Vor gut zehn Jahren wurde von der
Politik die Bahnreform auf den Weg gebracht.
Aus den Behördenbahnen Bundesbahn und
Reichsbahn wurde die Deutsche Bahn
AG geschmiedet. Doch die Bahnreform
sollte und wollte mehr erreichen.
Ziele waren die Entlastung öffentlicher Haushalte,
die Regionalisierung des Nahverkehrs
und damit die Übertragung der Verantwortung
auf die Länder, das DB-Streckennetz und
anderer Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen
für Verkehrsleistungen durch Dritte zu öffnen
und insgesamt mehr Verkehr auf die Schiene
zu bringen.
Schienen-Fernverkehr gibt es nur noch auf
lukrativen Verbindungen. Oft müssen die Länderein
Nahverkehrs-Ersatzangebot organisieren.
„Aus betriebswirtschaftlicher Sicht macht
das durchaus Sinn", so Professor Gerd Aberle
von der Julius-Liebig-Universität in Gießen.
Gerade dieses hat jedoch zu einer Abbestellung
zahlreicher Nebenstrecken geführt.
Ein Kernpunkt der Bahnreform, die einige
Gesetzesänderungen erforderte, war die Aufteilung
der Deutschen Bahn in eigenständige
Bereiche, wie Personennah- und -fernverkehr,
Güterverkehr und Fahrweg. Diese sollten, so
der ursprüngliche Gedanke, als selbstständige
Gesellschaften agieren, vorerst unter dem
Dach einer Holding, die aber später ganz entfallen
solle.
Heute ist die Bahn in unzählige Tochtergesellschaften
zersplittert. Doch nach zehn Jahren
wird die Bahn straff geführt. Zwar sind
die Bereiche Nahverkehr und Fernverkehr
formal eigenständige Aktiengesellschaften,
werden aber vom DB-Vorstand in Personalunion
verwaltet.
Trennung
von Netz und Betriebsdurchführung
Für den Verkehrsausschuss des Bundestages
war das zehnjährige Jubiläum Ende März Anlass,
über das weitere Schicksal der Bahnreform
in einer öffentlichen Anhörung zu debattieren.
Besonders geteilt ist die Meinung der Bundestagsfraktionen
zum Thema der vollständigen
unternehmerischen Trennung des Netzes
von der Durchführung des Schienenverkehrs.
Hauptargument der Befürworter der Trennung,
CDU/CSU, FDP und auch des Regierungspartners
Bündnisgrüne, ist, dass durch
die immer noch vorhandene Monopolstellung
der Deutschen Bahn AG ein diskriminierungsfreier
Zugang des Netzes erschwert wird.
Besonders die Abgeordneten Dirk Fischer
(CDU) und Albert Schmidt (Bündnisgrüne)
wiesen auf die dritte Stufe der Bahnreform
hin, in der diese Trennung ohnehin vorgesehen
sei.
SPD für Mehdorns Position
Die SPD-Fraktion vertritt indes jedoch die Linie
von Bahnchef Hartmut Mehdorn, der eine
„Trennung von Netz und Betrieb" vehement
ablehnt. Die SPD-Obfrau imAusschuss, Karin
Rehbock-Zureich verwies darauf, dass durch
das Errichten einer so genannten „Chinese
Wall" zwischen DB Netz und DB Holding direktes
Eingreifen auf die Netzpolitik durch
den Gesamtvorstand nicht zu erwarten wäre.
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Die Mehrheit des Deutschen Bundestages ist für die Trennung von Infrastruktur und Verkehrsdurchführung zur Stäkrung des Wettbewerbs auf der Schiene. Derzeit mauern aber noch neben der DB AG die SPD. Foto: DB AG, Bearbeitung: GVE |
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Wie die meisten der angehörten Experten
wollte auch Aberle die SPD-Argumentation
nicht gelten lassen. „Die Eingriffsmöglichkeiten
sind da". Er betonte, dass die Bahnreform
nicht nur die Deutsche Bahn, sondern das
ganze System Schiene umfasse. Ein eigenständiges
Netz ist unverzichtbar für die diskriminierungsfreie
Produktion von Verkehrsleistungen
auch durch Dritte", stellte er klar.
Das Ergebnis der von der Bahn eingerichteten
Task Force zum Thema Netztrennung nannte
Aberle unbefriedigend.
Zudem befand er, dass die Bahn den Schienenpersonenverkehr
ohnehin zu teuer produziere.
Aus diesem Grunde sei Wettbewerb unabdingbar.
Dirk Flege von der „Allianz Pro Schiene"
führte aus, dass der Erfolg der Bahnreform
daran abzulesen sei, wie hoch der Marktanteil
der Schiene gegenüber anderen Verkehrsträgern
ausfalle.
Einen Wettbewerb auf der Schiene gebe es
aber nur im Güterbereich und im Nahverkehr
bedauerte Jens Jahnke von der OHE, die auch
den Metronom-Verkehr Bremen - Hamburg -
Uelzen mit anderen Partnern betreibt. Der Zugang
zur DB-Infrastruktur ermögliche es kleinen
Bahngesellschaften erst, am Markt zu
agieren und zu expandieren. Für den Erfolg
sei es unabdingbar, dass das Netz aus der DB-Holding
zu lösen. Weitere Investitionen sollten
dem Schienenausbau zufließen, forderte Jahnke,
weil trotz der Neubaustrecken der vergangenen
Jahre viele Fahrzeiten heute gar unter
denen der 1980er Jahre lägen. „Die DB muss
ein Angebot an alle machen", forderte Jahnke,
dazu gehören mehr Reserven im Netz.
Bahn für Börse nicht sexy genug
Die meisten Experten waren sich darin einig,
dass das Netz, dass kaum Gewinne erwirtschaften
könne, für den geplanten Börsengang
ein Hindernis sei. Schon jetzt reiche die
Summe vom Bund für Instandhaltungen des
Netzes und den Neubau von Strecken nicht
aus. Ohne ausreichende Gewinnmargen sei
die Bahnaktie für den Anlegermarkt uninteressant.
„ Für den Börsengang ist die Bahn AG
nicht sexy genug" brachte es Thomas Rössler
von Uniconsultauf den Punkt,.
Das Verbleiben des Netzes bei der DB AG
bezeichnete der Grüne Schmidt als Vollkaskomentalität.
„Irgendwann müsse der Bund
dann doch das Netz übernehmen, weil der DB
AG der Unterhalt zu teuer wäre". Er warnte
vor britischen Verhältnissen in Deutschland.
Allerdings müsse das Netz nicht allein vom
Bund übernommen werden, gab Aberle zu bedenken.
Er schlug vor, dass neben dem Bund
auch die Länder, die DB AG, sowie private
Bahnen mit in die Verantwortung geholt
werden könnten. Zur EU-Vorgabe zur Trennung
von „Netz und Betrieb" appellierte Aberle an
alle, dem Geist und nicht nur allein dem Text
zu folgen.
Einige Experten fragten danach, ob eine
der DB AG untergeordnete und weisungsgebundene
Netz AG überhaupt bereit sein, Infrastrukturwünsche
dritter Bahnen und damit
Wettbewerbern am Markt ernsthaft nachkommen
zu wollen. Besonders dann, wenn
eigene Interessen der DB AG berührt werden,
sei dies fraglich. Trotz dieser einsichtigen Argumente
blieb die SPD bei ihrer Position.
Einige Teilnehmer und Zuhörer meinten am
Rande der Anhörung hinter vorgehaltener
Hand „ ... erst wenn eine Kanzlerin Merkel
Mehdorn in die Wüste schickt, wird der Weg
zurTrennungvon Betrieb und Netz wohl frei".
Deutschland ist Vorreiter
Einig waren sich die meisten Beteiligten der
Anhörung, dass Deutschland richtigerweise
Vorreiter bei der Öffnung des Schienennetzes
für Dritte spiele. Andere Länder, insbesondere
Frankreich und Belgien, hätten noch großen
Nachholbedarf. Ein Experte brachte es auf den
Punkt: „Bei uns engagieren sich große französische
Konzerne im Bahnverkehr, aber umgekehrt
ist der Markt verschlossen", hieß es.
Verkehrsverlagerung auf die Straße
in den Beitrittsländern befürchtet
Vor anderen Gefahren warnte Wilhelm Pällmann,
der frühere DB-Vorstand und ehemalige
Vorsitzende der Regierungskommission zur
Infrastrukturfinanzierung. Nach dem EU-Beitritt
der meisten osteuropäischen Staaten
werde die gleiche Entwicklung wie in den
neuen Ländern nach der Wende eintreten.
„Der Güterverkehr dort wird rapide von der
Schiene zur Straße gehen." Pällmanns düstere
Version lautete: „Die Autobahnen sind bei
uns noch längst nicht voll, "(mkv) DBV Bundesverband
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