Thüringen

Verkehrspolitische Diskussionen ohne die Deutsche Bahn

Im Rahmen der 20. Deutschen Schienenverkehrs-Wochen fand am 11. Oktober 2003 in Gera eine Veranstaltung des Landesverbandes statt, zu der trotz rechtzeitiger Einladung Vertreter der DB AG abgesagt hatten. Es sollte um den Nah-und Fernverkehr im Ostthüringer Raum gehen. Da nur ein Vertreter der Nahverkehrsservicegesellschaft (NVS) und der Stadt Gera anwesend waren, beschränkte sich die Diskussion auf den Nahverkehr.

Von unserem Landesverband wurde ein Konzept zur Verbesserung der Anschlußbeziehungen im Ostthüringer Raum vorgetragen. Dabei wurde davon ausgegangen, daß im Ostthüringer Netz in jedem Bahnhof mit einer abzweigenden Strecke ein Übergang zu jedem Zug innerhalb von zwanzig Minuten möglich ist. Die Fahrzeiten der ICE-Züge (Saalfeld) und des Nahverkehrszuges Göttingen - Erfurt - Gera - Zwickau wurden als Fixpunkte und Grundlage für das Konzept genommen.

Festmusik
Für Musik und Stimmung war den ganzen Tag gesorg. Foto: Bernd Proske

Die Analyse des Ist-Zustandes ergab, dass nur durch einen weiteren Ausbau der Strecken-lnfrastruktur eine Verbesserung des Fahrplans erreicht werden kann. Dabei ging es darum, Strecken und Maßnahmen benennen zu können, die für ein solch geschlossenes Konzept notwendig sind. Insbesondere die Zubringerstrecke zum ICE von Gera nach Saalfeld (Kursbuchstrecke 555) müßte ausgebaut werden. Um bessere Anschlüsse in Saalfeld zum Nahverkehr gewährleisten zu können, wäre ein zweigleisiger Ausbau ab Schweina bzw. Pößneck in Richtung Saalfeld notwendig. Herr Michel von der NVS monierte, daß es sich um eine reine Nebenstrecke handelt. Diese Strecke war aber zu Reichsbahnzeiten keineswegs eine Nebenstrecke, sondern ist erst seit Gründung der Bahn AG verkehrsmäßig dazu gemacht worden. Allerdings könnte diese Strecke gerade durch die Abkopplung der Stadt Gera vom Fernverkehr wieder an Bedeutung gewinnen.

Herr Prüger sah die Probleme der Eisenbahnvielfahrer im Übergang vom Nahverkehr zum Fernverkehr. Diese Aussage paßt aber zu der Forderung des Ausbaus dieser Strecke, da wie Herr Prüger selbst sagte, zahlreiche Beschwerden wegen verpaßter ICE-Anschlüsse (Saalfeld) vorlägen. Die Übergangszeit von fünf Minuten in Saalfeld reicht also keinesfalls aus. Eine Verbesserung der Situation kann deshalb nur durch den Ausbau erreicht werden, wenn der Fernverkehrsfahrplan nicht geändert werden soll. Dabei ist ein teilweise zweigleisiger Abschnitt von Unterwellenborn nach Saalfeld schon vorhanden. Der Ausbau der „Mitte-Deutschland-Verbindung" könnte eine Verbesserung bringen, auch bezüglich des Ausbaus der Kursbuchstrecke 555.

Eine weitere Strecke, die auszubauen wäre, ist die Verbindung Weida - Mehltheuer. Durch eine durchgehende Verbindung von Leipzig nach München über Gera und Hof ist diese Strecke schon verkehrsmäßig aufgewertet. Die Fahrgastzahlen zeigen, dass diese Verbindung eine Lücke im Angebot schliesst. Durch die geringe Streckengeschwindigkeit ist eine generelle Einbeziehung in sämtliche Anschlußbeziehungen jetzt nicht möglich. Mit insgesamt schätzungsweise 100 Millionen Euro wäre hier ein Gesamtkonzept machbar.

Rechnet man die Summe für Nordthüringen, Südthüringen und Mittelthüringen spekulativ hoch, wäre man mit 400 Millionen Euro für Thüringen dabei. Angesichts des Trauerspiels mit der ICE-Strecke Halle - Erfurt - Nürnberg mit einem Kostenvolumen von schätzungsweise drei Milliarden Euro erscheint der oben genannte Betrag doch nicht so unrealistisch.

Herr Prüger ging dann noch auf die Verknüpfung von Bus und Bahn in Gera ein. So soll in Gera-Süd und Gera-Zwötzen ein neuer Busbahnhof entstehen. Leider zeigen die Erfahrungen aus der Vergangenheit, daß es fast unmöglich scheint, zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern eine sinnvolle Beziehung herzustellen, besonders im Überlandverkehr und Nahverkehr in den verkehrsschwachen Zeiten (Sonn- und Feiertage, Nachtverkehr). Allein die Tatsache des uneinheitlichen Fahrplanwechsels nimmt jede Möglichkeit einen brauchbaren Stand herzustellen. Die Fahrgastzahlen in den Bussen spiegeln deutlich diese Situation wieder.

Zum Abschluß der Veranstaltung hielt Herr Bartel noch einen Vortrag zum Fernverkehr in Ostthüringen. Einhellig wurde der Ausbau der Verbindung von Reichenbach nach Cheb im Zuge der Erweiterung der Europäischen Union als sinnvoll erachtet.

DBV Thüringen

aus SIGNAL 1/2004 (Februar/März 2004), Seite 33

 

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