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Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2014
wird der Warnemünde-Express vom Land
Mecklenburg-Vorpommern abbestellt. Diesen
beliebten Ausflugszug von Berlin an die
Ostsee gibt es seit 2001. Kurz zuvor waren
die Interregio-Züge von Berlin nach Rostock
von der Deutschen Bahn im Rahmen des
MORA-P-Programms gestrichen worden.
Regional-Express-Züge sollten sie ersetzen,
wurden aber zu den Spitzenzeiten am Wochenende
den Massen nicht Herr, die nun
billig per Wochenendticket an die Ostsee
reisen konnten. Der Warnemünde-Express
sollte zumindest in den Spitzenzeiten am
Wochenende früh ab Berlin, abends zurück,
Abhilfe schaffen. Außerdem bietet der Zug,
der anders als die Taktzüge den Umweg
über Güstrow vermeidet, kürzere Fahrzeiten
nach Rostock und eine direkte Verbindung
ohne Umsteigen bis fast an den Strand.
An der Situation hat sich bis heute nichts
geändert. Der Warnemünde-Express wird
nach wie vor rege genutzt, dennoch stapeln
sich in den regulären Zügen des RE 5
am Wochenende die Fahrgäste, Fahrräder
und Kinderwagen.
Warum bestellt das Land den Zug dann
ab? Die Begründung: Der Zug sei „im Kern
ein touristisches Fernverkehrsangebot“ und
das Land nicht für Fernverkehr zuständig, so
das zuständige Schweriner Ministerium für
Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung.
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Warnemünde-Express in Berlin Hbf. Foto: Florian Müller |
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Auf der anderen Seite prahlt das Ministerium
aber mit einer Erweiterung des regulären
Zugangebots zwischen Rostock
und Berlin. Werktags sollen es künftig „10
Züge von Rostock nach Berlin und 10 Züge
in umgekehrter Richtung anstatt jeweils 8
wie bislang“ sein, am Wochenende 9 statt
7. Hinter diesen vollmundigen Worten verbirgt
sich aber eine Mogelpackung: Wer in
den Fahrplan schaut, wird feststellen, dass
es derzeit bereits 9 RE-Zugpaare werktags
sind. Genauso am Wochenende: Statt des
dann entfallenden Frühzugpaares gibt es
derzeit den Warnemünde-Express, also
auch 9 Zugpaare. Einzige Neuerung wird
ein Spätzug gegen 22.45 Uhr ab Berlin sein,
der gegen 1.30 Uhr in Rostock ankommen
wird. In Gegenrichtung wird es eine Spätverbindung
von Rostock nach Neustrelitz
geben und einen Frühzug von Neustrelitz
nach Berlin, also gar keine neue Verbindung
von Rostock nach Berlin.
Wo kommt der fehlende angeblich neue
Zug also her? Es handelt sich hierbei um ein
Zugpaar am frühen Nachmittag in zeitnaher
Lage zum Interconnex. Dieses Zugpaar wird
derzeit nördlich von Neustrelitz von DB Regio
eigenwirtschaftlich betrieben. Neu ist
nur, dass es künftig vom Land bestellt wird,
neu ist auch, dass es künftig über Güstrow
fahren wird – mit entsprechend verlängerter
Fahrzeit.
Das Land war bereits mehrfach heftig dafür
kritisiert worden, dass aufgrund seiner
Bestellpolitik der insgesamt 850 Millionen
Euro teure Ausbau der Strecke Rostock—Berlin
nur minimale Fahrzeitgewinne gibt.
Nun setzt es mit der Streichung bzw. Verlangsamung
der beiden Zugpaare, die wenigstens
ein bisschen vom Ausbau profitiert
haben, noch eins drauf.
Die Begründung, das Land sei nicht für
Fernverkehr zuständig, ist dabei im Kern
nicht falsch. Diese strikte Trennung von
Nah- und Fernverkehr ist ein grundlegendes
Problem der Bahnreform. Es gibt aber
Länder, die versuchen, das Problem nicht
auf dem Rücken der Passagiere auszutragen,
sondern konstruktiv zu lösen. Erinnert
sei an die anteilige Finanzierung der
IC-Züge zwischen Bremen und Norddeich
durch das Land Niedersachsen, die dafür
auch mit allen Nahverkehrstickets nutzbar
sind. Eine ähnliche Regelung ist in Thüringen
für neue Züge zwischen Erfurt und
Gera geplant.
Die Eisenbahnpolitik des Landes Mecklenburg-Vorpommern
ist aber nicht nur
so fahrgastfeindlich wie in kaum einem
anderen Bundesland (was sich nicht nur in
dieser Frage zeigt), sie ist auch finanzpolitisch
verfehlt. Denn ignoriert wird, dass der
Tourismus eine Haupteinnahmequelle des
Landes ist. Viele Urlauber und Ausflügler,
gerade aus dem Berliner Raum, reisen ohne
Auto an; der Fahrradtourismus in der Region
boomt wie nie zuvor, was die örtliche Wirtschaft
ankurbelt und Steuern bringt. Die Verkehrspolitik
des Landes ignoriert das völlig,
nicht nur hier, sondern beispielsweise auch
bei der für Dezember geplanten Abbestellung
der Mecklenburgischen Südbahn zwischen
Malchow und Parchim mitten in der
Seenplatte. Finanziell unverantwortlich ist
diese Politik aber auch, weil etliche hundert
Millionen Euro an Bundesmitteln und EU-Geldern
investiert wurden, ohne dass eine
Angebotsverbesserung folgt.
Kai-Uwe Thiessenhusen
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