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Die Situation heute
Die BVG verfügt entsprechend ihres heterogenen
Straßenbahnnetzes über einen Fahrzeugpark
für die unterschiedlichsten Anforderungen.
Gemeinsames Merkmal ist die Breite
von 2,2 Meter bei den Tatrawagen und 2,3
Meter bei den Niederflurwagen. Eine weitere
Vergrößerung der Gleismittenabstände für
noch breitere Wagen ist angesichts der Netzausdehnung
(mit 180 km der größte deutsche
Trambetrieb) auch mittelfristig nicht möglich.
Für den Betrieb stehen Züge in vier Längenklassen
zur Verfügung:
- 15 oder 20 Meter lange Tatra-Solowagen,
- 27 Meter-NF-Wagen oder 30 Meter-Züge
aus zwei Tatra-T6 (NF-Typ GT6 auch als
Zweirichtungswagen; ZR)
- 40 Meter-Züge aus zwei Tatra-KT4
- 54 Meter-Züge aus zwei NF-GT6.
Die Haltestellen sind zum größten Teil für
60 Meter lange Züge ausgelegt, nur auf einigen
schwach ausgelasteten Außenstrecken
gibt es Beschränkungen auf 40 Meter. Die in
anderen Städten genutzte Möglichkeit der
StVO für 75 Meter lange Züge wird in Berlin
nicht gebraucht, da die ganz großen Verkehrsströme
mit der S-Bahn und der U-Bahn
bewältigt werden. Es gibt keine Tunnelstrecken
in Berlin und darum auch keine Abschnitte
mit Streckenblock und Zugbeeinflussung -
eine klassische, preiswerte Straßenbahn mit
Fahrt auf Sicht.
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Straßenbahn-Endstelle Schwarzkopffstraße 1998 mit einer unmodernisierten Tatra Bahn. Foto: Marc Heller |
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Das Straßenbahn-Netz in Berlin ist für den
kostensparenden Einrichtungsbetrieb ausgebaut,
lediglich eine Endstelle der Linie 20 besitzt
keine Wendeschleife. Für diese Linie sowie
für baubedingte Endstellen sind 45 Wagen
der beiden letzten GT 6-Lieferungen als echte
Zweirichtungs-(ZR-)wagen geliefert worden,
auch sie sind in Doppeltraktion einsetzbar.
Während die Tatrawagen eine unverkleidete
vollautomatische Kupplung besitzen, was
auch eine Schwächung der Züge auf der Strecke
ermöglicht, lassen sich die GT 6 leider nur
in der Werkstatt kuppeln und entkuppeln.
Zwar haben auch sie eine vollautomatische
Kupplung, aber diese verbirgt sich bei Nichtbenutzung
hinter einer Abdeckklappe, die nur
manuell entfernt werden kann und für die es
im Fahrzeug keine Unterbringung gibt.
Die Tatrawagen sind in den 1990er Jahren
alle modernisiert worden für einen weiteren
Betrieb über zwei Hauptuntersuchungsperioden,
also bis etwa 2010. Deshalb zeichnet
sich jetzt die Vorbereitung der Nachfolgebeschaffung
ab.
Anforderungen
an die neuen Fahrzeuge
Die spezifischen technischen Randbedingungen
wie befahrbare Kurvenradien, Achslasten,
Stromverbrauch und ähnliche können hier außer
acht gelassen werden, für den Fahrgast
interessant sind die betrieblichen Anforderungen.
Wir setzen voraus, dass neue Fahrzeuge
auf dem gesamten Streckennetz verkehren
können müssen.
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Nachfolger der Tatra-Straßenbahnen in Berlin sind die Adtranz-Fahrzeuge vom Typ GT6N Foto: Alexander Frenzel |
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Während die Zugklasse IV ausschließlich
und die Klasse II zum großen Teil mit den vorhandenen
NF-Zügen bedient werden kann,
müssen die neuen Wagen vor allem die Zugklassen
I und III abdecken. Außerdem sollen
auch für Klasse II weitere Wagen zur vollständigen
NF-Bedienung beschafft werden. Auf
bestimmten Strecken und auf der Linie 20 zu
bestimmten Zeiten zeichnet sich auch der Bedarf
für ein ZR-Fahrzeug der Größenklasse III
ab. Eine Beschaffung von vier verschiedenen
Typen (ER-Wagen Klasse I bis III und ZR-Wagen
Klasse III) ist natürlich zu teuer. Der Verzicht
auf die Beschaffung von größeren ZR-Zügen
kann in Zukunft zu unwirtschaftlichen
Doppeltraktionen der vorhandenen GT 6 führen,
die nicht ausgelastet sind und zudem den
geringen Bestand dieser Bauart überfordern.
Der Verzicht auf die Beschaffung von 20m-Wagen
führt nicht nur zu verringerter Effizienz
in den Schwachlastzeiten und auf nachfrageschwachen
Strecken, sondern auch zur Vereitelung
eines kostensparenden möglichen Flügelzug-Betriebes
in den Randstunden. Außerdem
zeichnet sich auf Strecken, die planmäßig
von ZR-Zügen bedient werden, die Ausführung
einiger Haltestellen mit Mittelbahnsteig
ab. Alle dort verkehrenden Wagen anderer
Linien sollten dann ebenfalls über linksseitige
Türen verfügen, auch als Einrichtungswagen.
Einrichtungswagen von 20 Meter Länge mit
zusätzlichen Türen auf der linken Seite (zwei
reichen durchaus, um die Sitzplatzzahl nicht
unnötig zu reduzieren), der in Doppel- und
Dreifachtraktion die vorhandenen Haltestellenlängen
optimal ausnutzt. Dadurch sind die
Zugklassen I, III und IV (60 Meter) darstellbar.
Ein Betrieb zweier Wagen Heck an Heck führt
zu einem ZR-Zug der Größenklasse III. Die
vollautomatischen Kupplungen sollten eine
Schwächung außerhalb des Betriebshofes erlauben
und die Software der Fahrgastinformation
sollte für Flügelzugbildung ausgelegt
sein. Mit diesem Fahrzeug hätte die BVG drei
der vier oben beschriebenen Anwendungsfälle
in einem Wagentyp vereint. Lediglich eine
kleinere Serie von Wagen der Klasse II sind
zusätzlich nötig, die kostensparend als reine
Einrichtungswagen ausgelegt sein können.
Nach Aussagen der BVG würden etwa
150 Züge mit 40 Meter Länge den gesamten
Tatrawagenpark ersetzen. Wenn wir unterstellen,
dass zur Ablösung der Tatra-T6 etwa
40 Wagen Klasse II benötigt werden, dann
sind rund 220 Wagen Klasse I wie beschrieben
nötig. Es wird auch von Fachleuten der Verkehrsbetriebe
gern argumentiert, dass ZR-Wagen
teurer als ER-Wagen sind wegen der
zusätzlichen Türen, deren größere Öffnungen
im Wagenkasten neben dem Mehrpreis für die
Mechanik auch zu einer schwereren Konstruktion
führt sowie wegen des zweiten Fahrerplatzes.
Genau darum geht es in diesem
Konzept: Der zweite Fahrerplatz entfällt und
die Anzahl der linksseitigen Türen ist begrenzt.
Zudem führen dieselben Kostenrechner
gern die Notwendigkeit des Verzichts auf
weitere Gleisschleifen oder Abzweigbögen an
Kreuzungen für den Havariefall
an - es sei zu teuer, Weichen
und Gleise ohne Funktion für
den Regelbetrieb vorzuhalten.
Um bei Störungen und Bauarbeiten
den ebenfalls teuren SEV
nicht ausufern zu lassen, ist die
BVG auf die kostengünstige
und flexible Lösung der temporären
ZR-Endstellen mittels
Kletterweichen verfallen. Für
kurze Baustellen bieten sich
aber auch eingleisige Provisorien
an, wo dann eventuell Haltestellen
auf der linken Seite liegen.
Für alle diese Fälle ist das
vorgeschlagene Fahrzeug die
Lösung. Andere Verkehrsbetriebe
wie Halle haben solche Wagen
schon bestellt, obwohl ebenfalls schon
30 Meter-NF-Wagen in großer Stückzahl vorhanden
waren. Eine Lösung zur Kostenreduktion
ist die Beschaffung einer Teilserie von
40 Meter-Wagen als ER-Züge. Wünschenswert
wäre die Möglichkeit, 60 Meter-Züge aus einem
40er und einem 20er Wagen zu bilden,
aber billiger beim Kauf ist sicher der lange
Wagen als Alleinfahrer. Der Wagenpark der
BVG ist so groß, dass auch bei paralleler Beschaffung
von 40 Meter-Wagen in Einrichtungsbauart
noch eine genügend große Stückzahl
für einen flexiblen Betrieb zusammenkommt
(mindestens 60 plus 80 lange ER-Wagen;
weniger als 60 Stück dieser Bauart sind
für Berlin eine zu kleine Serie).
Der Systemvorteil der Straßenbahn gegenüber
dem Bus ist die Zugbildung. Würde die
BVG nur 40 Meter-Wagen beschaffen, könnte
sie nicht mehr alle Zugklassen fahren, hätte
im Abendverkehr und auf Randlinien ein Auslastungsproblem
(vielleicht wäre dadurch die
Straßenbahn auf diesen Strecken generell in
Gefahr?!), könnte sich nicht auf veränderte
Verkehrsströme einstellen und es wäre keine
Flügelzugbildung möglich. Diesen Vierfachvorteil
sollte sich die Berliner Straßenbahn nicht
entgehen lassen. Der etwas größere Gesamtpreis
gegenüber längeren Wagen in kleinerer
Stückzahl kann bei der von der BVG benötigten
Menge auch durch einen Rabatt gedrückt
werden. Außerdem kann der Verkehrsbetrieb
sich mit seinen großen Werkstatterfahrungen
eventuell selbst in den Bau einbringen?
Typische Einsatzfelder
Anmerkung: Weil die BVG das künftige Metrotram-Netz
noch nicht veröffentlicht hat, werden
nachfolgend die heute gültigen Liniennummern
und -wege zugrundegelegt.
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Auf dem Straßenbahn-Betriebshof Marzahn warten im Frühjahr 1998 nichtmodernisierte Tatra-Straßenbahnen auf neue Eigentümer Foto: Marc Heller |
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Die kurzen Wagen sind optimal für nur mäßig
ausgelastete Linien in den Randbereichen
Berlins im Solo-Einsatz (Linien 21, 61, 63, 68).
Im Abendverkehr sind viele weitere Linien gut
für diese Betriebsform geeignet. Ein wesentliches
Merkmal der Berliner Straßenbahn ist
die vielfache Beschränkung auf die Zubringerfunktion
zu S- und U-Bahn mit geringen Verkehrsströmen.
Während Städte wie Dresden
oder Karlsruhe mit der Tram als Rückgrat des
Verkehrs abends lediglich das Angebot von
5 bis 7,5 auf 15 bis 20 Minuten-Takt pro Linie
ausdünnen, ist bei vielen Linien in Berlin
schon tagsüber nur ein 20 Minuten-Takt üblich,
die Untergrenze der Akzeptanz.
Hier können die kleinen
Wagen ihre Vorteile gut
ausfahren.
In Doppeltraktion können
sie neben den 40 Meter-Wagen
das Rückgrat des Verkehrs
auf den gut nachgefragten
Verbindungen bilden
(Linien 2, 4, 5, 6, 8, 23, 27,
50). Hier liegt auch das Potenztial
für die Flügelzugbildung
im Abendverkehr; warum
soll in Berlin scheitern,
was in Hannover gut funktionierende
Praxis ist? Die Linienpaare
2/4 und 5/15 sind
beispielhaft zu nennen. Die
genauen Einsatzmöglichkeiten
verschieben sich bis zur Auslieferung sicher,
auch die Erfahrungen der BVG mit dem
Konzept „2005plus" kann man noch nicht abschätzen.
Auf der Linie 20 können die neuen Wagen
bei einer Verkehrszunahme durch die Verlängerung
zum Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof im
Heck-an-Heck-Betrieb als große ZR-Züge die
gesteigerte Nachfrage abdecken. Ebenso bei
Baustellenverkehren auf anderen starken Linien
(3, 4, 5, 6 und 8). Wenn wie geplant (zunächst
am Frankfurter Tor) einige Haltestellen
mit Mittelbahnsteigen für linksseitigen Ausstieg
umgebaut werden, ist auch für diese Linien
ein Einsatz unseres Konzeptfahrzeugs
nötig, zuerst also auf Linie 21 - hier sehen wir
schon einen Doppelnutzen dieser Bauart. Allerdings
sollten sich die kostenbewussten Rechner
bei der BVG nochmal genau anschauen,
wie teuer eine solche Haltestellenform in einem
sonst reinen ER-Betrieb langfristig sein
kann; auch die Linie 20 soll in ferner Zukunft
bei Verlängerung zum Hermannplatz zu einer
„einrichtungstauglichen Linie" werden, und
es ist für die Fahrgäste nicht hinnehmbar,
wenn wie am Frankfurter Tor die einzige Umsteigestelle
zweier Linien nicht von beiden
gleich gut bedient werden kann!
Wenn die Nachfrage stark steigt, können
mit Dreifachtraktionen von 60 Meter Länge
auch die größten Fahrgastströme bewältigt
werden. Dann wäre eine Nachbestellung des
gleichen Typs nötig.
Es bleibt zu hoffen, dass diese Wagen dazu
beitragen, den von der BVG eingeschlagenen
Weg eines flexiblen, dadurch preiswerten
Straßenbahn-Betriebes zu unterstützen und
die Straßenbahn so erfolgreich zu machen,
dass durch Streckenverlängerungen die hier
geschätzten Fahrzeugzahlen in Zukunft nicht
mehr ausreichen werden. IGEB Stadtverkehr
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