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Bagdad- und Hedjazbahn

Bagdadbahn - viele Vorstellungen verbinden sich damit: Geschichten aus 1 000 und einer Nacht, deutsche Ingenieurkunst in der Wüste, Weltmachtstreben des Deutschen Kaiserreiches. Wer mehr darüber wissen will, die politischen, wirtschaftlichen und eisenbahntechnischen Hintergründe erfahren und zugleich in die Welt des Orients eintauchen möchte, dem sei die Ausstellung „Bagdad- und Hedjazbahn” unbedingt empfohlen. Noch bis zum 8. Januar ist sie im Pergamonmuseum auf der Museumsinsel zu sehen.

Ende des 19. Jahrhunderts vollzog das Deutsche Reich unter seinem vergleichsweise jungen Kaiser Wilhelm II. eine außenpolitische Neubestimmung. Für das Reich wurde „ein Platz an der Sonne" beansprucht, Deutschland suchte wirtschaftlich und politisch nach Weltgeltung. Ausbau der Handels- und Kriegsflotte, Erwerb von Kolonien, Suche nach Bündnis- und Handelspartnern standen auf der Tagesordnung. Das Osmanische Reich, das damals die Türkei und den gesamten vorderen Orient umfaßte, geriet ins Blickfeld deutscher Politik. Die Sultane suchten nach Wegen, ihr labiles Vielvölkerreich zusammenzuhalten und zu entwickeln. Deutschland interessierte sich für Absatzmärkte deutscher Produkte, Handelswege und schon für das Öl. Das Ziel der osmanischen Regierung, durch zwei Eisenbahnstrecken das große Land besser zu erschließen und notfalls auch militärisch gegen den sich regenden arabischen Nationalismus besser im Griff zu halten, fand bei der deutschen Eisenbahnindustrie, deutschen Banken und der Regierung wohlwollendes Interesse. So konnte deutsche Gründlichkeit demonstriert und Geld verdient werden.

Dampflok in der Wüste
Station (Typenbau) auf der Hedjazbahn, fotografiert um 2000. Foto: Archiv DB-Museum

Den rivalisierenden Mächten Großbritannien und Rußland, die ihre kolonialen und wirtschaftlichen Interessen im Nahen Osten gefährdet sahen und eher an einer Schwächung des Osmanischen Reichs interessiert waren, gefiel diese Entwicklung dagegen überhaupt nicht. Der Bau der Bagdadbahn aus der inneren Türkei Richtung Bagdad und der Hedjazbahn über das heutige Syrien und Jordanien bis nach Medina wurde so ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Ersten Weltkrieg. Viele der damaligen politischen und wirtschaftlichen Hintergründe erscheinen erschreckend aktuell.

Die Bahnstrecken selbst, durch Wüsten und Gebirge unter schwierigsten Bedingungen vorangetrieben, verlangten das Äußerste von Arbeitern und Material. Die Ingenieure standen vor großen Herausforderungen in einem Teil der Erde, wo es zu wenig Wasser und keine Industrie für die Herstellung von Schienen und Brücken gab.

Die vom DB Museum Nürnberg gestaltete Ausstellung zeigt in so umfangreicher wie anschaulicher Form die Hintergründe des Baues, die technischen Lösungen und das Schicksal, das die Bahnen nahmen. Nicht nur der Eisenbahnfreund kommt auf seine Kosten. Das ethnologische und archäologische Umfeld des Bahnbaues - arabische Lebenskultur und antike Ausgrabungsfunde - werden ebenso anschaulich demonstriert wie Lokomotivmodelle, Fotos vom Bau oder Pläne der Bahnhöfe. Auch der britische Offizier T. E. Lawrence, der im Ersten Weltkrieg die Hedjazbahn angriff und die Araber zum Aufstand gegen die türkische Vorherrschaft aufwiegelte, wird nicht vergessen.

Kurz: So wie diese Ausstellung sollte jede Präsentation zur Bahngeschichte sein: Technik, Betrieb und gesellschaftliche Hintergründe miteinander verbindend.

Udo Dittfurth, Berliner S-Bahn-Museum

aus SIGNAL 6/2004 (Dezember 2004/Januar 2005), Seite 26

 

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