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Ein Buch, das sich mit nur acht S-Bahnwagen
befaßt? Das ist Absicht: Es handelt von
einem Zug, der als erster neu entwickelter
S-Bahnzug der Nachkriegszeit für Aufsehen
sorgte. Mit ihm wollte die Berliner S-Bahn
den Neuanfang wagen, doch alsbald zeigten
sich arge Mängel. Sein Spitzname läßt die
unerwarteten Überraschungen anklingen.
Zunächst aber herrschte allgemeine Verblüffung,
als der Zug im Jahr 1959 vor der Staatsoper
Unter den Linden in Szene gesetzt wurde.
Mit dem Blauen Wunder präsentierte die
DDR etwas Neues, das in frischer blauer Farbe
einen Bruch mit der Tradition signalisierte.
Der Ehrgeiz, mit dem man sich Mitte der
fünfziger Jahre in der DDR daran gemacht
hatte, sich der Konkurrenz des Westens zu
stellen, läßt sich auch bei der Entwicklung
des Blauen Wunders ausmachen. Doch als
der Zug 1959 auf den Schienen stand, drohte
die Niederlage im Wettlauf mit dem westlichen
Wirtschaftssystem. Erfolgsmeldungen
zählten mehr als die tatsächlichen Erfolge,
und nur wenigen war gegenwärtig, daß die
technischen Vorgaben für diesen neuen Zug
samt und sonders voller Gegensätze waren.
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Durchblick auf 70 Meter Halbzuglänge Foto: dem Buch entnommen |
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Praktisch sollte in dem einen Fertigungsmuster
gleich dreierlei vereint werden: die
völlig neuartigen Konstruktionsvorgaben
von Verkehrsministerium und Reichsbahn, die
betrieblichen Wünsche der S-Bahnverwaltung
und die tatsächlichen Möglichkeiten der
Hersteller, auch eine neue Stromschienenspannung
von 1500 Volt war gewünscht.
Bei alledem waren Produktionskapazitäten
und Zeit knapp, so daß der Zug schließlich in
vielem nicht befriedigen konnte. Statt neuer
Technik griff man auf Altbewährtes und
sogar auf Westimporte
zurück. Erst im Probebetrieb sollte sich nach
und nach zeigen, was alles zu ändern und
noch zu entwickeln war.
Als die Pläne für Serienfahrzeuge reiften,
kam plötzlich alles anders: Der 13. August
1961 änderte die Gegebenheiten, und man
beschloß, für alle künftigen Schnellbahnwagen
- Drei- oder Vier-Wagen-Züge? Mit
oder ohne Jakobsdrehgestelle? - völlig neue
Konzepte zu entwickeln. Damit rückte die
Serienfertigung neuer S-Bahnzüge in weite
Ferne. Auf Umbauten und aufwendige
Nachrüstungen am Blauen Wunder wurde
verzichtet, und alle Wagen blieben für lange
Zeit abgestellt.
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Im März 1959 präsentierte die DDR-Industrie den Zug auf der Leipziger Messe Foto: dem Buch entnommen |
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Diesen und anderen Zeitumständen der
Jahre 1956 bis 1974 wird der Autor Mario
Walinowski in dem Buch gerecht. Manches
war zu ergründen, vieles mit Originaldokumenten
oder mit den Aussagen von Zeitzeugen
genau zu begründen. Um die charakteristischen
Zusammenhänge der Entstehung
und die Verwendung des Blauen Wunders
ausführlich herauszuarbeiten, sind die Projektierung,
die Montage, die Erprobung des
Zuges und seine ab 1961 gänzlich veränderten
Existenzbedingungen in den Hauptkapiteln
getrennt behandelt. Die Unterkapitel
fassen Schwerpunkte der Betrachtungen
zusammen, Ergänzendes wird in Zusatztexten
erläutert. Das Buch zeigt den Weg der
DDR-Schienenfahrzeugindustrie vom Blauen
Wunder bis zu den Planungen für standardisierte
Stadtschnellbahnen, die später für
Heluan/Ägypten, Budapest, als Wechslstrom-S-Bahnbaureihe
280 für die DDR-Bezirkshauptstädte
gebaut wurden. Auch die
Baureihe 270 beruht darauf.
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Rahmenfertigung im VEB Waggonbau Ammendorf. Foto: dem Buch entnommen |
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Oliver Wilking lieferte detaillierte Modellbaubogen.
Sie machen es jedem möglich,
den Zug, der einmalig war, in Form und Farbe
nachzuempfinden und wieder entstehen
zu lassen. Die Bastei-Sets sind beim Verlag
auch separat erhältlich und gestatten nun
sogar die späte Ehrenrettung: Das Blaue
Wunder - der Zug, der nie in Serie ging
- kann im Maßstab 1:87 in großer Stückzahl
gebaut werden!
Züge der Berliner S-Bahn. Das „Blaue
Wunder". Ca. 240 Seiten mit ca. 280 s/w- und
Farbabbildungen, inkl. Modellbaubogen
HO (1:87) für acht S-Bahnwagen.
24,80 Euro
Bitte beachten Sie zu diesem Thema
den Veranstaltungshinweis auf Seite 2
dieses Heftes. Verlag GVE, Historische S-Bahn e.V.
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