Jährlich fehlen 7,2 Mrd. Euro, errechnete die
Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“
unter der Leitung
des ehemaligen Bundesverkehrsministers
Kurt Bodewig. Basierend auf den Zahlen
von 2012 gibt es allein für den Erhalt des Bestandsschienennetzes
Fehlbeträge in Höhe
von 150 Mio. Euro bei nichtbundeseigenen
Eisenbahnen, 330 Mio. Euro beim kommunalen
ÖSPV und 1000 Mio. Euro beim DB-Netz.
Zum Vergleich: Die Bundesautobahnen sind
mit 800 Mio., Landesstraßen mit 450 Mio.
und die Kommunalen Straßen mit 1250 Mio.
Euro jährlich unterfinanziert. Selbst für die
Bundeswasserstraßen fehlen 550 Mio. Euro.
Jahrzehntelang auf Neubau konzentriert
Viele Gelder sind geflossen. Hauptsächlich
in Neubauprojekte. Ging es in den 1950er
bis 70er Jahren primär um den Wiederaufbau
der Kriegsschäden, so stand ab Anfang
der 70er Jahre der Ausbau vor allem im Straßensektor
im Vordergrund. Seit der Wende
liegt der Fokus auf den Projekten Deutsche
Einheit. Da, wo bei Neubauprojekten bunte
Bändchen durchgeschnitten und große
Reden geschwungen werden können,
ist
man in der Politik gern bereit, die eine oder
andere (hundert) Million locker zu machen.
An den unspektakulären Unterhalt und die
damit verbundenen unliebsamen Folgekosten
will aber kaum einer denken. Denn mit
einem Eimer Schmiere für die Weichen und
einem neuen Anstrich für die A-Tafel am Anfang
einer „Langsamfahrstelle“ ist es heute
nicht mehr getan.
(Zu) viele Töpfe für ein Menü
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Foto: BfVst |
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An vielen Stellen kocht es. Am einen Ende
sind es die „Filetstücke“ wie z. B. die völlig
überlasteten internationalen Korridore, die
erhöhten Verschleiß haben und zudem nach
Erweiterung der Kapazitäten schreien. Am
anderen Ende werden als „dünne Suppe“
die „Bummelbahnstrecken“ kalt, die für die
Erschließung der ländlichen Regionen unabdingbar
sind, dennoch oft ins Hintertreffen
geraten und wegen Unterhaltsmängeln eine
Langsamfahrstelle nach der anderen anhäufen.
Und dann gibt es noch die visionären
„Gaumenschmausmenüs“ à la „Stuttgart 21“.
Unterscheiden muss man in Bestandsnetz,
das den aktuellen Ist-Zustand widerspiegelt,
Bedarfsnetz, das den gegenwärtigen Anforderungen
im Ideal entsprechen sollte (Soll-Zustand),
und Zielnetz, das den zukünftig
erwarteten Anforderungen entsprechen
soll (das „Wunschinfrastrukturschlaraffenland“).
Zunächst ist da der stetige Unterhalt des
Bestandsnetzes. Er soll aus den laufenden
Einnahmen der Infrastrukturnutzungsentgelte
bestritten werden. Denn die Eisenbahnverkehrsunternehmen
(EVU) zahlen an
das Eisenbahninfrastrukturunternehmen
(EIU) für die Nutzung Trassenentgelte. Die
EVU des Güter- und Schienenpersonenfernverkehrs
tun dies eigenwirtschaftlich. Unternehmen
des Schienenpersonennahverkehrs
(SPNV) erhalten von den Ländern sogenannte
Regionalisierungsmittel des Bundes, von
denen sie u. a. auch die Trassen- und Stationsgebühren
bezahlen.
Die aktuellen Geld-Töpfe
Nach Angaben der DB Netz AG werden 2014
etwa 4,6 Mrd. Euro für den Erhalt und die
Modernisierung des Schienennetzes aufgewendet.
Für den Ausbau des Schienennetzes
wurden 2009 bis 2013 im Rahmen einer
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung
(LuFV) von Bund und DB Ersatzinvestitionen
in Höhe von 2,5 Mrd. + 0,5 Mrd. Euro
bereitgestellt. Die LuFV ist nun bis 2015 verlängert
und der Bundesanteil auf 2,75 Mrd.
Euro erhöht worden. Um die kontinuierliche
Weiterentwicklung des Bedarfsnetzes zu
sichern, sind jedoch rasch die langfristige
Festschreibung einer Folgevereinbarung
und eine deutliche Aufstockung um mindestens
1 Mrd. Euro erforderlich.
Daneben spielen z. B. in Höhe von 1,7 Mrd.
Euro auch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
(das 2019 ausläuft) und die
Entflechtungsmittel im Finanzgeflecht von
Bund, Ländern und Kommunen eine Rolle.
Dies jedoch nur beim Infrastrukturaus- und
neubau. Für diverse Neubauprojekte gibt
es ferner noch andere Töpfe von EU, Bund
und Ländern, z. B. für spezielle Großprojekte
wie Stuttgart 21, für die Seehafentrassen, für
den internationalen Güter(transit)verkehr oder die bessere
Verknüpfung der EU-Schienennetze
miteinander – aber auch kleine
unscheinbare Finanzspritzen wie beispielsweise
für Schallschutzmaßnahmen aus dem
„Infrastrukturbeschleunigungsprogramm 2“
des Bundes.
Ein gravierendes Problem dabei ist, dass
nicht immer klar ist, aus welchem Topf für
welches Menü etwas genommen werden
muss. Auch die Bodewig-Kommission ist
sich laut einer Fußnote bewusst, „dass in der
baulichen Praxis eine trennscharfe Unterteilung
in Bestands- und Bedarfsnetz nicht
immer möglich ist. So sind insbesondere im
Bereich des Ausbaus des Bestandsnetzes die
Übergänge fließend.“
„Jeder Umbau eines
Knotens enthält zum Teil starke Elemente
der Erhaltung der bestehenden Substanz.“
Es fehlen Zutaten
Aber irgendwie reicht das Ganze für den Unterhalt
nicht. Um den Eisenbahninfrastruktureintopf
am Köcheln zu halten, wird noch
mehr Geld benötigt. Das betont auch die
DB immer wieder. Nach Angaben der Deutschen
Bahn ist wegen des notorischen Geldmangels
ein Investitionsrückstau in Höhe
von 30 Mrd. Euro entstanden.
Als besonderes Beispiel führt der DB-Vorstandsvorsitzende
Rüdiger Grube die 25 000
Eisenbahnbrücken an. Über 30 Prozent seien
bereits über 100 Jahre alt und hätten damit
ihr „Lebensalter“ überschritten. Bei 1400
bestünde dringendster Handlungsbedarf,
um eine Sperrung durch die Aufsichtsbehörde
zu verhindern. Mit den gegenwärtig
zur Verfügung stehenden Mitteln seien
nur Sanierungen von 125 Brücken jährlich
möglich. Nicht anders sieht es bei der Eisenbahnsicherungstechnik
aus. Ein Drittel der
Stellwerke stammt noch aus Kaisers Zeiten.
Die unzureichenden Erneuerungen bergen
die Gefahr eines Verfalls der Vermögenswerte,
meint die Bodewig-Kommission.
Die tägliche Wertevernichtung des mit circa
300 Mrd. Euro bezifferten Vermögens beträgt
anteilig für die Schiene 3,44 Mio. Euro
täglich.
Wer schmeckt ab?
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Ist das die Zukunft? Etwa 1,5 Mrd Euro fehlen jährlich für den Erhalt der Gleisanlagen in Deutschland. Foto: BfVst |
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Wer kann beurteilen, in welchem Zustand eigentlich
das Netz ist? Wer weiß, wieviel Geld
für den Unterhalt wirklich nötig ist? Der Betreiber,
ganz klar! Aber irgendwie will man
den Zahlen, Daten, Fakten nicht mehr ganz
uneingeschränkt Glauben schenken. Der
Bundesrechnungshof hatte bereits 2011 die
mangelnde Kontrolle des Bundes hinsichtlich
der Effektivität der Mittelverwendung
aus der LuFV angemahnt. Da fehlten in einer
Dokumentation einfach mal 7300 km Gleis
sowie 31 000 Weichen und Kreuzungen.
Zu schauen, ob alle Zutaten in ausreichendem
Maße im Topf gelandet sind und ob das
auch schmeckt, hat sich nun der Bundesverkehrsminister
vorgenommen. So hat das Bundesverkehrsministerium
(BMVI) im Februar
2014 endlich mit eigenen Messfahrten auf
dem deutschen Schienennetz begonnen. Repräsentative
Abschnitte – insgesamt 5000 km
Strecke – werden nun geprüft. Die erste Fahrt
der unabhängigen Gutachter Eurailscout sowie
der Erdmann Softwaregesellschaft fand
von Leipzig in Richtung Osten statt, die nicht
nur der Überprüfung der Daten von DB Netz,
sondern auch dem Aufbau einer eigenen unabhängigen
Infodatenbank dienen soll. Dann
kann auch unabhängig und nachvollziehbar
ermittelt werden, wie viel Unterhaltskosten
für unser deutsches Schienennetz wirklich
vonnöten sind!
Zutaten verschwinden auf andere Herde
Der Bund übergibt Regionalisierungsmittel
an die Länder, damit diese SPNV-Leistungen
bestellen und bezahlen. Ein Teil der jährlich
über 7 Mrd. Euro wird von den beauftragten
Eisenbahnverkehrsunternehmen dann für
die Trassen-, Stations- und Versorgungsentgelte
aufgewendet. Im VBB-Gebiet sind das
für 2013 beispielsweise 222 Mio. von 335
Mio. Euro – also rund zwei Drittel.
Nun gibt es Köche, die nebenbei ihr eigenes
Süppchen kochen. Die Länder verwenden
nämlich zwischen 9 und 48 Prozent von
ihren Bundesmitteln – leider gesetzeskonform
– nicht für den SPNV, sondern z. B. für
die Finanzierung des ÖPNV oder anderer
(Verkehrs-)Projekte, um so den eigenen
Landeshaushalt zu schonen. Dieses zweckentfremdete
Geld fehlt dem Unterhalt der
Schieneninfrastruktur, für die die Länder
nun wiederum noch mehr Geld fordern! Hier
muss schnell eine Gesetzeslücke geschlossen
werden, damit die Regionalisierungsmittel
künftig nicht nur (wie es im Gesetz
steht) „überwiegend“, sondern ausschließlich
dem SPNV und damit auch dem Netz
zugutekommen.
Auch NE-Bahnen brauchen Geld
Im August 2013 trat das „Gesetz über die
Bundesförderung der Investitionen in den
Ersatz der Schienenwege der öffentlichen
nicht bundeseigenen Eisenbahnen im
Schienengüterfernverkehrsnetz“
(Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetz – SGFFG)
in Kraft, mit dem der Bund auch für
Eisenbahninfrastruktur, die nicht Eigentum
des Bundes ist, Gelder für Austauschmaßnahmen
alter Gleise zur Verfügung stellt.
Gefördert werden im Rahmen der jeweils
zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel
(zunächst 25 Mio. Euro) bis zu 50 Prozent der
Investitionskosten.
Der Haken an der Sache: Die Förderung erfolgt
nur für Strecken, auf denen Schienengüterfernverkehr
bestimmter Mindestlasten
durchgeführt wird. Der Personenverkehr
kann die geförderten Strecken zwar mitnutzen,
aber Eigentümer von Strecken, auf
denen nur Personenzüge oder sogenannte
Nahgüterzüge verkehren, gehen leer aus.
Das ist eine klare Benachteiligung von Bahnen,
die um den Erhalt oder die Reaktivierung
von Nahverkehrsleistungen kämpfen.
Unabhängig davon sehen die Bodewig-Kommission wie
auch der Verband Deutscher
Verkehrsunternehmen ein Defizit von
150 Mio. Euro, was den Netzerhalt der NE-Bahnen
anbelangt.
Der Finanzierungseintopf muss
ausgekippt werden.
Was ist zu tun? Der Berliner Fahrgastverband
IGEB sieht ein grundlegendes Problem in
der unzureichenden Transparenz und einer
fehlenden lückenlosen Kontrolle. Hier müssen
rasch konkrete verlässliche Zahlen auf
den Tisch. Welche Mittel werden wirklich
wofür benötigt und verwendet sowie aus
welchem Geldsäckel bezahlt? Eine Entflechtung
von Mischfinanzierungen wie die Regionalisierungsmittel
mit klaren Vorgaben
ist zwingend, um sicherzustellen, dass alles
Geld für das Menü und nicht für Naschereien
abseits ausgegeben wird. Die Finanzierung
der Verkehrsinfrastruktur muss sich vorausschauend
am künftigen Bedarf orientieren.
Langfristig verhungern darf die Schiene auf
keinen Fall! (BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
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