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Schon seit den fünfziger Jahren ist der Ersatz dieser Einheiten ein
immer wiederkehrendes Thema. Anfänge dazu wurden auf beiden Seiten der
Mauer gemacht mit den Baureihen 480 und 485/885. Die Maueröffnung war
Anlaß zu Überlegungen für eine nochmalige Neukonzeption unter Einbeziehung
von Erkenntnissen aus dem Betrieb beider Baureihen. Dies mündete nun in
die am 22. Februar 1996 präsentierte Baureihe 481/482. Der sich in einer
schnellebigen Zeit an Vertrautes klammernden Nutzerschar
(siehe Diskussion um „rot/gelb“) wird nach dem unkonventionellen
Anblick des 480ers erneut ein mit Gewohnheiten brechendes Bild geboten.
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Vorstellung der neuen Berliner S-Bahn auf der Hannover-Messe. Foto: M. Heller, April 1996 |
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Gleich zu Beginn eine Gemeinheit: manche Leser werden mit Sicherheit auf
einen Seitenhieb gegen die neue Farbaufteilung warten. Lassen wir das.
Wenn die einstige Triebwagenlackierung der Deutschen Reichsbahngesellschaft
in rot/gelb heute zur traditionellen S-Bahn-Farbe hochstilisiert wird und
somit als identitätsstiftendes Moment in der ansonsten zerstrittenen
Metropole wirkt - nun, es soll so sein. Eine Anpassung an das Design
einer neuen Fahrzeuggeneration sollte aber versucht werden und nicht von
vornherein billiger Polemik im Stil der Zeitungen mit den großen Bildern
anheimfallen. Nochmal hinsehen und wirken lassen.
Für uns als Fahrgäste sind andere Qualitäten wichtiger: Zustieg,
Sitzplätze, Temperaturverhältnisse im Wageninnern, Mitnahmemöglichkeiten
für Gepäck, Kinderwagen und Fahrräder, Informationssysteme, um nur einige
Punkte zu nennen. Was wird im Einzelnen geboten?
Über die Zahl der Türen und den Grundriß der neuen Züge kann man lange
und ausführlich debattieren - was sinnvoll ist und was nicht, zeigt
die Praxis. Leider ist das Sitzplatzangebot des Zuges gegenüber älteren
Bauarten durch den veränderten Grundriß gesunken. Erfreulich ist die
gestiegene Zahl der Fahrradstellplätze. Zwangsläufig auf Kosten der
Sitzplätze. Zu alldem muß bemerkt werden: mit der Bauart „Stadtbahn“ war
1927 hinsichtlich des simpel wie genial gestalteten Fahrzeuggrundrisses ein
derart großer Wurf geglückt, daß es schon an Wunder grenzt, etwas Besseres
bauen zu wollen. Schnellverkehr mit kurzen Stationsaufenthalten setzt nun
einmal Maßstäbe, die sich nicht endlos mit Komfortansprüchen verbinden
lassen. Man sollte über die Zahl der Türen noch einmal nachdenken. Das
Mißverhältnis zwischen dem zeitweisen Überangebot an Fahrradstellplätzen
und dem damit geringeren Sitzplatzangebot ist auch deshalb unverständlich,
weil schnell ein- und ausbaubare Sitze geplant sind, mit denen auf
Nachfrageschwankungen zum Wochenende reagiert werden kann.
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Das Fahrzeugkonzept der neuen S-Bahn. Quelle: Beschreibung BR 481, DWA / AEG |
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Überarbeitet werden sollte die Gestaltung der Sitze in Hinblick auf
mögliche „Dreckecken“. Wie in den Altbauzügen kann auch hier der kleine
Müll des Alltags (Bananenschalen, Pommestüten ...) in die einladenden
Ritzen zwischen Sitz und Seitenwand versenkt werden. Davon wird im
allgemeinen rege Gebrauch gemacht, die Reinigung ist schwierig bis
unmöglich. Ein gewisses Mindestmaß an Hygiene sollte aber schon gewahrt
bleiben. Sinnvoll wären Sitze, die bündig mit der Seitenwand abschließen.
Geprüft werden muß auch der Sinn einer Klimatisierung des Fahrgastraumes.
Der Energieaufwand steigt immens. Und funktioniert die Anlage auch noch,
wenn am Bahnhof Ostkreuz oder Zoo alle Türen offen sind und sich der
Fahrgastwechsel in die Länge zieht? Genügen nicht simple Klappfenster
für die Hitze im Sommer, eventuell kombiniert mit einer Druckbelüftung
über das Dach? Und noch eine Frage: Was ist, wenn im Sommer die
Klimaanlage ausfällt? Scheibe einschlagen?
Die Bewährung der 1. Klasse muß wohlwollend abgewartet werden. Prinzipiell
ist es zu begrüßen, wenn Angebotsstrukturen geschaffen werden, die für
anspruchsvollere Kunden - welche bereit sind, auch mehr zu zahlen - eine
Qualität vermitteln, die sie zum Umsteigen veranlaßt. Allerdings muß kritisch
beobachtet werden, ob es gerade in Spitzenlastzeiten praktikabel ist, extra
Abteile vorzuhalten, die für einen kleinen Kreis etwas mehr zahlender
Fahrgäste reserviert bleiben, während es in den übrigen Abteilen vor lauter
Gedränge nicht möglich ist, eine Zeitung zu lesen oder die Nase zu putzen.
Die Klasseneinteilung in S- und U-Bahn hatte man nicht ohne Grund abgeschafft.
Sinnvollerweise sind die Probezüge so konstruiert, daß mit geringem Aufwand
wieder rein „zweitklassige“ Züge hergerichtet werden können, auch die
Sitzanordnung insgesamt kann geändert werden. Vielleicht bietet man zu
normalen Preisen lieber einen komplett „erstklassigen“ Zug? Die in den
Einstiegsbereich öffnende Abteiltür muß als unglücklich bezeichnet werden,
weil konfliktstiftend. Eine Schiebetür wäre sinnvoller.
Sie sind in Mode gekommen: „sphärisch gekrümmte“ Stirnscheiben - originell
und teuer. Einen tatsächlichen Sinn ergeben sie nur als gestalterisches
Element. Im Hochgeschwindigkeitsbereich macht so etwas zur Verbesserung
der Aerodynamik Sinn; bei den maximal 100 km/h im Nahverkehr weniger, mit
der überstehenden Frontmaske gar nicht. Dafür entwickeln sich solcherart
verschönerte Fahrerstände zu wahren Brutkästen, so daß wiederum eine
kosten- und energieintensive Klimatisierung notwendig wird.
Es ist schon Usus, alle mit Leistungselektronik und Prozessorsteuerung
bestückten Nahverkehrsfahrzeuge als besonders energiesparend zu bezeichnen.
Alles eine Frage der Sichtweise! Der Viertelzug 481/482 weist sechs
angetriebene und zwei nicht angetriebene Radsätze auf. Damit hat diese
Einheit eine Motorleistung von 600 kW. Dagegen weist die all-achsgetriebene
Baureihe 480 je Viertelzug 720 kW auf. Hier gibt es also tatsächlich
eine Einsparung. Dann gibt es aber noch den bis 1992 in Hennigsdorf
gebauten 485/885! Bei vier angetriebenen Radsätzen je Viertelzug begnügt
er sich mit 500 kW.
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IGEB-Vorschlag für 481/482 bei geändertem Wagenkasten Zeichnungen: Artur Frenzei, 1996 |
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Die konsequente Anwendung von elektronischen Schaltelementen bewirkt
durchaus eine verringerte Leistungsaufnahme und minimiert vor allem
Wärmeverluste. Die hohen Anfahrbeschleunigungen und dazu gewisse
Leistungsreserven haben aber nun einmal ihren Preis in Form eines höheren
Stromverbrauchs - und zu dem sollte man dann auch stehen. Wenn in
verschiedenen Meldungen - selbst in der Fachpresse - treu und brav die
Pauschalfeststellung verbreitet wird, der Stromverbrauch sinke um ein
Drittel, kann dies als unseriös abgehakt werden. Es fehlt sowohl die
Bezugsgröße für diese Feststellung (offenbar die Baureihe 480 mit
ihrem maximalem Fahrprogramm) als auch ein Vergleich der einzelnen
bisher eingesetzten Baureihen.
Bei praktischer Bewährung des neuen Zuges sollten auf jeden Fall die
erst in den Jahren von 1990 bis 1994 beschafften Neubauzüge der
Baureihen 480 und 485/885 weitestgehend angepaßt werden: Anordnung
der Fahrradstellplätze, Türbetätigung, Fahrgastinformation.
Der außenstehende Betrachter wird sich zunächst etwas wundern, daß
vor Beginn der Serienlieferung bis 1997 nur Probeeinsätze erfolgen.
Angesichts der neuerdings herrschenden Unsitte, Fahrzeuge „vom Reißbrett“
weg zu verkaufen und dann durch unvorhersehbare Probleme den täglichen
Betrieb zu gefährden, muß diese vorsichtige Herangehensweise unbedingt
begrüßt werden. Erwarten wir also die ersten Einsätze der „Neuen“ im
Fahrgastbetrieb. Vieles, was sich bei der Präsentation des Zuges
und in den Hochglanzprospekten natürlich nicht offenbaren konnte,
wird noch zutage treten.
Die Berliner Fahrgäste sollten den 481er gründlich unter die Lupe
nehmen und mit ihrem Testurteil gegenüber der S-Bahn GmbH oder
natürlich auch ihrem Fahrgastverband nicht geizen. Nichts ist so
gut, daß es nicht noch besser werden könnte.
IGEB
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