Schönefeld hingewiesen und so
mancher Fahrgast zum Flughafen
Schönefeld wartete hier wohl vergebens.
Da mag der falsche Hinweis zur
S 26 (statt S 25) beinahe vernachlässigbar
erscheinen.
Aus der Ringbahnhalle schließlich
werden die ein Taxi suchenden
Fahrgäste noch immer zur östlichen
Eingangshalle geleitet, wo sie dann
mit ihrem Gepäck nach einer langen
Odyssee über die Baustellenbereiche
an beiden Ausgängen feststellen müssen,
dass es hier weit und breit keinen
Taxihalteplatz gibt, sondern dieser
erst nach einem langen Marsch über
die Ringbahnhalle auf dem westlichen
Vorplatz zu finden ist.
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Wer den östlichen Zugangsbereich benutzt, hat keine Orientierungsmöglichkeiten, weil selbst normale Straßenschilder fehlen. Engagierte Bürger haben wenigstens provisorisch Abhilfe geschaffen. Foto: Matthias Horth |
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Diesem Niveau an Desinformation
jedoch steht das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg
kaum nach: Straßenschilder gibt
es zum Beispiel noch nicht
mal an den Straßenkreuzungen, so
dass engagierte Anwohner mit einem
handgemalten Schild umherirrenden
Fahrgästen wenigstens etwas Orientierung
verschafft haben.
Auch BVG verärgert ihre Fahrgäste
Als besonderes Ärgernis stellt sich die nicht
rechtzeitige Fertigstellung der neuen Straßenverbindung
zwischen General-Pape-Straße und Sachsendamm (Ballonfahrerweg)
dar, weil das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg
erst Anfang Juli mit den Bauarbeiten
begonnen hatte. Über diese Straße sollten
die Buslinien 184 und 248 den östlichen Eingangsbereich
erreichen. Zwar wurde in einer
Antwort auf eine kleine Anfrage bereits im
März vom Senat mitgeteilt, dass mit der Fertigstellung
der Straße erst im Herbst zu rechnen
sei. Die BVG sah sich aber nicht genötigt,
ihre Fahrgäste in irgendeiner Weise über die
deshalb notwendigen Umleitungen und die
Nichterreichbarkeit des Bahnhofs Südkreuz
mit den beiden Buslinien zu informieren.
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Umgebungsplan Bahnhof Südkreuz mit Buslinien, Stand 27. Juni 2006. Die Straßenunterführung von der General-Pape-Straße zur Reichartstraße (künftiger Name Ballonfahrerweg) ist noch immer nicht fertig gestellt worden. Die Buslinien 184 und 284 müssen einen Umweg fahren und erreicht nicht direkt den Bahnhof. Die BVG informierte über die Umleitung nur mangelhaft. Lageplan: BVG |
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In Südkreuz ankommende Bahnfahrgäste,
die sich auf die vorher breit gestreuten
Informationsmaterialien der BVG stützen,
haben auch mangels Detailkenntnis des
hilfsbereiten und zu WM-Zeiten sogar in
großer Zahl präsenten Bahnhofspersonals
keine Chance, die weit abseits des Bahnhofs
liegenden Haltestellen dieser Buslinien zu
finden. Dies ist besonders ärgerlich, weil auf
dem westlichen Vorplatz mehr als genug
Platz für beide Buslinien wäre. Dennoch
fährt man zumindest mit der Buslinie 248
lieber gleich ohne Halt am Bahnhof vorbei.
Die Buslinie 184 erreichen Glücksritter zeitweilig
am westlichen Vorplatz: Immer dann,
wenn der Wendekreis an der Endstelle in der
Reichardtstraße zugeparkt ist ...
Dass sich die BVG mit dieser ignoranten
Haltung nicht nur den Ärger der Bahnfahrgäste
zuzieht, sondern auch die Bewohner Neu- Tempelhofs
als Fahrgäste vergrault, sei hier
nur am Rande erwähnt. Bis Redaktionsschluss
hingen keine angepassten Umleitungsfahrpläne
an den Haltestellen aus. Die Busse erreichen
nach ihrer großen Umwegfahrt erst
mit erheblicher Verspätung gegenüber dem
aushängenden Fahrplan die Haltestellen, so
dass man aufgrund der auf 20 Minuten ausgedünnten
Taktfolge nie weiß, ob der Bus
gerade weg ist oder gleich kommt. Ergebnis:
Die Fahrgastzahlen der in Neu-Tempelhof
verkehrenden Buslinien sind drastisch gesunken
- ohne dass die BVG reagiert. Skeptiker
haben den leisen Verdacht, dass dies in Kürze
als Grund für weitere Angebotskürzungen im
Busverkehr herhalten muss. Berliner Fahrgastverband IGEB
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