Bedeutende Entwicklungen des
hochwertigen Reisezugverkehrs
zwischen den beiden Weltkriegen
Ein wichtiger Schritt zur Entwicklung des
schnellen Reisezugverkehrs wurde am 1. Juli
1923 getan: Zu diesem Zeitpunkt führten die
Reichseisenbahnen eine neue Zuggattung
ein: die Fernschnellzüge, abgekürzt FD. Das
Netz dieser Züge wurde in den folgenden
Jahren erheblich ausgebaut. Ab Mai 1928
führte die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft
z.B. in der Relation Amsterdam—Köln—Mannheim—Basel den bekannten
Fernschnellzug „Rheingold" ein, der neben
einem Speise- und einem Gepäckwagen
nur aus Reisezugwagen der 1. und 2. Klasse
bestand. Die Zielgruppe waren Geschäftsreisende
und wohlhabende Urlaubsreisende
zwischen den Niederlanden, Deutschland
und der Schweiz.
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Hamburg-Altona, April 1981 - Das IC-System „Jede Stunde-jede Klasse” führte zu einer erfreulichen Belebung der Nachfrage. Foto: Christian Schultz |
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Ab 15. Mai 1933 verkehrte der erste zweiteilige
dieselelektrische Schnelltriebwagen
mit einer Höchstgeschwindigkeit von
160 km/h in nur 2:18 h ohne Zwischenhalt
zwischen dem Lehrter Bahnhof in Berlin und
Hamburg Hbf bzw. zurück. Er wurde deshalb
„Fliegender Hamburger" genannt. Dies war
der Einstieg in ein System schnellfahrender
Züge mitTriebwagen (Fernschnelltriebwagen - FDt).
Es entstanden schnelle Verbindungen
zwischen Berlin und den wichtigsten Städten
des Deutschen Reiches. So fuhren in den
Folgejahren derartige Schnelltriebwagen
u.a. von und nach Köln, Frankfurt am Main,
Basel, Stuttgart, München und Beuthen über
Breslau. Daneben wurden aber auch Verbindungen
aufgebaut, die Berlin nicht berührten,
wie zum Beispiel zwischen Stuttgart,
München und Berchtesgaden. Als Folge der
politischen Verhältnisse endeten mit dem
22. August 1939 alle FDt-Fahrten. Daher
wurde auch die für das Jahr 1940 geplante
Verbindung von/nach Königsberg nicht mehr
realisiert.
Einführung der Trans-Europ-Express-Züge (TEE)
Mit Beginn des Sommerfahrplans am 2. Juni
1957 verkehrten im internationalen Verkehr
in Westeuropa erstmalig zehn TEE-Zugpaare
und setzten damit ganz neue Qualitätsmaßstäbe.
Eingesetzt wurden für dieses Angebot
anfangs hochwertige, klimatisierte Dieseltriebwagen,
die ausschließlich die 1. Wagenklasse
führten. Zielgruppe waren vorwiegend
Geschäftsreisende, denen eine komfortable
Alternative zum Flugzeug geboten werden
sollte. Mit der fortschreitenden Elektrifizierung
der Bahnstrecken kamen auch lokbespannte
Züge zum Einsatz. In Deutschland
gehörten die TEE „Rheingold", „Rheinpfeil"
und „Blauer Enzian" zu den ersten Zügen mit
dem neuen Wagenmaterial. Mit der weiteren
Expansion des TEE-Netzes entstanden immer
mehr nationale TEE-Relationen; das Angebot
hatte sich damit im Vergleich zu dessen Einführung
grundsätzlich gewandelt.
Entstehung des Intercity-Netzes
Ende der 60er Jahre plante die Deutsche
Bundesbahn ein Netz komfortabler und
zugleich schneller, liniengebundener, ausschließlich
mit klimatisierten Reisezugwagen
der 1. Klasse ausgestatteter Züge aufzubauen.
Die Höchstgeschwindigkeit sollte
möglichst 160 km/h erreichen, angestrebt
waren seinerzeit bereits 200 km/h. Neben
den Wagen wurden elektrische Schnellfahrloks
der Baureihe 103 beschafft. Zum Winterfahrplan
1971 begann der Planbetrieb des
Systems IC 71. Die Züge verkehrten im Zweistundentakt
auf vier Linien, die an mehreren
Korrespondenzbahnhöfen gegenseitigen
Anschluß boten.
IC '79 „Jede Stunde - jede Klasse"
Im Jahr 1975 war eine Stagnation bei den
Zuwachsraten zu erkennen, so daß der anvisierte
und langfristig geplante weitere
Ausbau des Netzes mit weiteren Linien und
einer Verdichtung des Taktes gefährdet war.
Da die Züge der Linie 4 München—Bremen
leider von Anfang an die in sie gesetzten
wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllten
und man mit den Triebwagen der Baureihe
403/404 ohnehin nicht alle Umläufe abdekken
konnte, entschloß sich die Deutsche
Bundesbahn, die lokbespannten Züge dieser
Linie zum Fahrplanwechsel am 30. Mai 1976
zu IC-Zügen mit beiden Wagenklassen umzuwandeln.
Als Großversuch bzw. Vorstufe
für das System IC '79 führte die DB dann am
28. Mai 1978 auf der Strecke Köln—Hamburg
der Linie 1 einen Einstundentakt mit
beiden Wagenklassen ein.
Am 27. Mai 1979 startete das System „Intercity
79". Dieses Datum brachte gravierende
Änderungen des gesamten Fahrplangefüges
im Fernverkehr. Auf den vier Linien
des IC-Stammnetzes verkehrten die Züge im
Einstundentakt mit beiden Wagenklassen:
Linie 1
Hamburg—Köln—Mannheim—München
Linie 2
Hannover—Wuppertal—Frankfurt am
Main—Würzburg—München
Linie 3
Hamburg—Hannover—Frankfurt am
Main—Basel
Linie 4
Bremen—Hannover—Würzburg—Nürnberg—München
Es galt grundsätzlich die Blockzugbildung
in folgender Form: Wagen 1. Klasse - Speisewagen-Wagen 2. Klasse. Diese Form der
Zugbildung hat sich bewährt und kommt
auch im heutigen IC- bzw. ICE-Verkehr unverändert
zur Anwendung.
Mit IC '79 ist der Deutschen Bundesbahn
bezüglich des Angebots ein großer Wurf gelungen,
europaweithatsie mit diesem System
zweifellos eine Pionierleistung erbracht. Nach
der Einführung dieses Zugangebots war eine
deutliche Nachfragesteigerung im Schienenpersonenfernverkehr
festzustellen, die auch eine merkliche Einnahmesteigerung brachte.
1979 wurden im Bereich der DB etwa 14 500 Streckenkilometer von Fernreisezügen befahren,
von denen nur ca. 3 100 km das Netz der vier IC-Linien bildeten; insgesamt verkehrten
hier 152 IC-Züge. Allerdings kam in diesen rund 21 % des Fernreisezugnetzes
74 % der tatsächlichen Nachfrage auf. Der Erfolg von IC '79 bewies die Richtigkeit der
Annahme, daß ein größeres Marktpotential zum überwiegenden Teil nur durch Reisende
der 2. Klasse zu erreichen ist. Dies gilt erst recht bei einem Vergleich zu der derzeitigen
Wettbewerbssituation, wo u.a. Billigflieger bezüglich der Tarife neue Maßstäbe setzen
- allerdings unter politisch geduldeten wenig fairen Rahmendingungen.
Die noch als TEE firmierenden Züge wurden
nach und nach in IC-Züge umgewandelt
oder eingestellt.
IC '79 hatte allerdings auch Schattenseiten.
Besonders heftige Kritik gab es für die
in der 2. Klasse eingesetzten nichtklimatisierten
Wagen der Gattung Bm 234/235 und
an den teilweise - aus Mangel an echten
Speisewagen - eingesetzten „Quic-Pick"-Wagen,
die mit Plastikgeschirr und Mikrowellenfertigkost
für unerfreuliche Schlagzeilen
sorgten.
Erstmals 1978, schwerpunktmäßig dann
ab 1980 erfolgte mit der Indienststellung
von nunmehr klimatisierten Großraumwagen
der 2. Klasse (Gattung Bpmz 291-293),
abgesehen vom Einsatz moderner Fahrzeuge,
auch eine Entschärfung des Wagenmangels.
Mit Einführung dieser Wagen wurde es
durch die Sitzplatzanordnung 2 + 2 in der
2. Klasse allerdings auch spürbar enger.
Deutliche Attraktivitätssteigerungen
ab 1985
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Durch kürzere Reisezeiten könnten viele IC-Verbindungen -auch diese nach Stralsund- attraktiver und damit besser ausgelastet sein. Foto: Christian Schultz |
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Das zum Fahrplanwechsel am 2. Juni 1985
eingeführte neue Konzept „Intercity '85"
brachte eine weitere Verbesserung der
Reisequalität. Es wurden bedeutend mehr
umsteigefreie Direktverbindungen angeboten
als bislang. In Mannheim entfiel seit
diesem Zeitpunkt durch Inbetriebnahme
der Neubaustrecke „Westliche Einführung
der Riedbahn" für alle Züge von und nach
Frankfurt am Main der Fahrtrichtungs- bzw.
Lokwechsel. Auf nunmehr sechs IC-Linien
verkehrten täglich 219 Intercity-Züge.
Durch die Summierung von Einzelmaßnahmen
konnte die Reisegeschwindigkeit aller
IC-Züge von rund 100 km/h auf 108 km/h
angehoben werden.
Ab 1988 erfolgte mit Inbetriebnahme
klimatisierter 2.-Klasse-Wagen mit Großraum-
und Abteileinrichtung vom Typ Bvmz
185 eine deutliche Komfortsteigerung in der
2. Klasse.
Das Intercity-Angebot heute: Viel
Verbesserungspotential bezüglich
der Qualität
Seit Einführung des ICE-Verkehrs sind nach und
nach - in Abhängigkeit von der Auslieferung
der Zugeinheiten - viele IC-Linien entsprechend
umgestellt worden. Auf den verbliebenen
Linien wird derzeit vom Einstundentakt in
vielen Fällen abgewichen, durch Umwandlung
ehemaliger InterRegio-Züge (IR) zu InterCity-Zügen,
Einreihung von ehemaligem IR-Wagenmaterial
bzw. Ersatz von Speisewagen durch
IR-Bistrowagen hat es zumindest teilweise
bezüglich des Komforts leider unerfreuliche
Qualitätseinbußen gegeben.
Um den Intercity als Qualitätsprodukt zu
erhalten bzw. wieder deutlich aufzuwerten,
kommt neben dem konsequenten Ersatz des
mittlerweile recht ungepflegt wirkenden
IR-Wagenmaterials speziell der Infrastruktur
hohe Bedeutung zu. Die Verbindung
Berlin—Stralsund sei an dieser Stelle stellvertretend
genannt, sie ist aber leider kein
Einzelfall: Die IC der Linie 51 benötigen für
die 252 km lange Strecke ab Berlin Ostbahnhof
derzeit 2:48 h; die Reisegeschwindigkeit
beträgt damit gerade einmal 90 km/h. Für
den Straßenverkehr als wichtigstem Konkurrenten
der Bahn ergeben sich dagegen mit
der Autobahn A 11 bzw. der (erwartungsgemäß)
zügig fortschreitenden Fertigstellung
der Autobahn A 20 neue, zunehmend attraktivere
Fahrzeiten an die Ostsee.
Wann wird in dieser Relation wohl die
für 160 km/h ausgebaute Schienenstrecke
zur Verfügung stehen, damit auch dem
Bahnkunden eine deutlich attraktivere und
schnellere Intercity-Verbindung als derzeit
angeboten werden kann? Die seinerzeit realisierten
kürzeren Fahrzeiten waren schließlich
auch ein entscheidender Grund für den
Erfolg von „Intercity 79"! IGEB Fernverkehr
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