Überregional

VDV will bundesweit gleiche Tarifbestimmungen

Nicht immer zum Vorteil des Fahrgastes!

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen will künftig in allen deutschen Verkehrsverbünden einheitliche Tarifregeln sehen. Damit insbesondere ortsfremden Fahrgästen und Gelegenheitsfahrern der Zugang zum ÖPNV erleichtert wird. Als einen großen Erfolg sieht der VDV, dass es ab April in allen Verbünden einheitliche Bestimmungen zum Kindertarif geben wird. Künftig werden Kinder zwischen sechs und 14 Jahren zum Ermäßigungstarif befördert werden. Als Beispiel nannte VDV-Geschäftsführer Adolf Müller-Hellmann, dass in einem Verbund für Fünfjährige ein Fahrschein gelöst werden musste, in einem anderen nicht. Gerade dort, wo zwei Verbünde aneinander grenzen, führt dies oft zu Unverständnis bei betroffenen Fahrgästen. Als letzte Großverbünde haben sich dieser Regelung die Verbünde Bremen-Niedersachsen (VBN), Nürnberg (VGN), Rhein Ruhr (VTT) und Rhein-Sieg (VRN) angeschlossen.

Ein weiterer Erfolg der Harmonisierungsbemühungen des VDV sei, dass fast überall die Kleingruppe und entsprechende Fahrkarten auf fünf Personen limitiert seien, so Müller-Hellman.

Fahrkarte
Womöglich ist ja die Vereinheitlichung, wie der VDV sie sich vorstellt, gar nicht machbar. Zu verschieden sind Alters- und Berufsstruktur, regionale Mobilität und nicht zuletzt Aufbau der Verbünde! Foto: Sammlung Berliner S-Bahn-Museum

Als nächstes Projekt auf dem Weg zu einheitlichen Tarifbestimmungen strebt der VDV die Geltungsdauer von Tageskarten an. Bisher gibt es hauptsächlich zwei Gruppen. Die echte 24-Stunden-Karte und eine Tageskarte, gültig von Entwertung an bis zum nächsten Morgen drei Uhr. Zum Nachteil der Fahrgäste favorisiert der VDV die letztere Lösung. Nun schlössen sich der VBN und der Karlsruher Verkehrsverbund (KW) dieser VDV-Empfehlung an.

Einheitlich in Deutschland geregelt werden soll auch die Entwertung von Einzelfahrausweisen. Diese sollen aus Fahrkartenautomaten und elektronischen Druckern bereits entwertet ausgegeben werden. Im VRS führt das Umsetzen der VDV-Wünsche zum Abschaffen der Streifenkarte zum 1 . Februar 2004, die im Vorverkauf erworben, einen Preisnachlass gewährte. Damit sind verbilligte Vorverkaufskarten bundesweit auf dem Rückzug, kritisiert der DBV. Das Bestreben des VDV, überall die gleichen Zugangsmöglichkeiten in Bus und Bahn zu gewähren, seien an sich begrüßenswert. Jedoch sind einheitliche Tarifbestimmungen zu Gunsten des Fahrgastes wünschenswert. So sei die 24-Stunden-Karte für den Fahrgast deutlich attraktiver als die mit zeitlicher Beschränkung behaftete Tageskarte. Das gelte besonders für Wochenend-Nachtschwärmer in Großstädten.

In Berlin führte die Vereinheitlichungsbemühunge des VDV sogar zu einem Attraktivitätsverlust des Einzelfahrscheines. Das mit 2,20 Euro rekordverdächtig teure Einzelticket galt auf der anderen Seite für Umweg, Rundund Rückfahrten und war damit eine Zwei-Stunden-Netzkarte. Inzwischen wurde von den Entscheidungsträgem in Berlin bemerkt, dass der Eintrittspreis von 2,20 Euro zum ÖPNV deutlich zu hoch ist. Am 1. April wird daher der Einzelfahrschein in Berlin auf zwei Euro reduziert, dafür aber die Möglichkeit von Umweg, Rund- und Rückfahrten ausgeschlossen. Der Verbund Berlin/Brandenburg (VBB) begründet dies einerseits mit dem Bemühen der deutschen Verkehrsunternehmen einheitliche Zugangsregeln zu Bus und Bahn zu schaffen. Andrerseits haben, so teilen es die Berliner Verkehrsbetriebe in ihrer Kundenzeitschrift mit, nur 10 Prozent der Fahrgäste das Angebot des Einzelfahrausweises nicht nur für Fahrten zum Ziel auf schnellstem oder kürzesten Weg genutzt. Nur ein Zehntel der Barzahler, die den Einzelfahrschein als Netzkarte nutzen, mag zwar eine kleine Größe zu sein; auch im Hinblick darauf, dass bis zu 90 % der Bus- und Bahnbenutzer Zeitkarten besitzen. Wenn ohnehin nur ein Prozent aller Fahrgäste den Einzelfahrschein als stark zeitlich begrenzte Netzkarte nutzen, dann hätte diese für den Fahrgast vorteilhafte Regelung auch bundesweit eingeführt werden können.

Der DBV begrüßt durchaus die Bemühungen des VDV, einheitliche Tarifregeln zu schaffen. Diese erfolgen indes eher zu Gunsten der Unternehmen und Verbünde und zum Nachteil der Fahrgäste. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass bundesweit in allen Gremien, die sich mit ÖPNV befassen, Fahrgastvertreter sitzen müssten, die auch mit einem erheblichen Stimmgewicht ausgestattet sein sollten. Und nicht nur mit beratender Stimme, die übergangen werden kann, je nach dem, wie es den Verkehrsbetrieben und Aufgabenträgern in den Kram passt.

DBV Bundesverband

aus SIGNAL 1/2004 (Februar/März 2004), Seite 11-12

 

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