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Planung bzw. Realisierung einer fahrgastfreundlichen Eisenbahnkonzeption
für den Großraum Berlin
1.0 Grundkonzepte für eine künftige Netzstruktur
Für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur in Berlin wurden in den
vergangenen etwa vier Jahren im wesentlichen zwei Grund Varianten
(mit verschiedenen Abwandlungen) zur Netzstruktur entwickelt: das
Ringmodell und das Achsenkreuzmodell.
1.1 Struktur des Ringmodells
Beim Ringmodell wird der Berliner Innenring zum zentralen Netzelement,
den alle Fern- und Regionalzüge der Nord-Süd-Relation abschnittsweise
nutzen. Der Ost-West-Verkehr verbleibt auf der Stadtbahn. Es sind bei
dieser Konzeption der Neubau mehrerer dezentraler Fern- und Regionalbahnhöfe
auf dem Innenring vorgesehen, und zwar in Westkreuz, Tempelhof, Ostkreuz und
Gesundbrunnen. Bestandteil der Planung ist auch der Neubau eines Bahnhofs an
der Klosterstraße in Spandau an den Hauptstrecken Richtung Hamburg und
Hannover. Auf der Stadtbahn sind Fern- und Regionalbahnhalte in den Bahnhöfen
Charlottenburg, Zoologischer Garten, Friedrichstraße, Alexanderplatz
(nur Regionalbahn) und Hauptbahnhof möglich.
1.2 Struktur des Achsenkreuzmodells
Das Achsenkreuzmodell beinhaltet die Variante des "Pilzkonzeptes". Das
"Pilzkonzept" ist gemeinsam von der Deutschen Reichsbahn und dem Berliner
Senat als erste Ausbaustufe zum Achsenkreuzmodell entwickelt worden. Auch
bei diesem Konzept verbleibt der Ost-West-Verkehr auf der Stadtbahn. Geplant
ist für den Eisenbahnverkehr in der Nord-Süd-Relation eine ca. 3,4 Kilometer
lange Tunnelstrecke mit Anschlüssen an den Nordring bzw. im Süden an die
Hauptstrecken nach Dresden und Halle/Leipzig. Am Lehrter Bahnhof ist die
Verknüpfung der Fern-, Regional- und S-Bahn auf der Stadtbahn mit dem
Nord-Süd-Verkehr vorgesehen. Geplant sind weiterhin Umsteigebeziehungen
zur U-Bahn- Linie 5, die vom Alexanderplatz zum Lehrter Bahnhof und später
bis zum U-Bahnhof Turmstraße (Verknüpfung mit der U-Bahn-Linie 9) verlängert
werden soll.
Bestandteil des "Pilzkonzeptes" ist die Errichtung weiterer Fern- und
Regionalbahnhöfe, und zwar Potsdamer Platz (nur Regionalbahn), Papestraße,
Gesundbrunnen und Klosterstraße (Spandau). Als Fern- und Regionalbahnhof
stehen auf der Stadtbahn neben dem Lehrter Bahnhof die Bahnhöfe
Charlottenburg, Zoologischer Garten und Hauptbahnhof sowie ausschließlich
für den Regionalverkehr Friedrichstraße und Alexanderplatz zur Verfügung.
Das "Pilzkonzept" (Nordring und Stadtbahn bilden den Hut, die
Nord-Süd-Strecke den Stiel des Pilzes) ist wegen der zeitlichen Abhängigkeit
zwischen der Fertigstellung der Tunnelbauwerke im Spreeebogen und der
Bebauung für den Regierungs- und Parlamentsbereich entstanden. Der Bau des
Nord-Süd-Tunnels wird dabei gegenüber der ursprünglichen Ausbaureihenfolge
unter Zurückstellung des südlichen Berliner Innenringes zeitlich vorgezogen.
Eine spätere Ergänzung dieser vorläufig zurückgestellten Ausbaumaßnahme
zum ursprünglich geplanten Achsenkreuzmodell ist aber möglich, ohne daß
verlorene Investitionen zu verzeichnen sind.
2.0 Bewertung der Modelle
Im folgenden soll dargestellt werden, daß das Achsenkreuzmodell
(Variante "Pilzkonzept") entscheidende Vorteile gegenüber dem
Ringmodell aufweist, und zwar sowohl aus Sicht der Bahnkunden
als auch im Hinblick auf die Betriebsführung.
- Das Achsenkreuzmodell (Variante "Pilzkonzept") ermöglicht sowohl in der
Ost-West-Relation als auch in der Nord-Süd-Relation eine gute Erschließung
des Innenstadtbereiches. Insbesondere die Lage des Lehrter Bahnhofs
ermöglicht von praktisch allen Punkten der Innenstadt kurze Zugangszeiten.
Dagegen wird beim Ringmodell der Innenstadtbereich mit seinem starken
Fahrgastpotential nur tangiert.
- Im Achsenkreuzmodell (Variante "Pilzkonzept") werden der Stadtbahn die
Linien des Ost-West-Verkehrs und dem Nord-Süd-Tunnel die Linien des
Nord-Süd-Verkehrs zugeordnet. Von besonderer Bedeutung ist weiterhin, daß
mit dem Lehrter Bahnhof eine direkte Umsteigemöglichkeit zwischen praktisch
allen Linien des Fern- und Regionalverkehrs ermöglicht wird. Entscheidend
dabei ist die Zubringerfünktion der Regionalbahn zur Fernbahn einerseits,
andererseits die Umsteigemöglichkeit zwischen den Regionalbahnlinien.
Dieses System ist übersichtlich und gewährleistet den vielfach
bahnentwöhnten Reisenden eine schnelle Orientierung, von welchen Bahnhöfen
die Züge der gewünschten Relation verkehren. Bedingt durch die
Netzverflechtung hat das Ringmodell diesbezüglich deutliche Nachteile.
- Der Hauptvorteil des Ringmodells ist die mögliche dezentrale Verteilung
der Reisendenströme. Aber durch die Fernbahnhalte in den Bahnhöfen
Gesundbrunnen, Lehrter Bahnhof (unten) und Papestraße auf der Nord-Süd-Achse
analog zur Ost-West-Achse mit den Bahnhöfen Charlottenburg, Zoologischer
Garten, Lehrter Bahnhof (oben) und Hauptbahnhof wird beim "Pilzkonzept"
ebenfalls eine dezentrale Verteilung der Reisendenströme möglich. Der Bahnhof
Spandau kann dabei an beide Achsen angeschlossen werden.
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Durch die gestreckte Linienführung wird zumindest in der Nord-Süd-Relation
eine zügige Fahrt in das bzw. aus dem Stadtgebiet speziell für den
Fernverkehr ermöglicht, was sich letztlich positiv auf die Fahrzeit auswirkt.
- Bei Realisierung des Achsenkreuzmodells (Variante "Pilzkonzept") entstehen
beim Bau der Nord-Süd-Strecke vergleichsweise geringe
Betriebsbeeinträchtigungen. Bedingt durch die Verschwenkung der
Stadtbahntrasse im Bereich Lehrter Bahnhof in südlicher Richtung können auch
hier Sperrpausen gering gehalten werden. Dagegen müßten beim Ringmodell
wichtige Netzteile unter laufendem Betrieb umgebaut oder erweitert werden;
z.B. die Knoten Westkreuz, Ostkreuz und Tempelhof.
- Die baulichen Voraussetzungen für die Erstellung des Nord-Süd-Tunnels sind,
bedingt durch die Baufreiheit im Trassenbereich, ideal. Durch die beiden
Logistik-Zentren im Bereich der Tunnel-Endpunkte wird eine umweltschonende
und kostengünstige Materialzufuhr bzw. -abfuhr ermöglicht. Die
Logistik-Zentren werden dabei voraussichtlich bis zum Jahr 2002 vorgehalten.
Ein späterer Bau des Tunnels und eine Beschränkung auf die Trassenfreihaltung
zum jetzigen Zeitpunkt hätte später wesentlich größere baulogistische
Probleme und Umweltbelastungen als heute zur Folge.
3.0 Erforderliche Nachbesserungsmaßnahmen am "Pilzkonzept" aus Kundensicht
3.1 Anbindung des Lehrter Bahnhofs in Nord-Süd-Richtung durch
die S-Bahn
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Blick vom Lehrter Stadtbahnhof in Richtung Friedrichstraße. Die Stadtbahn mit den Fernbahn- und S-Bahn-Gleisen wird in diesem Bereich nach Süden (auf dem Bild rechts) verschwenkt. Foto: Chr. Schultz |
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Blick über das Lenne-Dreieck nach Norden, im Hintergrund das Hochhaus der Charite. Auf dieser Freifläche soll der Schildvortrieb für den Nord-Süd-Tunnel beginnen. Foto: Chr. Schultz |
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Um eine optimale Verkehrsanbindung aus Sicht des Fahrgastes am Lehrter
Bahnhof sicherzustellen, ist die vom Senat aus finanziellen Gründen
gestrichene S-Bahn-Linie 21 vom Bahnhof Potsdamer Platz bis zum Nordring
unbedingt bei Erstellung der Tunnelanlagen für die Fern- und Regionalbahn
mit zu errichten. Nur durch diese Anbindung wird gewährleistet, daß eine
schnelle und bequeme Nord-Süd-Anbindung mit kurzen Taktzeiten für den
Fahrgast innerhalb der Stadtgrenzen zur Verfügung gestellt wird. Diese
Aufgabe kann von der Regionalbahn nicht erfüllt werden.
3.2 Verzicht auf die Verlängerung der U-Bahn-Linie 5
Die vom Senat favorisierte Verlängerung der U- Bahn-Linie 5 vom
Alexanderplatz zum Lehrter Bahnhof und weiter nach Moabit halten wir aus
verkehrlichen sowie aus finanziellen Gründen für
nicht gerechtfertigt. Darüber hinaus füngiert die Stadtbahn als hervorragende
Ost-West-Anbindung zur Erschließung des Lehrter Bahnhofs. Für die weitere
Erschließung sollte stattdessen eine leistungsfähige Straßenbahntrasse als
sogenannte, vom Berliner Fahrgastverband IGEB vorgeschlagene "Kanzlerlinie"
errichtet werden. Der größte Vorteil für den Fahrgast bestünde darin,
daß diese Linie bereits zur Inbetriebnahme des neuen Lehrter Bahnhofs zur
Verfügung stehen könnte und erheblich kostengünstiger als die U5 zu bauen
wäre. Aus heutiger Sicht ist bereits erkennbar, daß die Fertigstellung der
U-Bahn-Linie 5 zur Inbetriebnahme des Lehrter Bahnhofs keinesfalls möglich
ist und der Fahrgast wieder "auf der Strecke" bleiben wird.
3.3 Nutzung des Nord-Süd-Tunnels durch den Güterverkehr
Zur weiteren wirtschaftlichen Ausnutzung des Nord-Süd-Eisenbahntunnels ist
aus unserer Sicht die Abwicklung des leichten Güterzugverkehrs in der
verkehrsarmen Zeit ("Nachtsprung") zu ermöglichen, soweit es die
Trassierungselemente (maximale Steigungen im Tunnel von 3%) erlauben.
Der Vorteil dieser Maßnahme bestünde insbesondere darin, eine Beschleunigung
des Nord-Süd-Verkehrs in größerem Umfang auch für den Güterverkehr zu
erreichen. Aufgrund der weit fortgeschrittenen Planungen für das "Pilzkonzept"
sind Bestrebungen von verschiedenen Umweltinitiativen - auch
eisenbahnfreundlichen, im Rahmen des gegenwärtig laufenden
Planfeststellungsverfahrens den neuen Nord-Süd-Fern- und Regionalbahntunnel
zu "kippen", als problematisch zu bewerten, da die Aufgabe dieses Projektes
eine deutliche Attraktivitätssteigerung der Eisenbahninfrastruktur aufgrund
der langen Planungsvorlaufzeit erheblich verzögern würde.
In der Folge dürfte die Realisierung weiterer Lückenschlüsse ebenfalls
verzögert werden. Diese Tatsache ist besonders brisant, weil die
Straßeninfrastruktur im Großraum Berlin kontinuierlich ausgebaut wird und
der Qualitätsunterschied in der Infrastruktur beider Verkehrsträger sich
immer stärker zu Lasten der Bahn entwickelt.
Arbeitskreis Fernverkehr PRO BAHN und IGEB
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