International

Leider nur Trippelschritte im deutsch-polnischen Nahverkehr

Sieben osteuropäische Staaten werden am 1. Mai in die EU aufgenommen, darunter das brandenburgische Nachbarland Polen.

Damit einher gehen wird sicherlich eine Zunahme des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs, besonders im Nahbereich die und jenseits der Oder. Doch wie in vielen anderen Grenzregionen innerhalb der EU wird der grenzüberschreitende ÖPNV eher stiefmütterlich behandelt. Zwar gibt es einige Verbesserungen Doch von einer Zusammenarbeit wie es sie im Grenzraum zwischen Deutschland und dem EU-Nicht-Mitglied Schweiz praktiziert wird, genannt sei die Basler Drei-Länder-S-Bahn-Planung, kann keine Rede sein. Ein Brandenburg näher liegendes Beispiel wäre das Egronet zwischen Bayern, Sachsen und Nordböhmen, das sogar mit dem Deutschen Schienenverkehrs-Preis bedacht wurde.

Erfreulich ist aber, dass die ersten kleinen Schritte zur Vernetzung der ÖPNV-Netze in Deutschland und Polen in die Wege geleitet wurden. Vereinbart wurden sie zwischen Brandenburg und den polnischen Wojewodschaften Lubuskie (Lebuser Land) und Wielko Polskie (Hinterpommern).

Karte
Aufgewacht! Zwei Monate vor dem entscheidenen Termin - dem Beitritt Polens zu EU -vereinbarten das Land Brandenburg, der VBB und die Wojewodschaft Lubuskie das mögliche Aussehen des zukünftigen Nahverkehrs im Grenzgebiet zwischen Brandenburg. Karte: VBB

Herausragend ist die Anerkennung von Fahrausweisen des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg durch die polnische Seite. VBB-Einzelfahrscheine, Tages-, Wochen- und Monats- und Jahreskarten gelten ab 1. Mai bis Szczecin (Stettin) und Kostrzyn (Küstrin) inklusive der Angebote Brandenburg- und Schönes-Wochenende-Ticket. Ähnliche Regeln gelten zudem für das Mecklenburg-Vorpommern-Ticket und das Sachsenticket bis Szczecin (Stettin) oder Zgorzelec, den polnischen Teil von Görlitz; zusätzlich auch VBB-Fahrradkarten. Ebenso können rabattierte Fahrausweise mit der Bahncard 25/50 in die genannten Städte gelöst werden. Allerdings wird die Bahncard 100, die ja eine reine DB-Netzkarte ist, auf Strecken der polnischen Staatsbahn PKP nicht gültig sein. Im Gegenzug wird nunmehr das innerpolnische Touristenticket bis zu den deutschen Bahnhöfen Löcknitz, Tantow, Küstrin-Kietz und Frankfurt/Oder gelten.

Zu den erfreulichen Neuerungen gehört die bereits im März eröffnete VBB-Buslinie 470, die die Stadt Schwedt/Oder dreimal am Tage mit Szczecin (Stettin) verbindet. Die RE-Ausflugszüge Stettiner Haff und Wolliner Land fahren wieder, wobei das deutsche SWT bis Swinemünde gilt.

Der Deutsche Bahnkunden-Verband begrüßt die Ende Februar 2004 abgeschlossene Vereinbarung zum Ausbau des brandenburgisch-polnischen Grenzverkehrs zwischen der Landesregierung, dem VBB und der Wojewodschaft Lubuskie.

Der DBV ist jedoch der Ansicht, dass diese Vereinbarung weitaus früher hätte getroffen werden müssen. Zwei Monate vor dem EU-Beitritt der Republik Polen zu vereinbaren, dass man mit Studien zum Schienennahverkehr zwischen Brandenburg, dem Lebuser Land und in weiteren Regionen beginnt, ist viel zu spät. „Mit dem polnischen Beitritt hätte mindestens feststehen müssen, welche Strecken aufweichen Standard hergerichtet werden und wie das Zugangebot aussieht", so DBV-Präsident Gerhard J. Curth.

Zu viele Knackpunkte

Die Meinung von VBB-Chef Hans-Werner Franz, erst in einem Jahr mit Ergebnissen aufwarten zu wollen, stößt beim DBV auf besonderes Unverständnis. Curth sagte dazu: „Wir würden es begrüßen wenn der Verkehrsverbund im eigenen Bereich den gleichen Elan zur Entwicklung eines optimierten Verkehrsmanagements und zur Erschließung des ländlichen Raumes an den Tag würde wie jetzt offenkundig beim Ausbau eines gemeinsamen deutsch-polnischen Schienennahverkehrsangebotes." Da sieht es derzeit finster aus. Das fängt mit dem schlechten Ausbauzustand der nach Polen führen Bahnstrecken an. So ist die Ostbahn, einst von Berlin bis Königsberg führend, stellenweise nur eingleisig. Die meisten Züge enden in Kostrzyn (Küstrin). Eine nach DBV-Ansicht wünschenswerte RE-Verbindung nach Gorzow (Landsberg/Warthe) gibt es nicht. Eine Elektrifizierung dieser Strecke steht genauso in den Sternen wie eine Führung der Züge wie früher zu der Berliner Stadtbahn. Und die derzeitige Regelung des Fahrausweisverkaufes, dass ein Aussteigen der Reisenden auf dem Bahnhof Kostrzyn (Küstrin) erfordert sollte in einem einigen Europa der Vergangenheit angehören.

Die Niederschlesich-Märkische Bahn nach Frankfurt/Oder profitiert zwar vom Fernverkehrsausbau auf 160 Kilometern Höchstgeschwindigkeit, aber an eine Weiterführung der RE 1 bis Rzepin (Reppen), Zelenia Gora (Grünberg) oder sogar bis Poznan (Posen) wird nicht nachgedacht. Dazu brauchte es auch Zweisystemloks. Eine 160 km/h schnelle E180 wie sie vor den EC Zügen nach Polen, allerdings nur mit 120 km/h zu finden ist, wäre wünschenswert.

Zug
Nahverkehrszug auf der Oder-Vorflutbrücke, nahe der Grenze Deutschland/Polen. Foto: Frank D. Lammers

Aus dem polnischen Eisenbahn-Netz „verirren" sich derzeit nur drei Personenpaare nach Frankfurt/Oder, die nicht in deutschen Kursbüchern auftauchen, sondern nur dem der PKP. In Frankfurt/Oder selbst scheiterte eine Buslinie nach Slubice, der ehemaligen Dammvorstadt, an den eigensüchtigen Interessen der Taxifahrer auf beiden Seiten. Die Bürgermeister beider Städte wünschen sich sogar eine Straßenbahn über die Oder die Frankfurt mit Slubice verbindet (siehe Seite 32).

In Görlitz übrigens fährt schon seit Jahren eine Buslinie über die Neiße ins benachbarte Zgorzelec.

Obwohl Polen der EU beitritt: Zwischen Guben und Gubinek wurde kürzlich der grenzüberschreitende Nahverkehr eingestellt.

Nicht unerwähnt bleiben sollte aber bei aller Kritik, dass sich die Verhandlungen zwischen deutschen und polnischen Partnern oft schwierig gestalten. Während im föderalistisch strukturierten Deutschland viele Entscheidungen vor Ort getroffen werden, wird von polnischen Gesprächspartnern beklagt, dass jede Vereinbarung eine Rücksprache mit Warschau erfordert. Eine Tatsache, die Fachleute aus der deutsch-französischen Grenzregion kennen; Polen wie Frankreich sind zentralisier) organisiert.

Fortschritte gibt es auf einem ganz anderen Sektor: Im Frankfurter Sommerflugplan stehen pro Woche allein 491 Passagier-Linienflüge nach Osteuropa auf dem Flugplan. Dies entspricht gegenüber 2003 einer Zunahme von fast 17 Prozent, (mkv)

DBV

aus SIGNAL 2/2004 (April/Mai 2004), Seite 35-36

 

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