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Die Zeit „zwischen den Jahren" bot die Chance,
losgelöst vom Tagesgeschäft zurückzublicken
und Ausschau zu halten. Wir taten dies
aus der Sicht von Fahrgästen und freuten uns,
dass seit Juni 2003 in Berlin nun endlich neben
der S-Bahn auch die U-Bahn an allen Wochenenden
ein attraktives Nachtangebot
fährt. Deutlich gestiegene Fahrgastzahlen bestätigen
die Richtigkeit dieser Maßnahme, die
nicht unwesentlich dazu beiträgt, Berlin zu
einer europäischen Metropole zu entwickeln.
Doch nicht alle Maßnahmen des letzten Jahres
waren „metropolenwürdig". Und damit
sind wir bereits bei unseren Wünschen für
2004:
Einer Hauptstadt und erst recht einer Metropole
unwürdig ist es, alle Busfahrgäste zu
potenziellen Schwarzfahrern zu erklären und
ihnen, anders als den S-Bahn-, U-Bahn- und
Straßenbahnfahrgästen, den schnellen und
bequemen Zugang zum Fahrzeug zu verwehren.
„Schwarze Schafe" gibt es überall, und
deswegen ist es in Ordnung, wenn jeder Fahrgast
ebenso wie jeder Autofahrer damit rechnen
muss, bei gelegentlichen Kontrollen nach
dem Fahrausweis bzw. dem Führerschein gefragt
zu werden. Doch niemand käme auf die
Idee, zum Beispiel alle Autofahrer, die nach
Berlin-Mitte wollen, generell zu kontrollieren.
Aber die Busfahrgäste werden wegen dieser
„Schwarzen Schafe" nun generell zum Einstieg
an nur einer Tür und zum Vorzeigen des
Fahrscheins gezwungen - vorerst beschränkt
auf Spandauer Linien. Das ist unwürdig und
zugleich höchst unpraktisch, zum Beispiel bei
Regenwetter oder bei vollen Taschen in beiden
Händen. Der Alltag auf den Spandauer
Buslinien zeigt schon jetzt, dass es durch die
Beschränkung auf nur eine Tür und das Vorzeigen
des Fahrscheins zu Verzögerungen im Berufsverkehr
kommt. Somit wird das Busfahren
unattraktiv und durch die Fahrzeitverlängerungen
am Ende auch noch teurer für die BVG.
Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass die Busfahrgäste
in Berlin sich wieder zuallererst als
willkommene Kunden und nicht als potenzielle
„Leistungserschleicher" fühlen dürfen und
tagsüber wieder freizügig an allen Türen einsteigen
können.
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Aber nur vorne einsteigen! Obwohl inzwischen fast alle BVG-Busse drei Türen haben, müssen sich die Fahrgäste der „Spandauer Linien” jetzt am Vordereingang drängeln. Eine Folge: Fahrzeitverlängerungen. Foto: Alexander Frenzel |
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Das richtige Gespür für „König Kunde"
scheint auch einigen der für den Regionalverkehr
der Bahn Verantwortlichen verloren gegangen
zu sein. Stichwort: Bahnhof Charlottenburg.
Wir wollen hier nicht die komplexe
Auseinandersetzung um Schuld und Verantwortung
für gestrichene RegionalExpress-Halte
als Ersatz für die weiterhin unterbrochene
S-Bahn bewerten. Aber eines ist 2003
deutlich geworden: Es gibt viele Fahrgäste,
die ein großes Interesse haben, dass die
RegionalExpress-Züge auch unabhängig von
S-Bahn-Bauarbeiten in Charlottenburg halten.
Dasselbe gilt für Karlshorst, wo zwar RE 4 und
RE 5 halten, aber RE 1 und RE 2 zum Ärger
vieler Bahnkunden ohne Halt durchfahren.
Dass beide Halte sinnvoll und wünschenswert
sind, hat, wie Sie wissen, auch der Berliner
Senat 2001 mit dem Nahverkehrsplan beschlossen.
Und die gegen einen Halt in Charlottenburg
gelegentlich vorgebrachten Sachzwänge
gibt es erwiesenermaßen nicht. 2003
hat verdeutlicht, dass die Bahn in Charlottenburg
halten kann, wenn sie nur will. Deshalb
unsere Bitte: Nutzen Sie die Gespräche vor
der anstehenden Unterzeichnung des Verkehrsvertrages
mit DB Regio, um das, was
der Berliner Senat im Sinne der Bahnkunden
beschlossen hat, auch durchzusetzen, denn
das Land Berlin bestellt und bezahlt. Wie heißt
es doch: „Wer bezahlt, der bestellt die Musik."
Mehrere 10.000 Berlinerinnen und Berliner
schauen sorgenvoll in das neue Jahr, weil ihre
mit 20,40 Euro bisher noch bezahlbare Monatskarte
ersatzlos wegfällt. Diese auf den
öffentlichen Nahverkehr angewiesenen Menschen
werden in ihrer Mobilität erheblich eingeschränkt.
Wie wir aus der Senatssozialverwaltung
erfuhren, gab es seitens der Verkehrsbetriebe
ernsthafte Bemühungen, dieses Drama zum
Jahreswechsel abzuwenden. Vergeblich.
Wir wissen, dass Berlin wenig Geld hat.
Aber wir erinnern an Ihre Worte nach dem
Scheitern einer privatwirtschaftlichen
Lösung für den Bau des Flughafens Schönefeld,
dass Berlin trotz aller Finanznöte für
solch herausragende Projekte stets das erforderliche
Geld aufbringen werde. In anderer Weise muss das
auch für die Sozialkarte gelten. Bei aller unstrittigen
Bedeutung von großen, die Wirtschaftskraft
stärkenden Projekten darf die
Hauptstadt die ärmsten Mitbürger nicht
ausgrenzen. Wir beziehen uns hierauch ausdrücklich
auf die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten.
Hinzu kommt, dass es noch gar nicht erwiesen
ist, dass das Land Berlin wirklich Geld einspart,
wenn statt der Sozialkarte nun jede
Fahrt einzeln begründet und abgerechnet
werden muss. Deshalb unsere herzliche Bitte:
Machen Sie es zu einer Ihrer ersten Aufgaben
im neuen Jahr, die letzten Vorschläge der Verkehrsbetriebe
noch einmal wohlwollend zu
prüfen. IGEB
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