„Ein gutes ÖPNV-Gesetz wird noch besser“,
meinte Verkehrsminister Jörg Vogelsänger
(SPD). Michael Jungclaus (Bündnis 90/Die
Grünen) widersprach: „Mit SPD und Linke
ist eine Verschlechterung des kommunalen
ÖPNV vorprogrammiert – keine gute Nachricht
vor allem für die ländlichen Regionen.“
Mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen
von SPD und Linke wurde am 26. Februar
2014 im Brandenburger Landtag das
Änderungsgesetz angenommen. Nach Meinung
des DBV-Landesverbandes ein Tiefpunkt
in der Brandenburger Verkehrspolitik.
Anstatt um die beste Lösung demokratisch
zu ringen, wurde letztlich nur der vom Ministerium
vorgelegte Gesetzentwurf durchgewunken.
Auch die Anhörung Mitte
Januar 2014, zu der unter anderem
der Landesverband als
Sachverständiger geladen war,
hat daran nicht viel geändert.
So blieb es bei einem hilflosen
„… auch wir hätten uns mehr gewünscht“,
wie es die Abgeordnete
Kerstin Kircheis (SPD) in der
Debatte am 26. Februar 2014 zur
Finanzausstattung formulierte.
10 Millionen Euro weniger für den ÖPNV
2014 im Vergleich zu 2013
85 statt 83 Millionen Euro, also zwei Millionen
mehr gibt es für die Bestellung von Bus- und
Straßenbahnverkehren für die kommunalen
Aufgabenträger in Brandenburg.
Nach 8 Jahren Stillstand nur ein Plus von 2,4
Prozent – das ist mager bei im selben Zeitraum
10 bis 12 Prozent Infl ationsrate! Hier
half nur die Keule der Drohung mit einem
ansonsten notwendigen Nachtragshaushalt,
um kritische Abgeordnete auf Linie zu bringen.
Der Landeshaushalt ist nämlich schon
in Kraft und hat bereits die Absenkung der
ÖPNV-Mittel berücksichtigt. Wer verabschiedet
Gesetze und ist für den Haushalt
zuständig? Das Ministerium oder
das Parlament? In Brandenburg ist die
Frage eindeutig geklärt – ein weiterer
Tiefpunkt im Parlamentarismus.
|
Investitionsförderung Straßenbahn im Land Brandenburg in Mio Euro pro Jahr. Grafik: VDV |
|
Fakt ist, nachzulesen in den Haushaltsplänen
und -rechnungen des Landes,
dass es insgesamt weniger Geld
für den ÖPNV geben wird (nachzulesen
im Einzelplan 11, Kapitel 11 500), siehe
Tabelle.
Dreh- und Angelpunkt sind angeblich
satte 5 Millionen Euro als zusätzliche
Pauschale für Investitionen an die
Kommunen, die davon die Straßenbahn- und
Obus-Infrastruktur finanzieren
sollen. Die Pauschalierung dieser Investitionskosten
bedeutet für sechs der sieben
Straßenbahnbetriebe in Brandenburg in
etwa ein Verbleib auf dem bisherigen, sehr
niedrigen Niveau. Nur die Landeshauptstadt
bekommt im Vergleich zu den vorangegangenen
Jahren etwa 1 Million Euro
weniger – eine Lex Potsdam! So werden in
Brandenburg verkehrspolitische Schwerpunkte
gesetzt: diejenigen, die erfolgreich
sind, werden bestraft.
Der DBV und die Mehrheit der anderen
Sachverständigen sah deshalb in der Anhörung
langfristig die Aufrechterhaltung
selbst des jetzigen Standards in Cottbus,
Frankfurt (Oder), Brandenburg an der Havel,
Woltersdorf, Schöneiche und
Strausberg sowie Eberswalde
(Obus!) als nicht machbar an.
|
Geld für den ÖPNV im Land Brandenburg, gemäß Haushaltsplan. |
|
Ein simpler Rechentrick lieferte
das gewünschte Ergebnis.
Für die Festlegung auf 5 Millionen
Euro wurde ein Zeitraum
als repräsentativ erklärt, in dem
kaum Investitionen anfi elen. So
waren die Landesförderungen
für die Straßenbahn- und Obus-Infrastruktur in den Jahren 2005
bis 2010 mit ca. 4,1 Millionen
Euro sehr niedrig. Betrachtet man jedoch
einen Zeitraum von beispielsweise 20 Jahren
(siehe Tabelle), so landet man bei durchschnittlich
8,5 Millionen Euro.
Vollständige Barrierefreiheit wird
nicht erreicht
Keine planerische und finanzielle Sicherheit
gibt das ÖPNV-Gesetz auch zur Erreichung
der Barrierefreiheit bis 2020. Wie soll die
gesetzlich geforderte Umrüstung von Haltestellen
und Fahrzeugen (ggf. ist hierbei ja
auch eine Neuanschaff ung unumgänglich!)
finanziert und geplant werden? Hier reicht
es den Fraktionen von SPD und Linke, in einem
Entschließungsantrag die Landesregierung
zu bitten „… gegenüber dem Bund darauf
hinzuwirken, dass die Anforderungen
des Personenbeförderungsgesetzes zur Gewährleistung
von Barrierefreiheit im üÖPNV
zeitnah konkretisiert werden.“ Verantwortung
sähe anders aus. Bedauerlich findet der
DBV, dass sich vor diesem Hintergrund der
unklaren Finanzierung der Barriere freiheit
die Behindertenverbände nicht vernehmbarer
zu Wort gemeldet haben.
Kommunale Nahverkehrspläne und
Nahverkehrsbeiräte?
Bloß keine Standards setzen
Hauptziel des ÖPNV-Gesetzes ist es, die Mittel
für den ÖPNV zu kürzen. Deshalb, so wieder
die SPD-Abgeordnete Kerstin Kircheis
(SPD) während der Lesung am 26. Februar
2014, werde ganz bewusst darauf verzichtet,
im Gesetz Standards zu setzen. Sonst
könnten die Aufgabenträger für den Straßenbahn-
und Busverkehr ja auch die zur
Durchsetzung dieser konkreten Vorgaben
erforderlichen Mittel einfordern. Deshalb
wird es auch nicht, wie seit vielen Jahren
vom DBV gefordert, eine Verpflichtung zur
Einrichtung von Nahverkehrsbeiräten in den
Landkreisen und kreisfreien Städten geben.
Nach Meinung des DBV-Landesverbandes
ist es gerade bei klammen Kassen enorm
wichtig, Entscheidungen breit zu diskutieren
und die einzubeziehen, die die Konsequenzen
dieser Entscheidungen zu tragen
haben. Aber das wollen – mit Hinweis auf
angeblich damit verbundene Kosten – SPD
und Linke nicht.
Falsches wird nicht wahr, wenn es
ständig wiederholt wird
„Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des
ÖPNV-Gesetzes werden dem Öffentlichen
Personennahverkehr trotz schwieriger finanzieller
Rahmenbedingungen mehr
finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt:
durch die Anhebung der zweckgebundenen
pauschalen Zuweisung an die kommunalen
Aufgabenträger (Anm. d. Red.: gemeint ist
die Erhöhung von 83 auf 85 Millionen Euro)
als auch durch die Umstellung der Förderung
von Straßenbahnen und O-Bussen auf
eine Pauschalzuweisung. …“ Da gibt es an
einer Stelle ein bißchen mehr Geld (+ 2 Mio.
Euro), an anderer Stelle werden 10,8 Mio.
Euro weggenommen. Und SPD und Linke
freuen sich darüber, dass „… mehr finanzielle
Mittel zur Verfügung gestellt …“ werden.
Möge sich hierauf jeder Fahrgast und Wähler
seine eigene Meinung bilden.
Die Brandenburger Landesregierung
zieht sich mit der Gesetzesänderung, so die
Meinung des DBV-Landesverbandes, ein
großes Stück weiter aus ihrer Verantwortung
für die Sicherstellung der Mobilität zurück.
Mehr Verantwortung für die Landkreise
und kreisfreien Städte einerseits, weniger
Geld für sie andererseits. Das kann auf Dauer
nicht gutgehen. (bö) DBV-Landesverband Berlin-Brandenburg
|