Titelthema Infrastruktur

Pläne für Straßenbahn von Weißensee nach Pankow

Auf dem ehemaligen Güterbahnhof Pankow soll ein neues Stadtquartier entstehen. Einkaufen, Wohnen, Lernen, Erholen auf etwa 40 Hektar. Viel Streit gab es um diese Pläne des Möbelhausbetreibers Kurt Krieger und um eine Straßenbahntrasse, die mit zu seinem Projekt „Pankower Tor“ gehört.

Mehrmals wurden die Pläne für die Bebauung des Areals geändert, bis man sich im Dezember 2013 einigte. Demnach entstehen auf dem Gelände nun Einkaufsflächen von bis zu 77 000 Quadratmetern, 1300 Arbeitsplätze, Wohnraum für 2000 Einwohner, 1000 Schulplätze und 250 Plätze in einem Kindergarten. Hier entsteht also ein ganzer Stadtteil.

Alter Lokschuppen, im Hintergrund einen Straßenbrücke
Noch aus den Zeiten des Rangierbahnhofs stammt der alte Lokschuppen. Er soll Aula einer neuen Oberschule werden. Rechts unter der Brücke am S-Bf Pankow-Heinersdorf ist viel Platz für eine Straßenbahntrasse mit großzügiger Haltestellenanlage. Foto: Andreas Wukonig

Ein Stadtteil ohne adäquate ÖPNV-Verkehrserschließung. Nur an den Rändern des 1,6 Kilometer langen Areals befinden sich Netzzugänge an den Bahnhöfen Pankow (S+U-Bahn, Straßenbahn) und Pankow-Heinersdorf (S-Bahn), der zweckbauartig unter einer Autobahnzubringer-Brücke liegt. Das Shoppingcenter soll sich genau in der Mitte des Areals befinden mit gleich weiten Fußwegen zu den S-Bahnhöfen und einem riesigen Parkplatz direkt vor der Tür.

Dabei ist das zu erwartende Verkehrsaufkommen enorm. Laut Verkehrs- und Lärmgutachten, welches der Senat im Sommer 2013 bei der VCDB (VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH) beauftragt hatte, sind rund 60 000 zusätzliche Wege je Werktag (ca. 40 000 Fahrten Individual- und Öffentlicher Verkehr) zu erwarten. Ohne zusätzliche ÖV-Erschließung ist bei der Verteilung auf die einzelnen Verkehrsträger ein hoher Autoanteil zu erwarten, auch bei Anpassungen der umliegenden Buslinien.

Brache
Auf dieser großen Brachfläche ist ein ganzer Stadtteil geplant, der einen Straßenbahnanschluss benötigt. Foto: Marc Heller

Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen), Pankower Bezirksstadtrat und Leiter der Abteilung Stadtentwicklung, hat daher eine betriebliche Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um die Möglichkeiten einer Straßenbahnerschließung zu untersuchen. Dabei wurden die Verknüpfungswirkungen der Krieger-Strecke, deren Baufi nanzierung der Investor angeboten hat, mit dem Bestandsnetz verglichen.

Untersucht wurde eine tangentiale Verbindung vom derzeitigen Endpunkt der Linien 12 und 27 am Weißenseer Pasedagplatz geradeaus über die Haltestelle Heinersdorf Kirche (M 2), weitergeführt in zwei Varianten entweder durch die Tiniusstraße und dann niveaugleich über die Prenzlauer Promenade oder über die Bestandsstrecke in die Idunastraße am Bahnhof Pankow-Heinersdorf vorbei unter die Brücke des Autobahnzubringers. Dahinter führen dann beide möglichen Trassen durch das Krieger-Gelände an der Granitzstraße zur Bestandsstrecke am S- und U-Bahnhof Pankow.

Jeweils zu den beiden Untervarianten untersuchte das Büro SPV Spreeplan Verkehr die beiden Fälle A und B:

Karte
Die Karte verdeutlicht die Netzwirkung der neuen tangentialen Verbindung von Pankow nach Weißensee. Die direkte Variante A2/B2 kann bis zu einer Minute schneller sein, muss aber die Prenzlauer Promenade niveaugleich queren. Die Variante über den S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf führt hingegen unter der Straßenbrücke hindurch und würde zudem einen neuen Schulstandort erschließen. Grafik: Holger Mertens

Mitfall A

Schaffung einer neuen tangentialen Straßenbahnverbindung von Rosenthal über S+U Pankow, Heinersdorf, Weißensee bis Falkenberg unter partieller Substitution vom Buslinien und geringen Anpassungen der Straßenbahn M 1 Untervariante A1: Lokale Linienführung über S Pankow-Heinersdorf und Idunastr. Untervariante A2: Lokale Linienführung über Tiniusstr.

Mitfall B

Verlängerung der Straßenbahnlinie 12 ab Pasedagplatz über Heinersdorf und S+U Pankow bis Pankow Rathaus unter Taktverdichtung auf 10-Minuten im Tagesverkehr und partieller Substitution vom Buslinien

Untervariante B1: Lokale Linienführung über S Pankow-Heinersdorf und Idunastr. Untervariante B2: Lokale Linienführung über Tiniusstr.

„Die Straßenbahnstrecke ist eine sinnvolle Netzverknüpfung auf einem sich entwickelnden Korridor. Das neue Quartier Pankower Tor und der Ortskern Heinersdorf erhalten eine leistungsstarke Anbindung und können vom Dauerstau des MIV entlastet werden.“

Roland Schröder, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in der BVV und Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und Grünanlagen

Dabei förderte die Untersuchung gewaltige Fahrgastpotenziale zutage, deren Mehraufwand zudem auch noch durch Einsparungen im Busnetz abgefedert werden kann. Im besten Fall wird von einem Plus von jährlich 750 000 Fahrgastfahrten ausgegangen, was auch bei den Fahrgeldeinnahmen nicht unbemerkt bleiben wird.

Die Planer kommen dabei zu folgenden Schlussfolgerungen:

Verkehr

Die angedachte Straßenbahnstrecke zwischen Pankow, Heinersdorf und Weißensee bildet eine sinnvolle Netzverknüpfung innerhalb eines künftig aufkommensstarken Korridors und ist geeignet, das Entwicklungsgebiet Güterbahnhof Pankow attraktiv zu erschließen.

Das Busangebot kann parallel zur Straßenbahn größtenteils entfallen, lediglich die Linie 250 erhält bei Führung über S Heinersdorf eine lokale Erweiterung. Die beiden lokalen Linienführungsvarianten im Bereich Heinersdorf erscheinen in der Gesamtnachfrage annähernd gleichwertig.

Mit über 10 000 Fahrgästen je Tag im Querschnitt und positiven Eff ekten auf anderen Abschnitten stellt Mitfall A2 die verkehrlich günstigste Variante dar.

Betrieb und Wirtschaftlichkeit

Lageplan
PANKOWER TOR, Städtebauliches Strukturkonzept Grafik: KGG

Die Konzeption einer längeren tangentialen Straßenbahnlinie von Rosenthal bis Falkenberg bindet eine spürbare zusätzliche Betriebsleistung, da angrenzende Abschnitte im Straßenbahnnetz dichter bedient werden.

Die Verlängerung der (im Takt verdichteten) Linie 12 bis Rathaus Pankow minimiert die betrieblichen Aufwendungen, bildet jedoch eine geringere Nachfrage ab.

Mitfall B2 verursacht die geringsten absoluten Betriebskosten. Unter Betrachtung des Verhältnisses Betriebsaufwand je Fahrgast sind alle Varianten annähernd vergleichbar.

Unter Gesamtbetrachtung von Verkehr, Betrieb und Wirtschaftlichkeit sollte Mitfall A2 als sinnvolle Variante weiterverfolgt werden.

Nicht untersucht wurden jedoch die ebenfalls interessanten Varianten einer Verlängerung der M 2 entweder ab Am Steinberg geradlinig die Prenzlauer Promenade hoch oder über die Bestandsstrecke in Heinersdorf weiter wie in der Studie auf das Krieger-Gelände.

Es ist erfreulich, dass bei einem großen Berliner Neubauprojekt endlich mal wieder von Beginn an eine Straßenbahnerschließung geplant wird. Damit die Trasse aber auch tatsächlich realisiert wird und damit von Beginn an, alle die es wollen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dem neuen riesigen Einkaufszentrum fahren, muss das Land Berlin mit dem Investor Krieger vereinbaren, dass die Läden nicht eröffnet werden dürfen, bevor die Straßenbahnstrecke in Betrieb genommen wurde. (hm)

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 1/2014 (Februar 2014), Seite 10-11

 

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