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Die BVG verweist dann stolz auf die Stationen
Viktoria-Luise-Platz und Schillingstraße,
Innsbrucker Platz und Britz-Süd, welche sie
derart „nachgerüstet" hat, seit es im Sommer
2000 an der Deutschen Oper brannte
und der entflammte Wagen ausgerechnet
in Nähe der einzigen Treppe nach draußen
zum Stehen kam. Die Planungen für weitere
Ausgänge seien im Gang, heißt es schließlich
noch, und die BVG freut sich und die Medien
freuen sich, haben sie doch ihren Auftrag
mal wieder erfüllt.
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Ausgebrannter Wagen der Baureihe 480 in Anhalter Bahnhof. Foto: Berliner Feuerwehr |
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Leider nicht so ganz, denn die Zahl von elf
oder gar nur zehn aus- bzw. umzubauenden
Stationen, welche seit über vier Jahren immer
wieder nachgeplappert wird, ist zwar griffig
und nicht allzu hoch. Doch dummerweise
falsch. Bahnsteige mit nur einem Ausgang
fanden sich im Sommer 2000 auf den Stationen
Bismarckstraße, Britz-Süd, Deutsche
Oper, Ernst-Reuter-Platz, Innsbrucker Platz,
Jungfernheide, Konstanzer Straße, Leopoldplatz,
Lindauer Allee, Nollendorfplatz, Paradestraße,
Rathaus Schöneberg, Rudow,
Schillingstraße, Seestraße, Sophie-Charlotte-Platz,
Theodor-Heuss-Platz, Uhlandstraße,
Viktoria-Luise-Platz und Zitadelle. Zwanzig
Stück, von denen seither nicht einmal ein
Drittel „nachgerüstet" worden ist.
Sollte dies, möglicherweise in der nächsten
Dekade, bei allen geschehen sein, werden
Verkehrsbetriebe und sämtliche Journalisten,
die immer so schön kritisch nachgefragt und
nachgehakt und auf zusätzliche Ausgänge
gedrungen haben, sich zufrieden auf die
Schulter klopfen - und dann wird es hoffentlich
nicht beispielsweise am Adenauerplatz
brennen. Denn wer wollte, konnte schon
vor vier Jahren von der Feuerwehr bestätigt
bekommen, was sich jeder halbwegs aufgeweckte
Geist auch so ausrechnen kann: Da
bei einem Brand - zumal im Tunnel - die
größte Gefahr nicht von dem eigentlichen
Feuer als vielmehr von dabei entstehenden
Rauchgasen ausgeht, sind fast genauso problematisch
wie U-Bahnsteige mit nur einem
Fluchtweg solche, von denen alle Treppen
in ein gemeinsames Zwischengeschoß führen.
Zumal manche von diesen in den letzten
Jahren nach der Maßgabe umgebaut wurden,
möglichst viel vermarktbare Fläche zu
gewinnen - was der Übersichtlichkeit nicht
unbedingt genutzt hat.
„Natürlich haben Sie das Problem mit dem
Rauchabzug auch in diesen Fällen", erklärte
damals der Pressesprecher der Berliner Feuerwehr - derweil die BVG den Umbau dieser
Stationen als „nicht vordringlich" bezeichnete.
Klar, denn das sind noch einmal fast
zwanzig Stück: Adenauerplatz, Birkenstraße,
Jakob-Kaiser-Platz, Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik,
Kleistpark, Kottbusser Tor, Lichtenberg,
Möckernbrücke, Moritzplatz, Nauener
Platz, Osloer Straße, Pankstraße, Paulsternstraße,
Rathaus Steglitz, Siemensdamm
und Vinetastraße, außerdem der S-Bahnhof
Oranienburger Straße. Und ob Fahrgäste im
Notfall wissen, wie sie vom Perron der U 7
am Fehrbelliner Platz am schnellsten und
sichersten ins Freie gelangen? Oder gar an
der Berliner Straße, einem fast nur zum Umsteigen
genutzten Bahnhof, dessen Ausgänge
folglich eher unscheinbar und unbekannt
sind und wo von den Hallen der U 9 bloß
schmale Stiegen nach draußen führen?
Schließlich gibt es noch jene Stationen,
bei denen alle Treppen in einen einzigen
Eingangspavillon münden: Halemweg, Lipschitzallee,
Südstern, Wutzkyallee, Zwickauer
Damm.
Verständlicherweise redet die BVG über
Sicherheitsprobleme nicht allzu gern - obwohl
es natürlich auch früher Brände in der
Berliner U-Bahn gegeben hat. In Stationen,
die bis in die Seventies hinein ungleich
schlechter beleuchtet waren als heute. Doch
erst jetzt, nach rund hundert Jahren, scheint
das Problem besonders akut geworden zu
sein. Oder liegt das nur an Medien, die immer
sensationslüsterner werden, dafür aber
immer weniger willens oder fähig, den Dingen
auf den Grund zu gehen?
Jedenfalls sorgte sich niemand um Fluchtwege,
als die einstmals profitable BVG in
den fünfziger Jahren angesichts wachsender
Motorisierung und steigender Lohnkosten
immer tiefer in die roten Zahlen rutschte und
deshalb viele Zugänge frühmorgens, abends,
teils auch das gesamte Wochenende über
geschlossen wurden - damals existierten
ja noch jene Sperren, die in moderner Form
immer mal wieder Auferstehung feiern sollen,
und jeder Eingang war mit mindestens
einem BVG-Mitarbeiter besetzt. Manche Verbindung
mit dem Untergrund beseitigte man
damals auch ganz, so verlor um 1960 der unterirdische
Teil des Bahnhofs Kottbusser Tor
seine direkten Zugänge, die Station Uhlandstraße
ihren Ostausgang, und am Südstern
verschwanden die Treppen an den Bahnsteigenden,
da sie mit ihrer Lage auf dem Mittelstreifen
als Verkehrshindernis galten.
Apropos beseitigen: Bei dem viel gelobten
Umbau des U-Bahnhofs Lichtenberg wurde
gerade ein gesonderter Ausgang beseitigt.
Ebenso finden sich in der Liste der Stationen
mit unzureichenden Fluchtwegen auch einige
neuere wie Konstanzer Straße (eröffnet
1978), Zitadelle (1984) oder Lindauer Allee
(1994) - bei ihnen rechnete man nur mit
einem geringen Verkehrsaufkommen und
wollte daher Kosten für den Bau wie für den
späteren Unterhalt sparen.
Finanzielle Gründe dürften auch ein wesentlicher
Grund sein, wenn die BVG die Liste
der „nachzurüstenden" Stationen möglichst
kurz hält. Anders als am Sophie-Charlotte- oder
Theodor-Heuss-Platz würde ein weiterer
Zugang am Adenauerplatz oder an der
Bismarckstraße auch nicht den Einzugsbereich
des Halts vergrößern. Der zusätzliche
Ausgang würde nur gebaut für den Fall der
Fälle. Und selbst dann wäre ein eklatantes
Problem noch immer nicht gelöst: Wie macht
man den Fahrgästen in einer möglicherweise
verqualmten Bahnsteighalle klar, welches
die wirklich rettende Treppe ist? Also nicht
jene, die ins vermutlich auch schon verqualmte
Zwischengeschoß führt, wo sie sich
endgültig verlaufen könnten?
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Bei 16 Berliner U-Bahnhöfen und beim S-Bahnhof Oranienburger Straße führen alle Treppen in nur ein Zwischengeschoss. Deshalb soll dieser S-Bahnhof 2005 einen zusätzlichen Ausgang erhalten. Von der BVG sind solche Pläne bisher leider nicht bekannt. Foto: Marc Heller |
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Bei genauerer Berechnung kam man vor
vier Jahren auf rund vierzig umzubauende
Stationen allein bei der U-Bahn - fast ein
Viertel des Bestandes. Der neue Ausgang
am Nollendorfplatz in Richtung Else-Lasker-Schüler-Straße hat nach BVG-Angaben 3,3
Millionen Euro gekostet. Und dabei ist noch
nicht einmal der unterste Bahnsteig mitversorgt
worden, künftig als Ausgangspunkt der
neuen U 3 - also Umsteigebahnhof für die
meisten Fahrgäste von Kreuzberg Richtung
Krumme Lanke - sicher stärker frequentiert.
Von ihm aus gelangt man nach wie vor nur
auf den darüber liegenden Perron. Es sei
denn, man benutzt den Aufzug - im Brandfall
eine der sichersten Todesfallen.
Man könnte übrigens auch mal fragen, warum
schon Jahre vor ihrer Ausmusterung die
alten S-Bahn-Fahrzeuge aus Brandschutzgründen
von der Tunnelstrecke verbannt
wurden, man aber die offenkundig recht
schnell entflammbare Baureihe 480 munter
weiter über die Nord-Süd-Bahn fahren läßt.
Und was ist eigentlich mit der Verbindung
mehrerer oder gar aller Wagen zu einem
großen Fahrgastraum, wie sie bei den Verkehrsunternehmen
als letzter Schrei gilt? Sicher,
vor einem Feuer könnten die Fahrgäste
dort in einen entfernter gelegenen Teil des
Zuges fliehen. Aber würde sich der Rauch
nicht schnell in einem gesamten „H"-Zug der
U-Bahn ausbreiten, derweil bei voneinander
getrennten Fahrzeugen nur die Passagiere in
einem Wagen betroffen wären?
Statt über all solche Probleme zu reden,
fordert die „kritische" Presse lieber mal eben
Sprinkleranlagen in den Zügen - ohne sich
lange mit Gedanken über deren Sinn und Unsinn
aufzuhalten. Man hofberichterstattet,
wie die BVG relativ unwichtige zweite Ausgänge
wie am Viktoria-Luise-Platz eröffnet
- wo sowieso nur Kürzestzüge fahren und
eine ganz im Freien liegende Treppe direkt
vom Bahnsteig auf die Straße führt. Oder
man schreibt gleich aus den Pressemitteilungen
ab, in denen man in Sachen Brandsicherheit
noch manch anderes lesen kann, das
erstaunt: So erfuhr man Silvester 2003, wie
durch das seit einem Jahr mit Bußgeldern
durchgesetzte Rauchverbot bei der U-Bahn
die Brandgefahr enorm verringert worden
sei („Sicherheitshinweis: Rauchen verboten"
flimmert es folglich auch immer wieder über
die ansonsten nicht allzu auskunftsfreudigen
Anzeigetafeln auf den Stationen).
Klar: Früher waren bei allen ÖPNV-Fahrzeugen
die Wagenkästen, später mindestens
noch deren Verkleidungen aus Holz, einschließlich
der Haltestangen. Dazu kamen
Plüschsitze, teilweise Vorhänge, Gepäcknetze
- jede Menge brennbares Material.
Angesichts der zahlreichen Raucherabteile
sind dann ja auch jährlich Hunderte Berliner
in Bussen und Bahnen verbrannt, Dutzende
Fahrzeuge von Rauchern, ihren Glimmstengeln
und erst recht den Streichhölzern, mit
denen sie diese entzündeten, abgefackelt
worden. Ganz zu schweigen von den zahlreichen
Brandkatastrophen auf den Stationen.
Zumal der dort über ein Jahrhundert lang gebräuchliche
Asphaltbelag im wahrsten Sinne
des Wortes brandgefährlich ist - jedenfalls
nach Meinung der BVG, seitdem die finanziell
chronisch klamme Anstalt glaubt, ihn
durch teure Natursteinplättchen ersetzen zu
müssen. Wofür offenkundig mehr Geld vorhanden
ist als für neue Ausgänge. Zur Not
kann man dann ja Reklameplakate auf den
guten Granitboden kleben. Bei den Medien
wird schon niemand auf die richtigen Fragen
und Forderungen verfallen. Jan Gympel
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