International

Keine neuen Impulse im Schienenverkehr durch den EU-Beitritt Polens

Das Angebot an Fernverkehrs-Verbindungen auf der Schiene wird dieser Tatsache unzureichend gerecht. Zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2003 hatte es sogar Einschränkungen gegeben, denen minimale Angebotsverbesserungen gegenüberstanden.

Die Entwicklung bei den Verbindungen von und nach Polen ist bedenklich. Speziell für umsteigende Fahrgäste ist beispielsweise im aktuellen Fahrplanabschnitt der neue Start- und Zielbahnhof Berlin - Lichtenberg für D 448/D 449 Berlin - Krakow (Krakau) unbefriedigend. Bis zum 13. Dezember 2003 erfolgte die wesentlich kundenfreundlichere Führung über die Berliner Stadtbahn. Unverständlich ist diese Entscheidung vor dem Hintergrund, dass ab 2006 der Berliner Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof zur Verfügung steht und damit ein neuer Umsteigeknoten von überregionaler Bedeutung.

Bahnhof
Bahnhof Görlitz ist schon heute ein bedeutender Schienenübergang. Foto: Frank D. Lammers

Das Zugpaar EC 48/EC 49 verkehrt derzeit zwischen Berlin und Poznan (Posen) mit wenig fahrgastfreundlichen Verkehrszeiteinschränkungen lediglich am Freitag und Sonntag, in der Gegenrichtung am Samstag und Montag. Noch vor einem Jahr verkehrte dieses Zugpaar fast täglich am Wochenende!

In der Relation Dresden - Görlitz - Wroclaw (Breslau) ist das Angebot seit dem letzten Fahrplanwechsel auf zwei Interregio-Zugpaare reduziert und damit halbiert worden. Die ohnehin wenig attraktiven Fahrzeiten wurden bei den verbliebenden Zugpaaren (allerdings auf Grund von Baumaßnahmen) noch verlängert. Fernverbindungen über Szczecin (Stettin) Richtung Gdansk (Danzig) sind bereits seit Mai 2000 Vergangenheit.

Verbesserungen sind lediglich bei der heutigen Nachtzugverbindung D 248/D 249 „Jan Kiepura" Köln - Hannover-Warschau (mit Kurswagen nach Moskau) vorgesehen. Diese Verbindung wird ab 1. Mai 2004 als Euronight EN 348/EN 349 verkehren und um den Anschnitt Brüssel - Köln verlängert. Aufgrund der Fahrplanlage wird Berlin allerdings nicht direkt angebunden, da zwischen 1 und 5 Uhr keine Zu- und Ausstiege zugelassen werden, um eine ausreichende Nachtruhe zu gewährleisten.

Haben DB AG und PKP resigniert?

In Anbetracht des EU-Beitritts Polens wird deutlich, daß das derzeitige Bahnangebot der prognostizierten Steigerung des Reiseverkehrs leider nur unzureichend gerecht wird. Es besteht die Gefahr, dass die beteiligten Bahnunternehmen am wachsenden Markt im Personen- und Güterverkehr nicht teilhaben, sondern der Auto-, Bus- und Flugverkehr weiterhin überdurchschnittlich wachsen.

Um dem Bahnverkehr die notwendigen Impulse zu geben, ist eine Qualitätsoffensive durch die Einrichtung zusätzlicher, dem westeuropäischen Standard entsprechender Direktverbindungen unumgänglich (zum Teil müssen ehemals bestehende Verbindungen wieder eingerichtet werden). Die derzeitigen Infrastrukturmängel können dagegen nicht kurzfristig behoben werden.

Das Verbesserungspotenzial im Fernverkehr sei an folgenden Vorschlägen verdeutlicht; bei den Tagesverbindungen ist ein Grundangebot von mindestens drei Zugpaaren auf jeder Linie sinnvoll. Die Abfahrten sollten morgens, mittags und nachmittags/abends erfolgen, wobei in der Tagesrandlage sicherlich nicht in jedem Fall die gesamte Relation bedient werden muß.

Einrichtung einer IC-Linie Leipzig - Berlin - Szczecin (Stettin) - Gdynia (Gdingen) - Gdansk (Danzig) (- Olsztyn (Allenstein))

Zug
Im Vorfeld der EU-Osterweiterung wurde leider das Augenmerk fast ausschliesslich auf den Neu- und Ausbau von Straßenverbindungen gelegt. Deshalb sind Eisenbahn-Infrastrukturmassnahmen kurzfristig nicht durchführbar. Dagegen können aber attraktive Direktverbindungen sofort angeboten werden. Foto: Berlin-Warschau-Express im Bahnhof Berlin Friedrichstraße, Christian Schultz

Mit dem Interregio Mare Balticum gab es in dieser Relation bis am 28. Mai 2000 bereits eine vergleichbare Verbindung (plus Fahrradmitnahme!). Vor dem Hintergrund der touristischen Entwicklung entlang der polnischen Ostseeküste und Masuren war die Einstellung der Verbindung über Szczecin (Stettin) eine kurzsichtige Entscheidung. Mit der Einführung einer neuen IC-Linie wird ein hoher Qualitätsstandard gewährleistet. Durch Integration in einen - derzeit noch nicht realisierten -Taktfahrplan im polnischen Binnenverkehr ergeben sich betrieblich sinnvolle Durchläufe ab/bis Warschau.

Zusammenlegung der IC-Linie Amsterdam - Berlin mit der EC-Linie Berlin - Warschau, Verlängerung ab/bis Lublin

So können neue, umsteigefreie Direktverbindungen geschaffen werden, was letztlich ein Zusammenwachsen der einzelnen EU-Länder fördert. Der für viele Relationen völlig unnötige Umsteigezwang in Berlin kann damit entfallen; die heutige IC-Relation Berlin -Amsterdam kann in diesem Zusammenhang auf EC-Niveau angehoben werden.

Durch Einbindung der Züge in den IC-Taktfahrplan des polnischen Binnenverkehrs ist zusätzlich die Verlängerung dieser Linie ab/bis Lublin sinnvoll.

Einrichtung einer IC-Linie Hannover - Berlin - Rzepin (Reppen) - Wroclaw (Breslau) - Krakow (Krakau)

Auch mit dieser Linie werden neue Direktverbindungen mit Polen geschaffen. Durch die Einbindung dieser Züge in die Taktfahrpläne des Binnenverkehrs kann der betriebliche Aufwand in beiden Ländern begrenzt werden.

Einrichtung einer IC-Linie Dresden - Wroclaw (Breslau) - Krakow (Krakau)

Durch Umstellung der derzeit verkehrenden IR-Züge auf IC-Züge und der Erhöhung der Zugfrequenz kann die Angebotsqualität in dieser Relation wieder deutlich erhöht werden. Nicht akzeptabel ist selbst bei Berücksichtigung der Baumaßnahmen die derzeitige Fahrzeit von rund 5,5 Stunden zwischen Dresden und Wroclaw (Breslau). Zum Vergleich: im Jahr 1939 erreichte die schnellste D-Zugverbindung eine Fahrzeit von 3,5 Stunden, im letzten Fahrplanabschnitt waren es etwas über 4,5 Stunden!).

Für die Nachtverbindung ist die Einrichtung einer Euronight-Verbindung unter anderem auch mit Schlaf- und Liegewagen wesentlich kundenfreundlicher als der derzeitige Einsatz eines IR-Zugpaares, welcher ausschließlich Sitzwagen führt.

Einrichtung einer IC-Linie Berlin - Görlitz - Walbrzych (Waldenburg) - Wroclaw (Breslau)

In dieser Relation sollte ein Grundangebot von zwei Zugpaaren bestehen. Bei dieser Linie erhielte auch Görlitz wieder direkte Verbindungen des Fernverkehrs aus Richtung Berlin (vom Interconnex einmal abgesehen); neue Direktverbindungen würden in das touristisch bedeutsame Riesengebirge entstehen. Auf dieser Linie können zum Beispiel die seitens der DB AG derzeit abgestellten dieselgetriebenen ICE-TD der Baureihe 605 ein neues Einsatzgebiet finden und einen hohen Komfort sicherstellen (weitere Einsatzmöglichkeiten sind in Signal 1/2004, Seite 6 aufgezeigt).

Nachtzug-Verbindung Berlin - Poznan (Posen) - Warschau - Lublin bzw. Gdynia (Gdingen) - GUS

In dieser Relation wird derzeit das täglich verkehrende Zugpaar D 344/D 345 angeboten, das ab/bis Berlin-Lichtenberg verkehrt. Durch Umstellung auf eine Euronight-Verbindung, verbunden mit der kundenfreundlicheren Führung des Zugpaares über die Stadtbahn-Strecke kann diese Nachtzugverbindung deutlich verbessert werden.

Nachtzug-Verbindung Berlin - Forst - Wroclaw (Breslau) - Krakow (Krakau)

Erheblich verbesserungsbedürftig ist auch die Produktqualität des Nachtzugpaares D 448/D 449. Durch Umstellung auf eine Euronight-Verbindung und der Führung dieses Zugpaares wieder über die Stadtbahnstrecke kann auch hier die notwendige Verbesserung der Reisequalität erreicht werden.

Nachtzug-Verbindung Frankfurt (Main) - Berlin - Warschau

Während in dieser Relation bedingt durch den ICE-Verkehr zumindest im Tagesverkehr keine durchgehende Verbindung realistisch ist, kann dagegen über Nacht mit dem Euronight-Angebot eine neue attraktive und umsteigefreie Verbindung hergestellt werden.

Ähnlich wie bei EN 348/EN 349 kann dieses Zugpaar aufgrund der Fahrplanlage kein Ersatz für die oben genannte Nachtzugverbindung Berlin - Warschau - Lublin sein.

Fazit

Um im Reiseverkehr kurzfristige Verbesserungen bezüglich des Komforts zu erzielen, bietet sich die Übernahme nicht mehr benötigter Fahrzeuge aus dem Interregio- bzw. Intercity-Wagenpark der DB AG durch die PKP an. Die sinnvolle Nutzung derzeit abgestellten, aber bezüglich des Komforts akzeptablen Wagenmaterials wäre in jedem Fall der bessere Weg, als die stetige Zerstörung in Abstellanlagen durch Vandalismus!

IGEB

aus SIGNAL 2/2004 (April/Mai 2004), Seite 33-34

 

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