Berlin

Nachtrag zum Fahrplanbuch voller Fehler

Ihr Versprechen hat die BVG eingelöst. Wie in der Antwort auf die vorstehende Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Matuschek angekündigt gab es einen Nachtrag zum fehlerhaften Fahrplanbuch, der ab Ende Juli kostenlos abgegeben wurde. Nach dem Fahrplan-Fiasko vom Mai 2006 hat sich der Berliner Fahrgastverband IGEB den Nachtrag natürlich besonders genau angesehen. Das Ergebnis ist deprimierend.

Fangen wir mit dem Positiven an: Die S-Bahn Berlin GmbH hatte beim Fahrplanbuch wieder sorgfältig gearbeitet, ihre wenigen Änderungen im Nachtrag kann man an einer Hand abzählen. Bei der BVG sieht das ganz anders aus. Hier muss man sich scheinbar an die drei „U" gewöhnen: Unklarheiten, Unvollständigkeiten, Unterschlagungen.

Unklarheiten

Bei der Straßenbahn lässt man die Kunden lieber im Unklaren, wann künftig ihre Bahn fährt. Man erfährt zwar im Fahrplanbuch, dass bei den Linien M 1, 12, 50, 60, 61, 62 und 68 ab 21. August ein neuer Fahrplan gilt, doch scheint es sich bei diesem um ein streng gehütetes Geschäftsgeheimnis der BVG zu handeln. Fahrplantabellen sind nicht abgedruckt, schließlich wartet der Kunde bei dem auf den meisten dieser Linien angebotenen 20-Minutentakt lange genug, um an der Haltestelle Papier und Bleistift zücken und alle Fahrten abschreiben zu können. Dass es sich bei diesen Linien gerade um diejenigen handelt, die die BVG wegen angeblich zu geringer Fahrgastzahlen einstellen will, hinterlässt einen besonders faden Beigeschmack.

Unvollständigkeiten

Auch beim Bus muss man nicht lange blättern, um den zweiten gravierenden Fehler zu finden. Schon beim Expressbus merkt man, dass man den Kunden mit unvollständigen Angaben hervorragend in die Irre führen kann. So erfährt man im Nachtrag, dass beim X 10 die Fahrten um 4.35 und 4.55 Uhr ab S+U Zoologischer Garten bis Andreezeile entfallen sind. Aber dies war keine vollständige und abschließende Aufzählung. Damit ja kein Kunde merkt, dass berlinweit über 1000 Fahrten pro Tag entfallen sind, wird von der BVG lieber nicht verraten, dass auch beim abendlichen Rückreiseverkehr vom Kurfürstendamm (immerhin Berlins größte Einkaufsstraße) der Fahrplan mit einem dicken schwarzen Edding bearbeitet worden ist. So sind - streng geheim - auch die im Fahrplanbuch veröffentlichten X 10-Fahrten um 18.22, 18.42, 19.02, 19.22, 19.42, 20.36 und 20.56 Uhr schon vor dem ersten Betriebstag entfallen. Gerade der Entfall der beiden letzten Fahrten ist ein großes Ärgernis, muss der Kunde doch für die Verbindung Halensee—Teltower Damm auf andere Linien mit zwei zusätzlichen Umsteigevorgängen und bis zu 30 Minuten längeren Fahrzeiten ausweichen.

Unterschlagungen

Wer glaubt, dass es bei Linien, die im Nachtrag nicht abgedruckt sind, keine Änderungen gegeben hat, der kennt die BVG schlecht. Manche unpopulären Kürzungen werden lieber ganz unterschlagen. So wurde beim Expressbus X 9 unter anderem die letzte Fahrt um 0.30 Uhrab Flughafen Tegel still und heimlich gestrichen. Geradezu zynisch ist hier die Aussage der BVG in der Beantwortung der kleinen Anfrage von Frau Matuschek, es handele sich nur um Übergänge zum Nachtverkehr. Am Flughafen Tegel gibt es keinen Nachtverkehr, das sollten auch Frau Krautzberger und die BVG wissen. Und so gibt es die nächste Fahrmöglichkeit für späte Urlaubsheimkehrer oder die vielen Beschäftigten erst um 4.34 Uhr. Das erfreut lediglich die Berliner Taxifahrer.

Fazit

Die Fahrgastinformation der BVG muss dringend sehr viel besser werden. Doch das Ziel, den Kunden hier Qualität zu liefern, scheint die BVG aufgegeben zu haben. Der Verweis auf das Internet ist zu wenig, zumal die BVG auch in diesem Medium zum Beispiel Ende 2005 teilweise nicht mehr aktuell informiert hat, weil die Verantwortlichen offensichtlich zwischen Weihnachten und Neujahr Urlaub machten. Das Positivbeispiel S-Bahn zeigt, dass es auch anders geht. Nun ist der Berliner Senat gefordert. Er muss im Nahverkehrsplan und im Verkehrsvertrag klare Vorgaben zu Umfang und Qualität der Fahrgastinformation machen.

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 5/2006 (Oktober/November 2006), Seite 15

 

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