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Vor wenigen Wochen stimmte die Landesregierung
des Landes Brandenburg im Bundesrat
einer drastischen Kürzung der Regionalisierungsmittel
durch den Bund zu, die jedoch
durch einen betragsmäßig mehrfach höheren
Landesanteil am Mehrwertsteueraufkommen
ausgeglichen wird. Ein gutes Geschäft
für das hoch verschuldete Land Brandenburg,
das von ungedeckten Ausgaben zwischen
200 und 400 Millionen Euro im Jahr gedrückt
wird. Und ein schlechtes Geschäft für den Öffentlichen
Personennahverkehr (ÖPNV) des
Landes Brandenburg, da nach Maßgabe des
Finanzministers sowie des Ministers für Infrastruktur
und Raumordnung die Mehrwertsteuer-Mehreinnahmen
nur zum Teil die verloren
gegangenen Regionalisierungsmittel
des Bundes zur ÖPNV-Finanzierung ersetzen
sollen.
Damit kassiert das Land Brandenburg die
höheren Mehrwertsteuereinnahmen vom
Bund und verweigert trotzdem in erheblichem
Maße die 1996 auf die Länder übertragene
Verantwortung für die alltägliche
Mobilität der Bürger. Dazu mit Rezepten aus
der ÖPNV-Mottenkiste, die sich schon vor
Jahrzehnten in den alten Bundesländern als
Sackgasse erwiesen haben: Ausdünnungen
der ÖPNV-Verkehre bis hin zur Abbestellung
jeglicher öffentlich zugänglicher Mobilität. In
Brandenburg sind sogar Schienenstrecken betroffen,
die noch kurz zuvor mit Millionen Euro
Steuergeldern von Grund auf saniert wurden
und demzufolge mit Rückzahlungsverpflichtungen
der Fördermittel belastet sind.
Der Ausweg aus der ÖPNV-Krise
Eine Steigerung der Effizienz des ÖPNV und
damit eine Reduzierung des Zuschussbedarfs
durch die öffentliche Hand ist wünschenswert
und nach Überzeugung von PRO BAHN auch
machbar! Nicht jedoch die Fortsetzung der
sattsam bekannten ÖPNV-Abwärtsspirale, wo
auf ein schlechteres ÖPNV-Angebot eine noch
geringere Akzeptanz der Fahrgäste mit noch
geringeren Fahrgeldeinnahmen folgt. Weil
es gerade für Kinder und Jugendliche keine
Alternative zum ÖPNV gibt, wird mit falschen
ÖPNV-Rezepten einer weiteren Entvölkerung
des Landes Brandenburg Vorschub geleistet.
Das Gebot der Stunde sind zweckmäßige
und am Bedarf des Kunden ausgerichtete
Streckenführungen und erheblich bessere
Vernetzungen der verschiedenen Verkehrsmittel.
Bus und Bahn sollen nicht im - unbezahlbaren
- Wettbewerb gegeneinander
stehen, sondern sich sinnvoll ergänzen. Zubringerverkehr
statt Parallelverkehr muss die
Devise lauten!
Die fortgesetzte Streichung von Halten auf
Nebenstrecken ist angesichts einer immer
stärkeren Motorisierung moderner Nahverkehrstriebwagen
kontraproduktiv und vielfach
können außerhalb von Orten liegende
Halte durch eine Verschiebung mit geringen
Mitteln den Fahrgästen besser zugänglich gemacht
werden. Ist die Erreichbarkeit der Bahn
zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit einem akzeptablen
Busanschluss nicht gegeben, wandern
potenzielle Fahrgäste auf das Auto ab
und gehen dem ÖPNV für immer verloren.
Forderungen
- Der frühere brandenburgische Verkehrsminister
Hartmut Meyer hat Ende 2002
-also kurz bevor er als Berater zur Deutschen
Bahn wechselte - mit dieser einen
Verkehrsvertrag zum Betrieb von etwa
75 Prozent des brandenburgischen Schienennahverkehrs
ohne Ausschreibung
abgeschlossen, was die Europäische Kommission
seinerzeit scharf kritisiert hatte.
Dieser zwischen dem Land Brandenburg
und der DB AG abgeschlossene Verkehrsvertrag
- mit einem Gesamtvolumen von
rund zwei Milliarden Euro bei einer Laufzeit
von zehn Jahren - muss auf den Prüfstand,
bevor Wettbewerber wegen eines
Einsparungsvolumens von jährlich 10 Millionen
Euro den Fahrgästen vorenthalten
werden sollen. Nach den bisherigen Erfahrungen
mit privaten Betreibern wären bei
einer Neuvergabe des brandenburgischen
Schienennahverkehrs größere Kostensenkungen
ohne Stillegungen oder Angebotsausdünnungen
zu realisieren!
- Der Schülerverkehr ist eine unmittelbare
Investition in die Zukunft des Landes Brandenburg
und muss Bestandsschutz genießen.
Die Übertragung vom Land auf die
Aufgabenträger ist eine Verschlechterung
und stellt im Endeffekt „einen Griff in die
Kreiskasse" dar.
- Bevor ÖPNV-Verkehre ausgedünnt oder
gar eingestellt werden, ist umfassend zu
prüfen, inwieweit durch sinnvolle Beförderungsketten
die Nachfrage und damit die
Fahrgeldeinnahmen zu Gunsten der öffentlichen
Hand gesteigert werden können.
Das gilt insbesondere für die höherwertigen
Verkehre wie Bahn, Straßenbahn und
Obus.
- Vorhandene Streckenführungen sind auf
bessere Alternativen zu überprüfen. Zum
Beispiel würde eine Direktverbindung
Potsdam Hbf—Flughafen Schönefeld über
das Wissenschaftszentrum Golm (statt wie
heute mit einem Riesenumweg über Michendorf)
nicht länger am Bedarf vorbeifahren.
Die Fahrt wäre erheblich schneller,
damit preiswerter und ließe durch eine
wesentlich höhere Attraktivität größere
Fahrgeldeinnahmen mit einem geringeren
Zuschussbedarf erwarten. Das Wenden der
Züge im Bahnhof Golm stellt bei den heutigen
Wendezügen bzw. Triebwagen kein
Problem dar.
- Sofern Abbestellungen unvermeidbar sind,
muss das Land Brandenburg die Ersatzverkehre
nachhaltig finanzieren und darf sich
diesen Aufgaben nicht durch bloße Abwälzung
auf die Aufgabenträger - schleichend - entziehen.
- Die Leistungen des Landes Brandenburg
nach dem brandenburgischen ÖPNV-Gesetz
mit jährlich 50 Millionen Euro müssen
beibehalten werden. Dazu ist es erforderlich,
die im Kompensationskonzept des Ministeriums
für Infrastruktur und Raumordnung
zugesicherten originären jährlichen
Landesmittel nicht erst ab 2010, sondern
schon ab dem Jahre 2007 zu zahlen, um
damit auch die wichtige Zu- und Abbringerleistung
zum SPNV des Landes Brandenburg
durch den übrigen ÖPNV sicher
zu stellen.
PRO BAHN LV Berlin/Brandenburg
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