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Kennen Sie das?
Sie sitzen relativ gemütlich in der U-Bahn und
beobachten die einsteigenden Fahrgäste.
Plötzlich fallen Ihnen zwei bis sechs wenig
vertrauenerweckende Gestalten auf, die sich
auffällig unauffällig auf mehrere Türen verteilen
und spontan den Wagen betreten. Aus
dem nicht selten zweifelhaften Äußeren
schließen Sie auf obdachlose Straßenmusiker
oder Verkäufer von bewusstseinserweiternden
Substanzen. Also kein Grund zur Beunruhigung.
Falsch! Denn Sie werden soeben passiver
Teilnehmer einer Fahrkartenkontrolle. Und
jetzt sollten Sie sich wirklich Sorgen machen.
Mit der Verpflichtung von externen Honorarkräften
für die Fahrkartenkontrollen
(„Feststeller") hat die BVG wieder einen beschäftigungspolitischen
Coup gelandet: Studenten
und Arbeitslose werden von „Agenturen"
und „Sicherheits-Service-Unternehmen"
angeheuert und als 'Ich-AGs'( d. h., als Kontrolleure
auf Provisionsbasis, auf die nichtsahnenden,
aber mittlerweile alles befürchtenden
Fahrgäste losgelassen.
Das geschieht bevorzugt im Bahnbereich
der BVG, denn beim Bus ist ja jetzt dank Vordereinstiegs
stets eine hundertprozentig korrekte
und lückenlose Kontrolle sämtlicher
Fahrgäste und Fahrausweise natürlich selbstverständlich,
gell? Ist zwar ein Irrtum der
BVG-Vorstandsetage und des BVG-Personalrates,
aber dazu an anderer Stelle mehr (unter
anderem auch im »Stadtverkehr«, Heft 4/2003, Seite 49).
Da die Kontrollteams bevorzugt aus angelernten
und durch Provisionszahlungen nach
Fangquote „scharfgemachten" Leuten bestehen,
verlaufen auch die Kontrollen teilweise —
nun, sagen wir mal - willkürlich und nicht immer
auf dem Boden von Grundgesetz,
freiheitlich-demokratischer Grundordnung und
VBB-Tarifbestimmungen. Insbesondere die
Umstände der Bezahlung der Kontrollkräfte
führen dazu, dass der Ermessensspielraum,
den die Kontrolleure ja haben, inzwischen
grundsätzlich zu Ungunsten der Fahrgäste
ausgelegt wird. Und manchmal wird auch ein
bisschen nachgeholfen, um „Schwarzfahrer
zu erwischen".
Beispiele gefällig?
Nachdem sich gewiefte Kontrolleure bevorzugt
auf U-Bahnhöfen in der Nähe von Fahrkartenautomaten
postiert hatten, um Leute
vor dem Kauf einer Fahrkarte „ohne" zu erwischen,
hat sich dieser Trick nach Berichten in
den Medien über diese Praxis jetzt offenbar
zur Straßenbahn verlagert. Ein Schwerpunkt
scheint die Straßenbahn-Linie 20 zu sein. Die
Kontrollteams stellen auf dieser Linie jeden
einsteigenden Fahrgast erstmal unter Generalverdacht.
Friedrichshain ist ja bekanntlich
eine kleinkriminelle Hochburg.
Und wenn einmal nichts ist,
dann wird Erfindergeist gezeigt
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Der Fahrkartenautomat in der Straßenbahn (Pfeil) scheint nur Dekoration zu sein, denn er darf zumindest nach der Auffassung einiger BVG-Kontrolleure NICHT zum Kauf von Fahrkarten benutzt werden. Foto: Alexander Frenzel |
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Am 3. Januar 2004 zum Beispiel benutzten
Herr S. und Frau I. diese Linie ab S-Bahnhof
Warschauer Straße (Zitate aus der Beschwerde
kursiv). „Sofort, noch bevor die Straßenbahn
losfuhr, stellte sich einer der Männer direkt
in den Gang und sprach einen Fahrgast
zur Fahrausweiskontrolle an. Da der Kontrolleur
uns den Weg zum einzigen Automaten
versperrte, sprach ich ihn an, dass er uns bitte
vorbeilassen möge, um einen Fahrausweis zu
lösen." Der Feststeller weigerte sich. Soweit,
so schlecht. Ein besonderes Highlight ist aber
die tarifliche „Begründung", die nun folgte
und die auch ein Licht auf den Ausbildungsstand
dieser Leute wirft: Der Kontrolleur erklärte,
„wir wären nicht befugt, ohne Fahrausweis
in eine Bahn einzusteigen." Von
Herrn S. befragt, wozu sich dann eigentlich in
Straßenbahnen Fahrkartenautomaten befänden,
kam nach einigem Nachdenken die Belehrung,
man sei „verpflichtet, in der Mitte,
also direkt beim Automaten einzusteigen."
Offensichtlich steht im VBB-Tarif mehr drin,
als man glauben mag. Ob die BVG uns
freundlicherweise die Fundstelle für diese
Bestimmung mitteilen könnte?
„Student" oder „Studierender"
Apropos Ausbildungsstand: Herr R. hatte Ende
letzten Jahres auf dem U-Bahnhof Südstern
eine Begegnung mit einer Schar
Kontrolleur-Azubis und ihrem
Instrukteur. R. ist Semesterticket-Nutzer.
Auf diesem steht, der Inhaber
habe seinen „Studenten-Ausweis" mitzuführen
- das tat Herr R. auch. Sein Pech nur, dass
auf seinem Studenten-Ausweis die Aufschrift
„Studierenden-Ausweis" prangt. Für den Ausbilder
(man schämt sich fast, dieses Wort zu
gebrauchen) war der vorgelegte Studierenden-Ausweis
kein Studenten-Ausweis. Also
gab es ein 40 Euro-Ticket. Fazit: die BVG hat
von geschlechtsübergreifenden Personen-Bezeichnungen
noch nie etwas gehört, vielleicht
sollte die dortige Frauenbeauftragte das mal
im Unternehmen bekannt machen. Bei derartigen
Ausbildungsverläufen kann einem Himmelangst
werden.
Andererseits steckt in der kreativen Nichtanerkennung
von gültigen Dokumenten noch
viel ungenutztes Potenzial: Wieso eigentlich
„Semester-Ticket", wo doch die Fahrgäste im
Besitz gültiger „Fahrausweise" zu sein haben?
Und nun noch ein Beispiel, das zeigt, dass
die BVG ein familienfreundliches Unternehmen
ist - denkste! Herr G. und ein Kinderwagen
fuhren Ende letzten Jahres mit der Straßenbahn-Linie
50 vom S- und U-Bahnhof
Schönhauser Allee Richtung Pankow. Da er mit
Wagen und Kind noch zu tun hatte, konnte er
erst an der nächsten Haltestelle (Bornholmer
Straße, wird nach spätestens zwei Minuten
Fahrt erreicht) seine Fahrkarte abstempeln.
Das genügte einem „Feststeller", ihn nach
dem Stempeln zum Schwarzfahrer zu erklären
und ihm eine Szene zu machen. Was lernen
wir daraus: Tür auf, Wagen rein, Fahrkarte
kaufen oder stempeln, dann im Zug nach dem
weggerollten Wagen und herausgefallenen
Kind suchen.
Abgesehen von all diesem Unsinn: Nach
dem Motto „doppelt oder dreifach hält besser"
werden Fahrgäste auf einer Fahrt zum
Beispiel mit der U-Bahn-Linie 8 von Hermannstraße
bis Voltastraße gern auch dreimal aufgefordert,
ihre Fahrkarten vorzuzeigen: 1x
zwischen Hermannstraße und Hermannplatz,
dann im Umfeld des KottbusserTor und nochmals
hinterm Alexanderplatz. Die Verkäufer
der Obdachlosenzeitungen jedenfalls wurden
einst mit dem Argument der Belästigung der
Fahrgäste aus der U-Bahn vertrieben. Die
BVG sorgt inzwischen selbst höchst effektiv
dafür, dass die Fahrgäste möglichst flächendeckend
belästigt werden. Werbung für den
ÖPNV ist das nicht, (mg)
Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Kontrollen
? Wir sind sehr an Ihren Schilderungen
interessiert Berliner Fahrgastverband
IGEB, S-BahnhofJannowitzbrücke, 10179
Berlin. Telefax 030/78 70 55 10. E-Mail:
igeb@igeb.org. IGEB
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