Nahverkehr

Kein Anschluß zum Blütenfest in Werder

Einsätze von historischen S-Bahn-Zügen sind eigentlich eine Bereicherung des Nahverkehrsangebots. Dies darf jedoch auf keinen Fall zu einer derartigen Beeinträchtigung des fahrplanmäßigen Verkehrsablaufs führen, wie es am Sonnabend, dem 23. April 1994 zwischen Wannsee und Potsdam der Fall war.

Vorgesehen und auch durchgeführt wurde eine Fahrt mit einem historischen S-Bahn-Zug u.a. nach Potsdam Stadt. Wer die Strecke mit ihren Ausweichmöglichkeiten kennt, weiß, daß dies während des 10-Minuten-Taktes nur unter Ausfall eines Regelzuges möglich ist. Der historische Zug fuhr im Plan des Zuges der S3 11.40 Uhr ab Wannsee, Ankunft Potsdam Stadt um 11.52, ab um 12.07, Ankunft in Wannsee 12.19 Uhr. Der Zug der S3 endete bzw. begann deshalb in Wannsee statt Potsdam. Der angekündigte Fahrpreis für den historischen Zug betrug 10 DM, erst nachträglich wurde bekannt, daß erzwischen Potsdam und Wannsee mit normalen Fahrkarten benutzt werden konnte.

Der Ärger für die Fahrgäste begann, als der historische Zug in Wannsee einfuhr. Das Bahnsteigpersonal war hier wie auch auf allen übrigen Bahnhöfen über die Gültigkeit der normalen Fahrkarten nicht informiert worden und kündigte den Zug als Sonderzug mit Sondertarif an. Schließlich wurde die Mitfahrt gestattet, jedoch nicht für Fahrräder.

Nach Abfahrt des historischen Zuges fuhr der planmäßige Zug der S3 in Wannsee ein, etwa 300 Fahrgäste mußten aussteigen und auf den nächsten Zug nach Potsdam Stadt warten, der dann natürlich entsprechend voll wurde. Auf der Rückfahrt funktionierte dies übrigens besser, der S3-Zug wartete in Wannsee auf den historischen Zug.

Besonders ärgerlich war, daß durch den Ausfall des Regelzuges mehrere Anschlüsse in Potsdam Stadt nicht mehr erreichbar waren. Die S3 wäre planmäßig um 11.52 Uhr in Potsdam Stadt angekommen und hätte folgende Anschlüsse geboten:

12.00 Uhr: Abfahrt eines Sonderzuges zum Blütenfest nach Werder. Dieser Anschluß wäre auch für Fahrgäste mit Fahrrad interessant gewesen.
12.04 Uhr: Abfahrt Bus 611 nach Tremsdorf (verkehrt dreimal täglich)
12.06 Uhr: Abfahrt Bus 631 nach Werder (verkehrt halbstündlich) mit Anschluß an Bus 632 nach Schmergow (verkehrt sonnanbends fünfmal) und Bus 633 nach Glindow (verkehrt sonnabends elfmal).
Der nächste S-Bahn-Zug erreichte Potsdam Stadt zwar um 12.02, angesichts des langen Umsteigeweges waren die Busse aber nicht mehr erreichbar.

Derartig verpatzte Anschlußgefüge ließen sich in Potsdam wahrscheinlich zu fast jeder S-Bahn-Ankunft finden, so daß sich diejenigen, die diese Fahrt des historischen Zuges nach Potsdam genehmigt haben, fragen müssen, ob sie damit ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich der Dienstleistung für die Nahverkehrskunden, gerecht geworden sind. Aus unserer Sicht sollte eine Fahrt nach Potsdam während des Zehn-Minuten-Taktes bis auf weiteres ausschließlich planmäßigen S-Bahn-Zügen Vorbehalten bleiben.

IGEB

aus SIGNAL 5/1994 (Juli 1994), Seite 15-16

 

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