Der öffentliche Nahverkehr (ÖV) mit
Bussen und Bahnen in Deutschland hat eine
lange Tradition und ist ein wichtiger
Bestandteil unserer Alltagskultur. Die Urbanität
deutscher Großstädte ist unmittelbar
verknüpft mit attraktiven und leistungsfähigen
ÖV-Systemen; der ÖV ist insbesondere
in den großen Verdichtungsräumen,
aber auch in vielen Mittelstädten mit
erfolgreichen Stadtbussystemen
ein unverzichtbarer Wirtschafts- und Standortfaktor.
Allein der öffentliche Verkehr (ÖV) ist in der
Lage, effizient, sozial verträglich und ökologisch
mit attraktiven Fahrzeiten die Mobilität in
den Städten sicherzustellen. Im Gegensatz zum
Kfz-Verkehr benötigt er keine Flächen für Parkplätze
in bebauten Gebieten, in bezug auf die
beförderte Fahrgastanzahl verbraucht er weniger
Ressourcen und belastet die Umwelt mit
weniger Emissionen.
Aufgrund der desolaten Finanzsituation der
öffentlichen Haushalte ist aber auch der öffentliche
Nahverkehr-ins Blickfeld der Sparkommissare
geraten.
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Mehr Effizienz und auch Transparenz fordert SRL für die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs. Foto: DBV-Archiv |
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Öffentlicher Nahverkehr ist nicht kostendekkend
durchzuführen. Die im Zuge der steigenden
Haushaltsdefizite vieler Länder, Kreise und
Kommunen sowie in Vorbereitung auf die Vergabe
von Verkehrsleistungen im Rahmen EU-weiter
Ausschreibungen in den vergangenen Jahren
in vielen ÖV-Unternehmen erfolgreich durchgeführten
Restrukturierungsmaßnahmen konnten
einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung des
Kostendeckungsgrades im ÖV leisten.
Trotz der deutlich angestiegenen Kostendekkung
konnten die historisch gewachsenen Defizite
bei den kommunalen Verkehrsbetrieben
bislang natürlich nicht vollständig neutralisiert
werden. Infolge der sich zuspitzenden Haushaltsentwicklung
von Städten und Gemeinden
entwickelt sich der ÖV somit zusehends zu einem
ungelösten Problem für alle Beteiligten.
Vor diesem Hintergrund hat die Fachtagung
der SRL am 11 ./12. März 2004 in Freiburg im
Breisgau die aktuelle Struktur der ÖV-Finanzierung
durch Bund, Länder und Gemeinden sowie
auch alternative Ansätze, auch aus anderen europäischen
Staaten, hierzu erörtert und hinsichtlich
ihrer politischen Durchsetzungsfähigkeit diskutiert
und daraus Forderungen für die Zukunft
abgeleitet:
12 Forderungen des Forums Mensch und
Verkehr für eine zukunftsfähige
Finanzierung des Öffentlichen
Nahverkehrs ÖV-Finanzierung sichern
und effizienter gestalten
Sicherstellung der Bundesförderung
Die Bundesregierung beabsichtigt bis 2006 eine
Absenkung der ÖV-Finanzmittel in Höhe von 1,3
Milliarden Euro. Der aktuelle Einnahmeausfall
infolge der verzögerten Einführung der Lkw-
Maut führt auch zu Verzögerungen im Ausbau
von Strecken des Schienenpersonennahverkehrs
(SPNV).
Wir fordern: Das durch die existierenden
Förderinstrumente bereitgestellte Finanzvolumen
des ÖV ist zu erhalten. Parallel dazu ist der
Weg hin zu einem System der ÖV-Finanzierung
mit mehr Transparenz und mehr Effizienz durch
Neuorganisation der gesamten ÖV-Finanzierung
zu beschreiten.
Finanzierung nach Wegfall
des Querverbunds
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Zurückgehende Schülerzahlen bedeuten im ländlichen Raum immer auch eine Einschränkung des Nahverkehrs. Foto: DBV-Archiv |
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Mit der Marktzugangsverordnung der EU tritt
die Liberalisierung in eine entscheidende Phase;
die bisher übliche Finanzierung von Investitionen
und der Ausgleich von Betriebskostendefiziten
über den steuerfreien Querverbund in den
kommunalen Versorgungsbetrieben ist künftig
nicht mehr zulässig. Soweit kommunale Energieversorgungszweige
im Zuge der Haushaltssanierung
in den vergangenen Jahren bereits vollständig
oder anteilig veräußert wurden, ist dieser
Zustand bereits eingetreten.
Wir fordern: Sicherstellung der Landesförderungen,
insbesondere der Ausgleichszahlungen
für den Schülerverkehr und der Fahrzeug förderung
nach GVFG - unter Beachtung der Rahmenbedingungen
des Wettbewerbs - sowie
Bereitstellung von Haushaltsmitteln zum Ausgleich
der Deckungsfehlbeträge.
Anreize in der ÖV-Förderung
zur Steigerung der Effizienz
Bislang oientiert sich die Förderung des öffentlichen
Nahverkehrs zu wenig an den Effekten
der Maßnahmen. Die Finanzierung von ÖV-Investitionsvorhaben
werden nicht an den Erfolg
der Förderung, sondern an den nach dem Gesetz
geltenden Fördertatbeständen ausgerichtet.
Wir fordern: Die Effizienz des Einsatzes der
Fördermittel ist daher durch Anreizsysteme zu
verbessern. Mögliche Kriterien sind hier Fahrgastzahlen,
Fahrgastzahlen ohne Zwangskunden
(Schülerverkehr), erzielte Verkehrsleistung
in Personenkilometer (Pkm), Fahrkartenumsatz
(ohne Surrogate), Veränderung des Verkehrsmittelwahlverhaltens
zugunsten des Öffentlichen
Nahverkehrs.
Rahmenbedingungen der
Förderung für Straßen- und
Stadtbahnstrecken anpassen
Die Förderung nach den Kriterien des
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes
(GVFG) führt
beim Bau von Straßen- und Stadtbahnstrecken
infolge der Forderung des Bundes in bezug auf
den besonderen Bahnkörper oft zu städtebaulich
unverträglichen Lösungen. Die für die Reisegeschwindigkeit
entscheidendere Bevorzugung
an Lichtsignalanlagen hingegen wird nicht zum
Kriterium der Förderung der Gesamtmaßnahme
erhoben.
Wir fordern: Die Förderung von Straßen- und
Stadtbahnstrecken soll sich nicht auf bloße bauliche
Maßnahmen reduzieren, sondern auch den
städtebaulichen Rahmen beachten und sich auf
die in der Simulation und infolge von Erfahrungen
darstellbare Verbesserung des Stadtraums
und der Verkehrsqualität im ÖPNV beziehen.
Finanzflüsse
in der ÖV-Finanzierung bündeln
Die Finanzierungsquellen des ÖV sind historisch
gewachsen, vielfältig, ineffizient und nicht
transparent.
Wir fordern: Bündelung der ÖV-Finanzierung
über die Aufgabenträger als alleinige Zuwendungsempfänger.
Lokale Verantwortung stärken -
Modelle zur Umlagefinanzierung
des öffentlichen Verkehrs prüfen
Die heutige Verwendung von Fördermitteln ist
in aufwendige Verwaltungsverfahren eingebunden.
Durch Stärkung der Verantwortung der Region
kann dies verändert werden. Hierbei sind
beispielhaft die in anderen EU-Staaten erfolgreich
praktizierten Lösungen des beitragsfinanzierten
Nulltarifs in Mittelstädten (Hasselt/Belgien)
oder einer an der Anzahl der Einwohner,
der Beschäftigten oder der Höhe der Lohnsumme
orientierten lokalen ÖV-Abgabe (versement
transport in Frankreich) einer fundierten Überprüfung
hinsichtlich deren technischer und
rechtlicher Machbarkeit zu unterziehen.
Wir fordern: Die Finanzverantwortung für
Investitionsvorhaben im ÖVistzu dezentralisieren
und auf die ÖV-Aufgabenträger zu übertragen.
So kann dem Einsatz von Fördermitteln
ohne Beachtung der Folgekosten entgegengewirkt
werden. Vorhandene und neue Modelle
zur Umlagefinanzierung des ÖV sind zu prüfen.
Verkehre im ländlichen Raum
neu ordnen
Die zunehmende Mittelreduzierung beim Schülerverkehr
(Ausgleichszahlungen nach § 45a
Personenbeförderungsgesetz) wird insbesondere
den ÖV im ländlichen Raum (Schülerverkehrsanteil
im Regelfall rund 75 Prozent aller
Verkehre) zusehends in Frage stellen.
Wir fordern: Zur Wahrung der Mobilität mit
dem ÖV im ländlichen Raum sind neue Modelle
einer langfristigen und von Schülerzahlen unabhängiger
Finanzierung in Kombination mit alternativen
Angebotskonzepten abseits des klassischen
Linienverkehrs zu entwickeln und anzuwenden.
Wettbewerb im öffentlichen
Nahverkehr konsequent umsetzen
Erhöhung der Effizienz -
Wettbewerb im ÖPNV
ÖPNV ist nicht kostendeckend durchzuführen.
Dennoch kann der Mitteleinsatz ohne Absenkung
der Angebotsqualität optimiert werden.
Wie die Erfahrungen im SPNV seit einigen Jahren
zeigen, kann durch die Vergabe von Verkehrsleistungen
im Wettbewerb sowohl die Effizienz
des Mitteleinsatzes als auch die Angebotsqualität
deutlich erhöht werden. Die gegenwärtige
Haushaltslage der öffentlichen Hand
fordert hier ein zügiges Handeln; die den Wettbewerb
fordernden EU-Verordnungen sind seit
Jahren bekannt.
Wir fordern: Die Vergabe von Verkehrsleistungen
im Wettbewerb für den ÖPNV ist zügig
umzusetzen.
Konsequente Trennung in
Besteller- und Erstellerprinzip
Der Besitz von Verkehrsunternehmen ist keine
Aufgabe der Daseinsvorsorge für Aufgabenträger
im ÖPNV bzw. im SPNV, wohl aber die Sicherstellung
einer standortgerechten Mobilität
durch öffentliche Verkehrsmittel. Das Abwarten
der politisch Verantwortlichen auf die Entscheidungen
durch die Gerichte stellt keine Lösung
dar; wir erwarten eine aktive Politik zur Sicherung
des ÖPNV.
Wir fordern: Eine Trennung zwischen dem
Aufgabenträger als Besteller von ÖPNV-Leistungen
und dem Ersteller von ÖPNV-Leistungen ist
umzusetzen. Hier ist ein eindeutiger Rahmen
für den Handlungs- und Entscheidungsspielraum
der ÖPNV-Aufgabenträger zur Gestaltung
des Wettbewerbs, analog der Regelungen im
SPNV durch die ÖPNV-Gesetze der Länder, durch
Bund, Länder und Gemeinden zu entwickeln
und festzulegen.
Neuer Ordnungsrahmen für die
Verkehrs- und Raumplanung
Gesetzlicher Rahmen einer
ressourcenschonenden Verkehrsund
Raumplanung
Planerische und langfristig sinnvolle Perspektiven
finden unter den Rahmenbedingungen
knapper Kassen zugunsten von Maßnahmen mit
dem Ziel einer kurzfristigen Haushaltssanierung
immer weniger an Beachtung. Die ungelösten
Probleme im Klimaschutz und die ungebremste
Verkehrsentwicklung dagegen erfordern weiterhin
ein Umdenken über das Tagesgeschäft hinaus.
Wir fordern:
Entwicklung und Einführung eines Bundesgesetzes
zur Aufstellung von verbindlichen Plänen
auf regionaler, überkommunaler Ebene für die
Raum- und Verkehrsplanung mit dem Ziel der
Förderung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes
(Fußverkehr, Radverkehr, Öffentlicher
Nah- und Fernverkehr).
Finanzielle Anreize zur Unterstützung
ressourcenschonender
Verkehrsentwicklung
Im Zuge der fortschreitenden Dezentralisierung
von Wohn-, Arbeits-, Einkaufs-, und Freizeitstandorten
entsteht immer mehr Verkehrsaufwand
bei stagnierender bzw. abnehmender Bevölkerung.
Die immer disperser werdenden Verkehrsströme
können mit der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur
langfristig nicht mehr bewältigt
werden.
Wir fordern: Integration von Verkehrs- und
Siedlungsentwicklung in Förderinstrumentarien,
Gesetzen und Verordnungen (zum Beispiel Förderung
der Ausweisung von Baugebieten im
Einzugsbereich von Haltepunkten des schienengebundenen
Nahverkehrs in Nordrhein-Westfalen).
Die Abschaffung bzw. Kürzung der Pendlerpauschale
wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich
begrüßt.
Verstärkung der Nutzerfinanzierung
auch für den Straßenbau
Im Koch-Steinbrück-Papier zum Subventionsabbau
werden die infolge der Bahnreform vom
Bund den Aufgabenträgern für den Schienenpersonennahverkehr
(SPNV) zur Verfügung gestellten
Regionalisierungsmittel als Subventionen
bezeichnet, während die behördeninterne Straßenbaufinanzierung
nicht als Bereich möglicher
Minderausgaben diskutiert wird. Fahrgäste des
ÖPNV zahlen schon lange „Beförderungsentgelte",
auch für den Pkw-Verkehr sollte eine solche
Nutzerfinanzierung eingeführt werden.
Wir fordern: Eine zusätzliche Nutzerfinanzierung
in Form einer Maut im Bereich der Straßenbenutzung
für Pkw auf allen Straßennetzen
ist vertieft zu prüfen.
SRL im Internet www.srl.de Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL)
Fachgruppe Forum Mensch und Verkehr
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