Eisenbahn Infrastruktur

Berlin—Dresden: Forciert bauen statt Höchstgeschwindigkeit planen

Kommentar zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Trotz der erheblichen Bedeutung für den internationalen Verkehr in der Relation Berlin—Prag—Südosteuropa ist es bis heute nicht gelungen, die 1. Baustufe der Ausbaustrecke Berlin—Dresden, einen Ausbau für eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h, abzuschließen. Der eingetretene Zeitverzug ist mittlerweile enorm.

Die ersten Finanzierungsvereinbarungen für diese Strecke wurden bereits im Jahr 2001 abgeschlossen! Seither erfolgten lediglich punktuelle Einzelmaßnahmen wie z. B. der in diesem Jahr begonnene Umbau des Bahnhofs Rangsdorf. Der Termin Ende 2014 für den Abschluss der Bauarbeiten an dieser Ausbaustrecke ist inzwischen nicht mehr zu halten (auf den peinlichen Ablauf der Planfeststellungsverfahren im Abschnitt Berlin Südkreuz—Blankenfelde soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, siehe hierzu auch SIGNAL 2/2013 ).

Nun gibt es neue Probleme: Die Entscheidung, einen 80 km langen Abschnitt für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h auszubauen, wird zu weiteren jahrelangen Verzögerungen führen und zudem etliche Kommunen bei der Finanzierung der insgesamt 21 Bahnübergangsbeseitigungsmaßnahmen vor erhebliche Probleme stellen.

Zug
Mangelhaft. Der Ausbau der Strecke Berlin—Dresden beschränkt sich derzeit auf punktuelle Einzelmaßnahmen wie den Umbau des Bahnhofs Rangsdorf. Bei der Errichtung des provisorischen Bahnsteigs (Richtung Berlin) wurde ein Wetterschutz „vergessen“, und Sitzbänke sind Mangelware – Kundenfreundlichkeit sieht anders aus! Foto: Christian Schultz

Diese Entscheidung mit ihren gravierenden Auswirkungen auf die Kosten und den Zeitplan ist auch deshalb so unverständlich, weil eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h lediglich von der im 2-Stunden-Takt verkehrenden EuroCity-Linie Berlin—Prag gefahren werden kann. Der Regionalverkehr profitiert davon nicht. Und eine aus Fahrgastsicht überfällige Verdichtung auf einen 1-Stunden-Takt des InterCity-/EuroCity-Angebots mindestens in der Relation Berlin—Dresden ist durch diese Entscheidung keinesfalls gesichert.

Damit nicht genug: Auch das in der Kleinen Anfrage genannte neue Fertigstellungsdatum 2016 erweist sich schon jetzt als zu optimistisch, denn eine für den Jahresfahrplan 2016 geplante vollständige Sperrung des Abschnitts Wünsdorf—Elsterwerda muss um ein Jahr auf 2017 verschoben werden.

Weitgehend unbeachtet bleiben die täglichen Bahnnutzer des Regionalverkehrs, wie z. B. Schüler und Berufspendler, die nunmehr seit Jahren unter den Folgen der politischen (Fehl-)Entscheidungen leiden: Langsamfahrstellen, verbunden mit überlangen Fahrzeiten, wenig einladende Bahnhöfe, Totalsperrungen, Schienenersatzverkehre mit zusätzlichen Umsteigezwängen und immer wieder baubedingte Verspätungen zusätzlich zu den bereits im Fahrplan berücksichtigten.

Regiozug
Für die RE-Züge reicht es, wenn die Dresdener Bahn für eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h ausgebaut wird. Schneller können sie ohnehin nicht fahren. Viel dringlicher ist, endlich den Lückenschluss zwischen Berlin Südkreuz (im Bild) und Blankenfelde zu realisieren. Doch für diesen Wiederaufbau gibt es noch nicht einmal das Baurecht, so dass die Bahn intern mit einer Fertigstellung nicht vor dem Jahr 2022 rechnet. Foto: Marc Heller

Angesichts der beschriebenen Rahmenbedingungen muss der Ausbau der Bahnstrecke Berlin—Dresden für 160 km/h entsprechend der 1. Baustufe endlich forciert und zeitnah abgeschlossen werden. Dieser Ausbaustandard ist derzeit sowohl für den RegionalExpress-Verkehr als auch für die vergleichsweise geringe Zahl der Fernverkehrszüge auf dieser Strecke die sinnvollste Lösung. Eine Fahrzeitreduzierung ausschließlich für den Fernverkehr von gerade einmal 6 Minuten durch mögliche 200 km/h auf insgesamt 80 Kilometern bringt deutlich zu wenig Nutzen, um weitere jahrelange Zeitverzögerungen bei der Realisierung zu rechtfertigen.

Deutscher Bahnkunden-Verband
IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 4/2013 (September 2013), Seite 19

 

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