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Am 12. Oktober 2013 wurden nicht nur die Wilmersdorfer U-Bahn, die Dahlemer Schnellbahn (heute U 3) und der Bahnhof Uhlandstraße, sondern auch der erweiterte U-Bahnhof Wittenbergplatz mit seiner markanten Empfangshalle 100 Jahre alt. Die IGEB gratuliert mit dem Titelthema. Foto: Florian Müller |
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„Schöne Bahnhöfe!“ – Fotografiert man in Berlin U-Bahn-Architektur,
wird man dabei ungewöhnlich häufifig (und stets zustimmend) von
Fahrgästen angesprochen, wenn man es auf den Stationen der U 3 tut.
Die Anlagen der Wilmersdorfer U-Bahn und der anschließenden
Dahlemer Schnellbahn gelten als Schmuckstücke. Das war nicht
immer so. Am 12. Oktober 2013 wurden sie, zusammen mit der jetzt
zur U 1 gehörenden Strecke zur Uhlandstraße
und dem U-Bahnhof Wittenbergplatz in seiner heutigen Form, hundert Jahre alt.
Eigentlich stimmt das Datum nicht: Am 12.
Oktober 1913 wurde die 8,5 Kilometer lange
Wilmersdorf-Dahlemer Strecke vom Wittenbergplatz
zum Thielplatz nicht eröffnet,
sondern auf ihr wurde nur – frühmorgens
zwischen fünf und sechs – der öffentliche
Betrieb aufgenommen. Obwohl das an einem
Sonntag geschah, gab es keine Feier.
Die offizielle Einweihung hatte bereits am
9. Oktober stattgefunden – wie bei der allerersten
Berliner Hoch- und Untergrundbahnstrecke
1902 allein in Anwesenheit höherer
Herrschaften (ausschließlich Männer). Für
sie war in Dahlem eine provisorische Festhalle
errichtet worden, in welcher ein luxuriöses
Festmahl eingenommen wurde. Das
gemeine Volk, mit dessen Steuergeldern die
U-Bahn zum größten Teil bezahlt worden
war, war bestenfalls als staunender Zaungast
zugelassen. Da tobte sich noch einmal
die Klassengesellschaft des Kaiserreiches
aus, die krasse soziale Unterschiede schamlos
zeigte.
In Wilmersdorf, so will es heute scheinen,
war dies besonders passend. Nicht nur war
die Stadt, die wie ihre Nachbarn keinesfalls
nach Berlin eingemeindet werden wollte,
sich aber seit 1912 offiziell „Berlin-Wilmersdorf“
nannte, eher konservativ geprägt.
Rückwärts gewandtes Denken schlug sich
auch in der Architektur der dortigen U-Bahn
nieder.
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Foto: Foto: Jan Gympel |
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In Berlin und seinen damaligen Vororten
waren unterirdische Bahnsteighallen bis
dahin relativ schlicht und funktional gestaltet
worden, ähnlich wie in London oder
Paris. Zwar hatte der Zeitgeist um 1900 erst
allmählich begonnen, sich vom seit Jahrzehnten
grassierenden Hang zu lösen, alles
mit Ornamenten zu überladen. Aber Tunnelstationen
wurden gemeinhin off enkundig
nicht als Teil des Stadtbildes betrachtet,
weshalb sie architektonisch weitgehend
als technische Anlagen behandelt werden
durften – ohne Pomp und Schnörkel, ausgekleidet
gern mit heller, pfl egeleichter Keramik.
Größerer Aufwand wurde allenfalls auf
die Schalterhallen verwendet sowie auf die
oberirdischen Zugänge.
So war es in Berlin gewesen, ebenso wie
in Charlottenburg – als reichste Stadt mal
Preußens, mal ganz Deutschlands gehandelt
–, das zu seiner Schnellbahn gekommen
war, weil eine Verbindung zwischen ihm
und Berlin den privaten Bauherrn und Betreibern
der Hoch- und Untergrundbahn als
besonders lukrativ erschien. Und so war es
in Schöneberg, das 1910 die erste deutsche
U-Bahn in öffentlichem Besitz eröffnet hatte.
Charlottenburg wünscht einen Umweg
Seit zirka 1890, als die dem Gründerkrach
von 1873 folgende Weltwirtschaftskrise
endlich überwunden war, erlebte der Berliner
Ballungsraum ein enormes Wachstum.
So expandierte Schöneberg von rund
29 000 Einwohnern im Jahr 1890 auf rund
173 000 anno 1910. Wilmersdorf zählte 1885
etwa 3000 Einwohner, 1910 waren es mehr
als 100 000.
Besserverdienende anzulocken, diente
dabei – anders als heute gern suggeriert
wird – nicht oder nicht nur dazu, sich die
sprichwörtlichen goldenen Bürgersteige
leisten zu können. Vor allem war in Windeseile
die Infrastruktur für die plötzlich entstandene
Großstadt zu schaffen, und dies
in einer Zeit, als es noch nicht haufenweise
staatliche Subventionen und andere Fördertöpfe
gab (dafür aber ein Einkommensteuersystem,
bei dem auch die Kommunen von
den Abgaben ihrer Bürger profitierten).
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Kaiser Wilhelm II. persönlich soll gewünscht haben, dass in Dahlem-Dorf der U-Bahn-Eingang als Bauernhaus gestaltet wird. Davor entstand ein Platz, unter dem die U-Bahn verschwand, vis-à-vis wurde ihr Graben durch einen strohgedeckten Kiosk weitgehend kaschiert. Das Reetdach des Empfangsgebäudes krönt heute eine Blitzableiteranlage. Foto: Jan Gympel |
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Am Ende der Schorlemerallee und am Anfang der Einschnittstrecke steht das Empfangsgebäude der Station Podbielskiallee – Variation auf ein mittelalterliches Stadttor oder „eine Zwingburg als Bahnhof“, wie man 1913 spottete. Der Namenszug und das „U“ sind später an der Fassade angebracht worden. Foto: Jan Gympel |
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Besser sahen zeitgenössische Kritiker das hochmoderne Verkehrsmittel elektrische Schnellbahn durch das östliche Empfangsgebäude der Station Thielplatz repräsentiert: Es wurde offenkundig vom damals als wegweisend betrachteten Haus Freudenberg inspiriert, das nach Plänen von Hermann Muthesius 1907 bis 1908 in Nikolassee entstanden war. Foto: Jan Gympel |
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Wenn mit Charlottenburg und Schöneberg
die beiden größten direkten Nachbarn
und Konkurrenten ihre Schnellbahnverbindung
nach Berlin bekamen, konnte
Wilmersdorf – damals, als die Straßenbahn
noch langsam war und Autos eher technische
Spielzeuge darstellten – nicht zurückstehen.
Nicht von ungefähr bemühte sich
die Gemeinde bereits seit der Jahrhundertwende
um den Bau einer U-Bahn. Und nicht
von ungefähr bemühte sich insbesondere
Charlottenburg, diesen Bau zu verhindern
oder ihn wenigstens möglichst unattraktiv
zu gestalten, etwa durch einen Umweg über
die Leibnizstraße und den Kurfürstendamm,
also über viel Charlottenburger Gebiet.
Charlottenburger Gebiet musste durchquert
werden, wollte Wilmersdorf das attraktive
Angebot der Hochbahngesellschaft,
die alle bestehenden Strecken betrieb,
annehmen: Für seine „Entlastungsstrecke“
vom Gleisdreieck über Kurfürstenstraße
zum Wittenbergplatz musste das Privatunternehmen
im Westen neue Fahrgastpotenziale
erschließen. Es bot daher Wilmersdorf
an, eine Strecke bis an dessen Grenze zu errichten,
wenn die Stadt sich zum Weiterbau
verpflichtete. Und dann wollte auch noch
die Königliche Kommission zur Aufteilung
der Domäne Dahlem – heute hieße so etwas
„Entwicklungsgesellschaft“ – die Wilmersdorfer
Strecke nach Dahlem weiterführen,
wo seit 1901 eine Landhauskolonie entstand
und wissenschaftliche Institute angesiedelt
wurden. Vom preußischen Staat erhielt Wilmersdorf
schließlich ebenso einen dicken
Baukostenzuschuss wie von Terraingesellschaften.
Denn wie die 1908 eröffnete Westendlinie
oder die Schöneberger U-Bahn sollte auch
die Wilmersdorf-Dahlemer Strecke gerade
erst bebautes Gebiet (wie die noch allein auf
weiter Flur liegenden Anfänge des Rheingau-Viertels am Rüdesheimer Platz) oder noch zu
besiedelndes Areal erschließen. Nicht zufällig
befinden sich alle fünf damals errichteten
Wilmersdorfer Stationen an Plätzen.
Nicht schneller, aber schöner
Hatten die Nachbarstädte schon schneller
eine U-Bahn bekommen, so wollte Wilmersdorf
wenigstens etwas Besonderes bieten
und ordentlich protzen: Mit Granit, Muschelkalk
und Sandstein, Marmor, Mosaiken und
Majoliken, klobigen Stützen, kassettierten
Decken, aufwendigen Kunstschmiede- und
Bildhauerarbeiten, Reliefs und Friesen, Kassenhäuschen
aus Eichenholz und hier noch
einer Verzierung und dort noch etwas Stuck.
Die Zugangstreppen liegen ganz im Freien,
damit die prächtigen Tore gut zur Geltung
kommen und das Entree pompöser wirkt –
pfeif drauf, wenn die Fahrgäste deshalb
Wind und Wetter ausgesetzt sind.
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Der Einbau eines Aufzugs in die Station Breitenbachplatz erfolgte in angemessen wuchtiger Form. Bei der kürzlich durchgeführten Renovierung des U-Bahnhofs wurde – Denkmalschutz her, Denkmalschutz hin – der originale dunkle Bahnsteigbelag wie heutzutage üblich durch einen hellen ersetzt. Foto: Jan Gympel |
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Auch der U-Bahnhof Hohenzollernplatz wurde jüngst liebevoll restauriert. Hier die westliche Vorhalle. Das einstige Kassenhäuschen dient heute als Aufzugbetriebsraum. Foto: Jan Gympel |
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Wenngleich diese – in der Stadtverwaltung
entworfene – Stationsgestaltung Elemente
des ausklingenden Jugendstils oder
der Beginnenden Moderne aufweist, wenngleich
man bereits die eine oder andere leere
Fläche findet oder schlicht auf die glatte
Wand gesetzte kleine Schmuckreliefs – die
Gesamthaltung entspringt noch dem in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
vorherrschenden Historismus mit seiner zunehmend
wahl- und maßlosen Prunk- und
Dekorationssucht.
Die Bahnsteighallen am Hohenzollern- und
am Fehrbelliner Platz erinnern mit ihren
dunklen, erdfarbenen Verkleidungen an
die düsteren, vollgestopften Salons jener
Zeit. Es ist mustergültiger Historismus, eine
U-Bahn-Station wie am Heidelberger Platz
als Mischung aus Kathedrale und Ratskeller
zu gestalten. Am südlichen Zugang umrahmt
die runde Pergola bezeichnenderweise
nicht – wie ihr von Berlins bedeutendstem
U-Bahn-Architekten Alfred Grenander gestaltetes,
längst verschwundenes Vorbild an
der heutigen Station Mohrenstraße – passgenau
eine Treppe, sondern ist Dekoration
für eine rechteckige Öffnung. Am Rüdesheimer
und am Breitenbachplatz dürften die
Details der dunklen Schmuckelemente an
den Hintergleisfl ächen früher angesichts der
damaligen schwachen Beleuchtung kaum
zu erkennen gewesen sein.
Noch seltsamer wurde es auf der anschließenden,
im offenen Einschnitt liegenden
Dahlemer Strecke: Als Empfangsgebäude
an der Podbielskiallee eine Variation auf ein
zinnenbekröntes mittelalterliches Stadttor,
in Dahlem-Dorf ein norddeutsches Bauernhaus
mit Fachwerk und Reetdach. Immerhin
entstand am Thielplatz (übrigens, anders als
man heute oft hört, keine Phantasiebezeichnung,
denn auf historischen Stadtplänen
gibt es einen Thielplatz) ein Zugangsbau,
der offenkundig inspiriert wurde von Hermann
Muthesius’ als wegweisend erachtetem
Haus Freudenberg an der Rehwiese in
Nikolassee. Dächer und Aufbauten der Dahlemer
Bahnsteige wurden hingegen ganz
sachlich ausgeführt.
Eine Entgleisung (architektonisch)
Schon mancher Zeitgenosse fand seltsam,
was da südwestlich Berlins entstanden war.
So heißt es in der Abendausgabe des „Berliner
Tageblatts“ vom 8. Oktober 1913, der
Wilmersdorfer Stadtbaurat Müller „hat sich
nicht damit begnügt, den Schmuck aus der
technischen Anlage selbst herauszuentwickeln,
sondern er fing an, in die Bahnhöfe
hineinzubauen, jedem von ihnen einen besonderen
architektonischen Charakter erst
gewaltsam aufzuprägen. Statt der schlanken,
der geringen Höhe der Räume wohlanstehenden
Eisenstützen Grenanders nahm
der Wilmersdorfer Baumeister das ‚vornehmere’
Material der Granitsäulen. Er erreichte
dadurch aber nur, daß wir das Gefühl haben,
die Bahnhofdecke liege direkt auf unseren
Köpfen. (…) Dann hat ferner bei der Ausgestaltung
der Bahnhöfe der Name eine verhängnisvolle
Rolle gespielt. (…) der Heidelberger
Platz nun gar, wo die tiefe Lage des
Bahnhofs eine hohe Wölbung gestattet, ist
zu einem richtigen Weinkeller ausgestaltet.
Breite granitene Sockel tragen hochstrebende
Bogen, von denen die Laternen lustig
herniederschaukeln, das ganze sieht fast
wie ein Spott auf die Zwecke der Anlage aus.
Man vergleiche damit, wie auf dem Bahnhof
Inselbrücke [heute Märkisches Museum,
J.G.] die hohe Wölbung ausgenutzt ist.“ Das
Empfangsgebäude in Dahlem-Dorf nennt
der Autor „ein Architekturkuriosum“.
Bereits die „Bauwelt“ vom 22. Mai 1913
hatte sich über „die Zwingburg als Bahnhof“
in Gestalt der Station Podbielskiallee ereifert:
„Draußen in Dahlem hat sich die Untergrundbahn
ein Bahnhofsgebäude geleistet, das einen
Höhepunkt der Unzweckmäßigkeit darstellt.
(…) Solche Entgleisungen dürfen nicht
mehr passieren, wenn das moderne Berlin, in
dem sich gottlob jetzt endlich so viele echt
künstlerische Kräfte am Werke zeigen, nicht
der Lächerlichkeit anheimfallen soll.“
Welch Geist man in Wilmersdorf wehen
lassen wollte, hatte schon die Benennung
der neuen Prachtstraße nach den Hohenzollern
gezeigt sowie die des zum neuen
Stadtzentrum ausersehenen Platzes nach
der Schlacht bei Fehrbellin, welche als ein
Meilenstein beim Aufstieg Brandenburg-Preußens galt. Am Fehrbelliner wie am
Hohenzollernplatz wurden die Tore der
U-Bahnhöfe mit Kriegsgerät geschmückt.
Wenige Monate nach der Eröffnung der
Wilmersdorf-Dahlemer Strecke begann der
Erste Weltkrieg, mit dem auch und gerade
in Deutschland eine Gesellschaft unterging
und ganz neue Zeiten anbrachen. Danach
dürften diese Stationen vollends als letztes
Aufbäumen oder, freundlicher ausgedrückt,
als Abschiedsgruß eines Zeitalters erschienen
sein. Pomp und Dekorationslust, wie sie
hier vorgeführt worden waren, fanden denn
auch bei der Berliner U-Bahn über Jahrzehnte
hinweg keine Nachfolge. Einzige Ausnahme:
Die unter dem Namen Thälmannplatz
wiederaufgebaute heutige Haltestelle
Mohrenstraße, denn Anfang der fünfziger
Jahre wollte man in Ost-Berlin auch bei der
U-Bahnhof-Gestaltung von Moskau lernen.
Vom Ungetüm zum Vorbild
Im Westen hatte man schon kurz nach dem
Zweiten Weltkrieg keinen Sinn mehr für
Protz. Mit historischen Bauten wurde generell
rüde umgegangen, aber alles aus Kaisers
Zeiten galt als besonders geschmack- und
wertlos. So stößt denn der hohe Gang aus
der nördlichen Vorhalle am Heidelberger
Platz auf einen viel niedrigeren, der angefügt
wurde, als man neue Eingänge auf den
seitlichen Bürgersteigen schuf. Zwischenzeitlich
demontierte Bodenfl iesen wurden
ohne Rücksicht auf das Muster neu verlegt.
Deckenmosaiken verschwanden teilweise
unter neu hochgezogenen Mauern, die
hölzernen Fahrkartenschalter unter dicken
Farbschichten.
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Aggressive Viecher: Die Adler am westlichen Zugang zur Station Hohenzollernplatz wirken martialisch. Nach dem Zweiten Weltkrieg standen sie daher über sechzig Jahre lang am Ende der Brüstung und miteinander vertauscht, so dass sie einander ansahen statt den Eingang zu bewachen. Foto: Jan Gympel |
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Der Geschmack änderte sich und dementsprechend ging die BVG teils rüde mit den Wilmersdorfer U-Bahnhöfen um. Zum Beispiel zerstörten neu eingezogene Mauern, wie hier am Rüdesheimer Platz, teilweise Deckenmosaiken. Allerdings kam es, anders als bei vielen anderen Stationen, nicht zu großen Neugestaltungen. Diese waren offenbar auch nicht notwendig: Die verwendeten Materialien und deren Verarbeitung erwiesen sich als langlebig, weshalb die U-Bahnhöfe heute noch weitgehend aussehen wie bei ihrer Eröffnung vor hundert Jahren. Foto: Jan Gympel |
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Auch wurde eine Überbauung der 1929
von Thielplatz bis Krumme Lanke verlängerten
Dahlemer Strecke erörtert. Deren
„Deckelung“ war zwar von vornherein als
Möglichkeit vorgesehen, weshalb man die
Querungen nicht als Brücken, sondern als
Tunnelstücke ausführte. Dabei verleiht die
Führung im Einschnitt der Strecke einen besonderen
Charakter. Und vergleicht man sie
mit der Hellersdorfer, kann man erkennen,
wie eine gut in den zu besiedelnden Raum
eingebundene Schnellbahntrasse aussieht –
und wie im Falle der U 5 nach Hönow eine
schlecht integrierte.
Entlang der Station Thielplatz meinte
man, eine weitere Straße bauen zu müssen,
weshalb der Blick seither nicht mehr in den
Thielpark schweifen kann, sondern auf eine
blaue Spundwand stößt. Und bezüglich des
Inneren der Dahlemer Empfangsgebäude
bemerkte Sabine Bohle-Heintzenberg in
ihrem 1980 erschienenen Standardwerk
„Architektur der Berliner Hoch- und Untergrundbahn“,
sie seien „durch moderne Einund
Umbauten in ihrer ursprünglichen Wirkung
weitgehend zerstört“.
Dabei hatte sich der Zeitgeist im Laufe der
siebziger Jahre grundlegend zu wandeln begonnen:
Historische Bauten erfreuten sich
wachsender Wertschätzung. Die Wilmersdorf-Dahlemer Stationen, Einzelstücke und
bislang fast als bizarre Ungetüme betrachtet,
avancierten nun zu nostalgisch bewunderten
Zeugnissen einer vermeintlich besseren
Zeit. Zudem entsprachen sie der jetzt in
West-Berlin herrschenden Doktrin, der zufolge
sich die Gestaltung eines U-Bahnhofs
auf dessen Namen oder Umgebung beziehen
müsse.
In den achtziger Jahren wurde die gesamte
Strecke von Wittenbergplatz bis Krumme
Lanke unter Denkmalschutz gestellt – ein
in West-Berlin einmaliger Vorgang. Als am
Thielplatz ein zweiter Ausgang entstand,
wurde dieser als äußere Kopie des alten
Empfangsgebäudes ausgeführt. Und die
Station Hohenzollernplatz beglückte man
mit (bis heute vorhandenen) Nachbauten
von in der Zwischenkriegszeit auf den
S-Bahnhöfen verwendeten Bänken – Hauptsache,
irgendwie historisch!
Als Mitte der achtziger Jahre die Postmoderne
losbrach, verloren die Wilmersdorf-Dahlemer Stationen dann auch ihre Ausnahmestellung
im Berliner U-Bahn-Netz: Die
Stationen der U 7 in Spandau oder der U 8
in Reinickendorf konnten kaum bunt, verspielt,
verziert, protzig, disfunktional genug
gestaltet werden.
Grelle Gegensätze
In letzter Zeit wurden die meisten Bahnhöfe
von 1913 mit viel Aufwand und Liebe zum
Detail restauriert, wurde Störendes entfernt
– und neues Störendes eingebaut. So
sensibel man etwa die einst fast würfelförmigen
Leuchten in der Bahnsteighalle am
Heidelberger Platz durch Aufsätze ergänzte
– wie große Edelsteine wirken sie nun
nicht mehr. Weil es im Raum nun heller ist,
kommen sie zudem weniger stark zur Geltung.
Dabei findet sich am Heidelberger
Platz – ebenso wie am Fehrbelliner – immerhin
noch der ursprüngliche dunkle Bahnsteigbelag.
Aber nicht einmal in Wilmersdorf
kann oder will ihn die Denkmalpflege
gegen den Einbau eines neuen, viel helleren,
viel stärker gemusterten verteidigen, der natürlich
den Raumeindruck verändert.
Freilich stößt die Denkmalpflege bei diesen
Stationen generell an gewisse Grenzen.
So verfälscht die schöne Sitte, die früheren
Werbeflächen mit Gemälden oder Fotos zu
schmücken, das ursprüngliche Bild. Warcharakteristisch
für die Wilmersdorfer U-Bahnhöfe
doch gerade der fast schrille Kontrast
zwischen der „vornehmen“ Architektur und
den Zügen, den für sie notwendigen technischen
Einrichtungen und vor allem der auch
hier allgegenwärtigen Reklame. Immerhin
dies ist am Fehrbelliner Platz zu erleben –
noch. Wo alles mittlerweile gern gediegener
gemacht wird als es jemals war, muss man
fast schon dankbar sein für die Gedankenlosigkeit,
mit der man auch hier die Plastiktüten
aus den Mülleimern ragen lässt.
Wünscht man Werbung in solchen historischen
Räumen, stellt sich die Frage, ob diese
in einem besonderen Stil ausgeführt werden
sollte: Plakate von vor hundert Jahren wirken
heute dekorativ – und zwar womöglich
dekorativer als dereinst. Der Blick hat sich
eben genauso geändert wie der Geschmack.
So entbrannte um Grenanders Empfangsgebäude
auf dem Wittenbergplatz vor hundert
Jahren ein heftiger Streit. Die Gegner
sahen den Platz verschandelt. Und selbst
ein Freund der 1913 fertiggestellten Anlage
wie Preußens Minister der öff entlichen Arbeiten
Paul von Breitenbach bezeichnete sie
als „in harmonischen Formen geschaff enen
Nützlichkeitsbau“. Auch der – schon damals
abwertend gemeinte – Begriff „Zweckbau“
kursierte. Zum Inneren bemerkte die „Baugewerks-Zeitung“, Nr. 45/1913: „Die Farbgebung
überrascht allerdings ungünstig beim
Eintritt (…).“
Heute gilt der „Nützlichkeitsbau“ als beeindruckendes
Monument und Schmuckstück.
Nicht von ungefähr war dies 1980 das
erste Bauwerk der Berliner U-Bahn, welches
in West-Berlin unter Denkmalschutz gestellt
wurde. Darauf folgte der umfassende Versuch,
das ursprüngliche Erscheinungsbild
(samt der „ungünstigen Farbgebung“) zu
rekonstruieren – als wäre das Empfangsgebäude
nicht im Zweiten Weltkrieg schwer
beschädigt und danach vereinfacht wiederaufgebaut
worden. Die völlig neue Innengestaltung
mit weißen Glasplatten und abgehängten
Lichtdecken sah man um 1980 nur
als Notbehelf. Ebenso zeittypisch wurde nun
mühsam neu geschaffen, was in der BVG-Schrift
„50 Jahre Berliner U-Bahn“ 1952 noch
als „überladene Verzierungen“ bezeichnet
worden war.
Nur eine Frage der Zeit
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Außen Bauernhaus, innen bemalte Holzdecke und Flügelrad auf verschnörkeltem Leuchter: Die Schalterhalle im Empfangsgebäude der Station Dahlem-Dorf. Foto: Jan Gympel |
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Zwischen Putten wurden einst am Thielplatz die Fahrkarten verkauft. Die beiden Schalter in der mit vielen weiteren Verzierungen gestalteten Fliesenwand sind seit langem relativ simpel vermauert. Foto: Jan Gympel |
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Bitte recht pompös: Eines der Stationsschilder hinter den Gleisen am Fehrbelliner Platz, den die Stadtväter zum neuen Zentrum Wilmersdorfs machen wollten. Darunter erinnert ein Schmuckrelief an die Pferdebahn. Foto: Jan Gympel |
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Die zumindest von der Gleiszahl her größte
Bahnsteighalle der Berliner U-Bahn entstand,
weil am Wittenbergplatz sowohl die
Wilmersdorf-Dahlemer Strecke als auch die
von Charlottenburg gewünschte Kurfürstendamm-Strecke an die bestehende Trasse
angeschlossen wurden (übrigens ohne
dafür den U-Bahn-Verkehr zwischen Nollendorfplatz
und Zoo für anderthalb Jahre
zu unterbrechen – damals schaffte man so
etwas noch).
Charlottenburg, zu dem der Wittenbergplatz
seinerzeit gehörte, hatte im
„Schnellbahnkampf“ der westlichen Vororte
widerstrebend eingelenkt. Die Grenze
zu Wilmersdorf verlief durch die 1959 aufgegebene
Station Nürnberger Platz, und
den naheliegenden Irrtum, deshalb wäre
der nördliche, Charlottenburger Zugang
samt Portal im relativ schlichten damaligen
Einheitsstil der Hochbahngesellschaft und
aus Eisen gestaltet worden, der südliche,
Wilmersdorfer aber mit einigem Aufwand
und aus Stein, hat der Schreiber dieser Zeilen
in die Welt gesetzt (man findet diesen
Blödsinn immer noch bei Wikipedia). Fotos
zeigen hingegen: Der südliche Zugang war
schlicht, weil er auf einer Mittelinsel der
Spichernstraße lag, der nördliche pompöser,
weil er sich im Zentrum des Nürnberger
Platzes befand.
Die dortige, von Grenander gestaltete
Bahnsteighalle sah – allerdings mit Gelb
als Kennfarbe – aus wie jene der Station
Uhlandstraße, dem ursprünglich einzigen
Halt auf dem 1,5 Kilometer langen Abzweig
zum Ku’damm. Optimistisch hatte der „Berliner
Lokal-Anzeiger“ vom 13. Oktober 1913
erklärt: „Die Fortsetzung der Charlottenburger
Linie nach Halensee und Grunewald ist
nur eine Frage der Zeit.“ Immerhin ist dieser
„Vorratsbau“, im Gegensatz zu so vielen anderen
der Berliner U-Bahn, in Betrieb. Man
darf gespannt sein, ob die Kurfürstendamm-Strecke im Laufe der nächsten hundert Jahre
gebaut wird Jan Gympel
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