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Berlin, den 30.1.1994. Nach den im November 1993 umfangreichen
Ausfällen der GI-Züge (vielfach als "Ostware" diffamiert)
verkehren diese Züge inzwischen weitgehend problemlos. Über zwei
wesentliche Ursachen der damaligen Störungen ist schon mehrfach
berichtet worden:
1. Die Wiederinbetriebnahme der U-Bahn-Linic 2 am 13. November
erfolgte ohne die sonst üblichen Probefahrten, alle Fahrer
hatten also keine Streckenkenntnis.
2. Die West-Fahrer waren auf den komplizierter zu
bedienenden Gl-Zügen nicht ausreichend geschult worden.
Eine dritte Ursache wurde bisher in der Öffentlichkeit noch nicht beachtet:
3. Mit der U-Bahn-Wiederinbetriebnahmeam 13. November wurde zugleich
die Zuständigkeit für die Wartung der GI-Züge von der Werkstatt
Friedrichsfelde zur Werkstatt Grunewald verlagert. Die BVGer in
Grunewald aber waren mit der neuen Aufgabe anfangs völlig überfordert,
- zum einen, weil es in den ersten Tagen nach dem 13. November
überdurchschnittlich viele Zugausfälle gab (zur Begründung siehe oben
die Ursachen 1. und 2),
zum anderen, weil man sich in Grunewald vorher nicht ausreichend über
die Hauptschadgruppen der GI-Züge (So etwas gibt es bei allen Fahrzeugen!)
informiert hatte. So aber fehlten für die Reparatur der Züge
Erfahrungen und Ersatzteile!
Anstatt dieses menschliche Versagen zuzugeben, wurden die GI-Züge als
völlige Fehlkonstruktion hingestellt. Dabei schreckten Senat
und BVG auch nicht vor Falschinformationen zurück.
Zwei Beispiele:
"Bei der jetzt fast dreifachen Streckenlänge sind die Züge
den gestiegenen Anforderungen technisch nicht gewachsen.
Die Fahr- und Bremssteuerung unterliegt einem dreimal höheren
Verschleiß und weist demzufolge eine dreimal höhere
Ausfallrate auf."(BVG-Signal 21/93)
Maßgebend ist nicht die Streckenlänge, maßgebend sind die
Einsatzkilometer der Züge pro Tag. Diese Einsatzkilometer je GI-Wagen
und Tag sind seit dem 13. November nur wenig höher als zuvor, und
auch die Zahl der Beschleunigungs- und Bremsvorgänge ist dementsprechend
nur wenig höher - und nicht dreifach so hoch.
"Die technische Störanfälligkeit... hatten die Züge auch schon
bei dem bisherigen Einsatz auf dem nördlichen Teil. Das zeigt der
hohe Bestand von 226 Wagen, bei 12 Umläufen mit 8-Wagen-Zügen - also
mehr als hundert Prozent Reserve." (BVG-Signal 21/93)
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GI-Zug im Oktober 1982 auf dem U-Bf Schönhauser Allee. Bis ihr Einsatz im West-Netzt möglich wurde, vergingen jedoch noch über 10 Jahre. Seither waren sie allerdings einer anhaltenden Rufmordkampagne ausgesetzt. Die als "Ost-Ware" diffamierten Züge wurden für das mehrmonatige Durcheinander im BVG-Klein- profilnetz verantwortlich gemacht - zu unrecht. Foto: Hans C. Friedly |
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Acht mal zwölf, also 96 Wagen, wurden vor dem 13. November 1993 zwischen
Pankow (Vinetastraße) und Mohrenstraße eingesetzt. Hinzuzurechnen sind
zwei Züge mit je acht Wagen, die einsatzbereit auf der Strecke standen
(sogenannte Verkehrsreserve). Im Verkehrseinsatz waren also 112 Wagen,
die technische Reserve betrug 114 Wagen oder, entsprechend der BVG-Berechnung,
102%. Unterschlagen wurde dabei aber, daß diese U-Bahn-Strecke von der
BVG nur im 4-Minuten-Takt, zu DDR-Zeiten dagegen im 2,5-Minuten-Takt
befahren wurde. Entsprechend größer war der Fahrzeugbedarf. 1989 waren
hier im Berufsverkehr 19 Züge mit 8 Wagen, also 152 Wagen im Einsatz.
Beachtet man wieder die Verkehrsreserve von zwei Zügen mit je acht Wagen,
so waren 168 Wagen im Verkehrseinsatz und 58 Wagen technische Reserve.
Entsprechend der BVG-Berechnung sind das 35% und nicht "mehr als 100%"!
Hinzu kam, daß es an der Strecke keine Werkstatt gab, so daß die Züge für
Wartungsarbeiten nach Friedrichsfelde und für die regelmäßigen
Hauptuntersuchungen zur Reichsbahn nach Schöneweide gebracht werden
mußten, was jeweils mit komplizierten und langwierigen Überführungen
der GI-Züge verbunden war. Deshalb wurden 226 Züge beschafft - und
nicht wegen besonders vieler Ausfälle.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB bestreitet keineswegs, daß es
technische Probleme mit den GI-Zügen gibt. Die meisten können jedoch
mit dem von der BVG entwickelten "Ertüchtigungsprogramm" behoben werden.
Zwar werden auch danach noch die laufenden Betriebskosten höher sein,
als bei neuen Zügen, und der Mangel mit zwei statt drei Türen pro Wagen
ist nicht behebbar. Aber:
- Die Erfahrungen der letzten Wochen zeigen, daß die West-Berliner
Fahrgäste nicht dümmer als die Ost-Berliner sind und zunehmend
besser mit den zwei Türen zurechtkommen.
- Die im Vergleich zu neuen Zügen höheren Betriebskosten müssen
für einige Jahre hingenommen werden. Dafür können die sehr
hohen Ausgaben für neue Züge verschoben werden.
Fazit und Forderungen
Der Berliner Fahrgastverband IGEB will die GI-Züge nicht "schönreden"
und unbestreitbare Mängel nicht herunterspielen. Aber die gegenwärtige
"Rufmordkampagne" und die geplante Ausmusterung sind für uns aus
mehreren Gründen nicht hinnehmbar:
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Einige maßgebende Personen bei der BVG hätten die GI-Züge am liebsten sofort auf den Schrott gefahren. Dabei zeigt die BVG, wenn auch verspätet, mit den modernisierten Tatra-Straßenbahnen, daß es ökonomisch und technisch sinnvolle Alternativen zum "Wegschmeißen" erst wenige Jahre alter Fahrzeuge gibt. Foto: Ivo Köhler |
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- Die Pläne der BVG, ab dem Frühjahr 1994
(nach Auslieferung aller schon früher bestellten neuen Züge) auf den
Einsatz der GI-Züge ganz zu verzichten, sind für die Fahrgäste nicht
akzeptabel, weil dies nur mit der Beibehaltung verkürzter Züge möglich
ist. Mindestens im Berufsverkehr müssen die Züge auf den Linien U1 und U2
umgehend wieder von sechs auf acht Wagen verlängert werden. Schon jetzt
sind die Züge überfüllt, doch nach Beginn der Bauarbeiten auf der Stadtbahn
mit ihren Erschwernissen für die S-Bahn-Fahrgäste werden Abwanderungen von
der S-Bahn zur U-Bahn noch in diesem Jahr zu chaotischen Verhältnissen
auf der U2 führen, falls keine Acht-Wagen-Züge eingesetzt werden.
Und dies geht nur mit GI-Zügen!
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Die meisten Mängel an den GI-Zügen sind behebbar. Deshalb fordert der
Berliner Fahrgastverband IGEB die Verantwortlichen bei Senat und BVG auf,
umgehend die Gelder für das "Ertüchtigungsprogramm" der BVG zu bewilligen.
- Es wäre politisch und wirtschaftlich unverantwortlich, zum Teil erst
5 Jahre alte U-Bahn-Züge "wegzuwerfen", für deren Anpassung an den
technischen Standard der West-U-Bahn-Strecken gerade erst Millionenbeträge
ausgegeben worden
sind. Und daß es nach der anhaltenden "Rufmordkampagne" noch
ernsthafte Kaufinteressenten für die GI-Züge gibt, wird auch der
Senat nicht glauben.
- Angesichts der ohnehin schwierigen finanzielle Lage Berlins und
angesichts der jüngsten Bonner Geldstreichungen wird niemand verstehen,
daß - wie von Senator Meisner gefordert - gerade jetzt mindestens 16
neue U-Bahn-Doppeltriebwagen angeschafft werden sollen, obwohl das
von der BVG ausgearbeitete "Ertüchtigungsprogramm" für die GI-Züge nur
so viel kostet, wie zwei neue Doppeltriebwagen.
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"Gisela" Foto: Thomas Billik |
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- Nicht zuletzt müssen Senat und BVG endlich die deutschlandpolitische
Dimension ihrer "Rufmordkampagne" begreifen. Hier wird fahrlässig gegen
die innere Einheit Berlins gearbeitet. Ein vollständiges Ausmustem der
GI-Züge würde die aufgrund der "Rufmordkampagne" schon jetzt spürbare
Verärgerung und Verbitterung bei vielen Ost-Berliner BVGern und
Fahrgästen auf die Spitze treiben.
Daß es auch anders geht, haben die Deutschen Bahnen gezeigt. Aus
veralteten Schnellzugwagen der DR wurden durch Umbau komfortable
Inter-Regio-Wagen, und (fahrzeugtechnisch gesehen ein noch passenderes Vorbild) aus ehemaligen "Ferkeltaxen" der DR wurden moderne Schienenbusse. IGEB-Pressedienst
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