Überregional

Intercity 79 - mehr Attraktivität im hochwertigen Fernverkehr

Vor 25 Jahren wurde das Intercity-Angebot der Deutschen Bundesbahn, daß seit seiner Einführung zum Winterfahrplan 1971 nur die 1. Wagenklasse führte, um die 2. Klasse erweitert. Zusätzlich wurde auf den vier Linien der Einstundentakt eingeführt. Die Entscheidung für diese Angebotsstrategie im hochwertigen Fernverkehr war wegweisend; an dieser Stelle soll daher an die Entstehungsgeschichte erinnert werden.

Bedeutende Entwicklungen des hochwertigen Reisezugverkehrs zwischen den beiden Weltkriegen

Ein wichtiger Schritt zur Entwicklung des schnellen Reisezugverkehrs wurde am 1. Juli 1923 getan: Zu diesem Zeitpunkt führten die Reichseisenbahnen eine neue Zuggattung ein: die Fernschnellzüge, abgekürzt FD. Das Netz dieser Züge wurde in den folgenden Jahren erheblich ausgebaut. Ab Mai 1928 führte die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft z.B. in der Relation Amsterdam—Köln—Mannheim—Basel den bekannten Fernschnellzug „Rheingold" ein, der neben einem Speise- und einem Gepäckwagen nur aus Reisezugwagen der 1. und 2. Klasse bestand. Die Zielgruppe waren Geschäftsreisende und wohlhabende Urlaubsreisende zwischen den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz.

IC-Zug
Hamburg-Altona, April 1981 - Das IC-System „Jede Stunde-jede Klasse” führte zu einer erfreulichen Belebung der Nachfrage. Foto: Christian Schultz

Ab 15. Mai 1933 verkehrte der erste zweiteilige dieselelektrische Schnelltriebwagen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h in nur 2:18 h ohne Zwischenhalt zwischen dem Lehrter Bahnhof in Berlin und Hamburg Hbf bzw. zurück. Er wurde deshalb „Fliegender Hamburger" genannt. Dies war der Einstieg in ein System schnellfahrender Züge mitTriebwagen (Fernschnelltriebwagen - FDt). Es entstanden schnelle Verbindungen zwischen Berlin und den wichtigsten Städten des Deutschen Reiches. So fuhren in den Folgejahren derartige Schnelltriebwagen u.a. von und nach Köln, Frankfurt am Main, Basel, Stuttgart, München und Beuthen über Breslau. Daneben wurden aber auch Verbindungen aufgebaut, die Berlin nicht berührten, wie zum Beispiel zwischen Stuttgart, München und Berchtesgaden. Als Folge der politischen Verhältnisse endeten mit dem 22. August 1939 alle FDt-Fahrten. Daher wurde auch die für das Jahr 1940 geplante Verbindung von/nach Königsberg nicht mehr realisiert.

Einführung der Trans-Europ-Express-Züge (TEE)

Mit Beginn des Sommerfahrplans am 2. Juni 1957 verkehrten im internationalen Verkehr in Westeuropa erstmalig zehn TEE-Zugpaare und setzten damit ganz neue Qualitätsmaßstäbe. Eingesetzt wurden für dieses Angebot anfangs hochwertige, klimatisierte Dieseltriebwagen, die ausschließlich die 1. Wagenklasse führten. Zielgruppe waren vorwiegend Geschäftsreisende, denen eine komfortable Alternative zum Flugzeug geboten werden sollte. Mit der fortschreitenden Elektrifizierung der Bahnstrecken kamen auch lokbespannte Züge zum Einsatz. In Deutschland gehörten die TEE „Rheingold", „Rheinpfeil" und „Blauer Enzian" zu den ersten Zügen mit dem neuen Wagenmaterial. Mit der weiteren Expansion des TEE-Netzes entstanden immer mehr nationale TEE-Relationen; das Angebot hatte sich damit im Vergleich zu dessen Einführung grundsätzlich gewandelt.

Entstehung des Intercity-Netzes

Ende der 60er Jahre plante die Deutsche Bundesbahn ein Netz komfortabler und zugleich schneller, liniengebundener, ausschließlich mit klimatisierten Reisezugwagen der 1. Klasse ausgestatteter Züge aufzubauen. Die Höchstgeschwindigkeit sollte möglichst 160 km/h erreichen, angestrebt waren seinerzeit bereits 200 km/h. Neben den Wagen wurden elektrische Schnellfahrloks der Baureihe 103 beschafft. Zum Winterfahrplan 1971 begann der Planbetrieb des Systems IC 71. Die Züge verkehrten im Zweistundentakt auf vier Linien, die an mehreren Korrespondenzbahnhöfen gegenseitigen Anschluß boten.

IC '79 „Jede Stunde - jede Klasse"

Im Jahr 1975 war eine Stagnation bei den Zuwachsraten zu erkennen, so daß der anvisierte und langfristig geplante weitere Ausbau des Netzes mit weiteren Linien und einer Verdichtung des Taktes gefährdet war. Da die Züge der Linie 4 München—Bremen leider von Anfang an die in sie gesetzten wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllten und man mit den Triebwagen der Baureihe 403/404 ohnehin nicht alle Umläufe abdekken konnte, entschloß sich die Deutsche Bundesbahn, die lokbespannten Züge dieser Linie zum Fahrplanwechsel am 30. Mai 1976 zu IC-Zügen mit beiden Wagenklassen umzuwandeln. Als Großversuch bzw. Vorstufe für das System IC '79 führte die DB dann am 28. Mai 1978 auf der Strecke Köln—Hamburg der Linie 1 einen Einstundentakt mit beiden Wagenklassen ein.

Am 27. Mai 1979 startete das System „Intercity 79". Dieses Datum brachte gravierende Änderungen des gesamten Fahrplangefüges im Fernverkehr. Auf den vier Linien des IC-Stammnetzes verkehrten die Züge im Einstundentakt mit beiden Wagenklassen:

  • Linie 1

    Hamburg—Köln—Mannheim—München
  • Linie 2

    Hannover—Wuppertal—Frankfurt am Main—Würzburg—München
  • Linie 3

    Hamburg—Hannover—Frankfurt am Main—Basel
  • Linie 4

    Bremen—Hannover—Würzburg—Nürnberg—München

Es galt grundsätzlich die Blockzugbildung in folgender Form: Wagen 1. Klasse - Speisewagen-Wagen 2. Klasse. Diese Form der Zugbildung hat sich bewährt und kommt auch im heutigen IC- bzw. ICE-Verkehr unverändert zur Anwendung.

Mit IC '79 ist der Deutschen Bundesbahn bezüglich des Angebots ein großer Wurf gelungen, europaweithatsie mit diesem System zweifellos eine Pionierleistung erbracht. Nach der Einführung dieses Zugangebots war eine deutliche Nachfragesteigerung im Schienenpersonenfernverkehr festzustellen, die auch eine merkliche Einnahmesteigerung brachte. 1979 wurden im Bereich der DB etwa 14 500 Streckenkilometer von Fernreisezügen befahren, von denen nur ca. 3 100 km das Netz der vier IC-Linien bildeten; insgesamt verkehrten hier 152 IC-Züge. Allerdings kam in diesen rund 21 % des Fernreisezugnetzes 74 % der tatsächlichen Nachfrage auf. Der Erfolg von IC '79 bewies die Richtigkeit der Annahme, daß ein größeres Marktpotential zum überwiegenden Teil nur durch Reisende der 2. Klasse zu erreichen ist. Dies gilt erst recht bei einem Vergleich zu der derzeitigen Wettbewerbssituation, wo u.a. Billigflieger bezüglich der Tarife neue Maßstäbe setzen - allerdings unter politisch geduldeten wenig fairen Rahmendingungen.

Die noch als TEE firmierenden Züge wurden nach und nach in IC-Züge umgewandelt oder eingestellt.

IC '79 hatte allerdings auch Schattenseiten. Besonders heftige Kritik gab es für die in der 2. Klasse eingesetzten nichtklimatisierten Wagen der Gattung Bm 234/235 und an den teilweise - aus Mangel an echten Speisewagen - eingesetzten „Quic-Pick"-Wagen, die mit Plastikgeschirr und Mikrowellenfertigkost für unerfreuliche Schlagzeilen sorgten.

Erstmals 1978, schwerpunktmäßig dann ab 1980 erfolgte mit der Indienststellung von nunmehr klimatisierten Großraumwagen der 2. Klasse (Gattung Bpmz 291-293), abgesehen vom Einsatz moderner Fahrzeuge, auch eine Entschärfung des Wagenmangels. Mit Einführung dieser Wagen wurde es durch die Sitzplatzanordnung 2 + 2 in der 2. Klasse allerdings auch spürbar enger.

Deutliche Attraktivitätssteigerungen ab 1985

IC-Zug
Durch kürzere Reisezeiten könnten viele IC-Verbindungen -auch diese nach Stralsund- attraktiver und damit besser ausgelastet sein. Foto: Christian Schultz

Das zum Fahrplanwechsel am 2. Juni 1985 eingeführte neue Konzept „Intercity '85" brachte eine weitere Verbesserung der Reisequalität. Es wurden bedeutend mehr umsteigefreie Direktverbindungen angeboten als bislang. In Mannheim entfiel seit diesem Zeitpunkt durch Inbetriebnahme der Neubaustrecke „Westliche Einführung der Riedbahn" für alle Züge von und nach Frankfurt am Main der Fahrtrichtungs- bzw. Lokwechsel. Auf nunmehr sechs IC-Linien verkehrten täglich 219 Intercity-Züge. Durch die Summierung von Einzelmaßnahmen konnte die Reisegeschwindigkeit aller IC-Züge von rund 100 km/h auf 108 km/h angehoben werden.

Ab 1988 erfolgte mit Inbetriebnahme klimatisierter 2.-Klasse-Wagen mit Großraum- und Abteileinrichtung vom Typ Bvmz 185 eine deutliche Komfortsteigerung in der 2. Klasse.

Das Intercity-Angebot heute: Viel Verbesserungspotential bezüglich der Qualität

Seit Einführung des ICE-Verkehrs sind nach und nach - in Abhängigkeit von der Auslieferung der Zugeinheiten - viele IC-Linien entsprechend umgestellt worden. Auf den verbliebenen Linien wird derzeit vom Einstundentakt in vielen Fällen abgewichen, durch Umwandlung ehemaliger InterRegio-Züge (IR) zu InterCity-Zügen, Einreihung von ehemaligem IR-Wagenmaterial bzw. Ersatz von Speisewagen durch IR-Bistrowagen hat es zumindest teilweise bezüglich des Komforts leider unerfreuliche Qualitätseinbußen gegeben.

Um den Intercity als Qualitätsprodukt zu erhalten bzw. wieder deutlich aufzuwerten, kommt neben dem konsequenten Ersatz des mittlerweile recht ungepflegt wirkenden IR-Wagenmaterials speziell der Infrastruktur hohe Bedeutung zu. Die Verbindung Berlin—Stralsund sei an dieser Stelle stellvertretend genannt, sie ist aber leider kein Einzelfall: Die IC der Linie 51 benötigen für die 252 km lange Strecke ab Berlin Ostbahnhof derzeit 2:48 h; die Reisegeschwindigkeit beträgt damit gerade einmal 90 km/h. Für den Straßenverkehr als wichtigstem Konkurrenten der Bahn ergeben sich dagegen mit der Autobahn A 11 bzw. der (erwartungsgemäß) zügig fortschreitenden Fertigstellung der Autobahn A 20 neue, zunehmend attraktivere Fahrzeiten an die Ostsee.

Wann wird in dieser Relation wohl die für 160 km/h ausgebaute Schienenstrecke zur Verfügung stehen, damit auch dem Bahnkunden eine deutlich attraktivere und schnellere Intercity-Verbindung als derzeit angeboten werden kann? Die seinerzeit realisierten kürzeren Fahrzeiten waren schließlich auch ein entscheidender Grund für den Erfolg von „Intercity 79"!

IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 6/2004 (Dezember 2004/Januar 2005), Seite 4-5

 

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