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Aus aktuellem Anlaß - mit der Verlängerung bis Wittenau
wird auch auf der U-Bahn-Linie 8 die Fahrerselbstabfertigung
eingeführt - muß ein besonders ärgerlicher Nebeneffekt der
Fahrerselbstabfertigung hervorgehoben werden: Seit auf dem
U-Bahnhof Berliner Straße die abendliche Selbstabfertigung
eingeführt wurde, kommt es dort regelmäßig vor, daß die Fahrer
der U9 die Anschlüsse von der U7 nicht abwarten, sondern oft schon
vorher abfahren, oft gerade dann, wenn die umsteigenden Fahrgäste
den noch stehenden Zug der U9 schon sehen können. Den Gipfel der
Anschlußvermeidung erreichte die BVG in der Nacht 30./31. August
1994, als der letzte (!) Zug der U9 nach Osloer Straße um 0.09 Uhr
die Türen schloß und abfuhr, obwohl die Fahrgäste der U7 gerade
den obersten Treppenabsatz erreicht hatten.
Laut Auskunft von BVG-Mitarbeitern gibt es eine Dienstanweisung,
nach der während des 10-Minuten-Taktes zwei Minuten auf Anschlußzüge
gewartet werden soll, während die letzten Züge bis zu zehn Minuten
aufeinander warten. Beides wird an der Berliner Straße regelmäßig
nicht gemacht, obwohl gerade die Züge der U7 Richtung Spandau
sehr häufig erst zur planmäßigen Abfahrtszeit eintreffen.
Diese Anschlußverluste haben aber nur zu einem geringen Teil
die U-Bahn-Fahrer zu verantworten, denn sie haben im Führerstand
keine Möglichkeit zu erkennen, ob ihr Anschlußzug auf der U7
schon angekommen ist oder nicht. So kommt es vor, daß Fahrer, die
die Türen schon geschlossen haben, den Abfertigungsvorgang
abbrechen, weil sie im Bahnsteigspiegel plötzlich die von der
U7 kommenden Fahrgäste sehen.
Der BVG-Führung ist dieses Problem durchaus bekannt, denn
immerhin wurden einige Zeit nach Einführung der Selbstabfertigung
auf dem U-Bf Berliner Straße die Signale so umgerüstet, daß sie
vom Stellwerk aus auf "Rot" gehalten werden können, bis der
Anschlußzug angekommen ist.
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Zug der U-Bahn-Linie 9 am Sonntagmorgen. Gerade in diesen Schwachverkehrszeiten ist das Verpassen eines Umsteigeanschlusses, wie es die Fahrgäste seit Einführung der Fahrerselbstabfertigung auf der U9 allzu häufig erleben, besonders ärgerlich. Foto: Marc Heller |
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Die Bedienung dieser indirekten Anschlußsicherung ist jedoch mit
einer Reihe von Unzulänglichkeiten behaftet, so daß sich in der
Praxis nicht viel geändert hat. Laut Auskunft eines BVGers vor
Ort ist die Bedienung der Signale eine Kann- Bestimmung, was in
der Praxis zu einer dem Lottospiel vergleichbaren
Anschlußwahrscheinlichkeit fuhrt. Beobachtungen der IGEB ergaben
zudem, daß die Signale zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten auf
"Grün" geschaltet werden. In der Anfangszeit haben die Züge der
U9 oft viel zu lange gestanden und noch gewartet, als schon alle
Fahrgäste umgestiegen waren. Jetzt ist dagegen zu beobachten, daß
das Signal auf "Grün" geschaltet wird, wenn der Zug der U7 gerade
angekommen ist. Der Fahrer der U9 reagiert dann sofort und führt
ab. Offensichtlich herrscht Unklarheit über die Umsteigezeit
von der U7 zur U9, oder die Dienstanweisungen sind so ungenau,
daß sie einen erheblichen Interpretationsspielraum lassen,
der sich dann im unterschiedlichen Verhalten der Mitarbeiter
ausdrückt.
Aufgrund der schlechten Erfahrung auf dem U-Bahnhof Berliner Straße
fordert der Berliner Fahrgastverband IGEB, daß künftig bei
Einführung der Fahrerselbstabfertigung alle U-Bahnhöfe mit
fahrplanmäßigen Anschlüssen (auf der U8 Osloer Straße und
Hermannplatz) so lange mit Zugabfertigern besetzt werden, bis eine
zuverlässige (!) Informationsmöglichkeit für den seinen Zug
abfertigenden Fahrer geschaffen worden ist. Dies kann zum Beispiel
ein zusätzliches Signallicht leisten, welches vom einfahrenden
Anschlußzug eingeschaltet wird und nach einer fest eingestellten
Umsteigezeit wieder verlöscht.
Eine solche technische Anschlußinformation ist bei allen Bahnhöfen
mit Anschlußwahrung auf Dauer sinnvoll, da auch die Zugabfertiger
oft nur eingeschränkt in der Lage sind, die Ankunft eines
Anschlußzuges zu erkennen. Im Interesse eines besseren
Kundendienstes gäbe es damit eine einfache und zugleich relativ
preiswerte Lösung für die Anschlußsicherung, die den Fahrgästen
den Anblick von rot-leuchtenden Türschließwarnlampen und
Rücklichtern erspart und die BVG-Mitarbeiter überhaupt erst in die
Lage versetzt, den Fahrgästen die erforderliche Qualität im
U-Bahn-Betrieb zu bieten. IGEB
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