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Seit 1990 wird der Öffentlichkeit der unverzügliche Baubeginn für den Umbau
des S-Bahnhofes Ostkreuz angekündigt, an dem tagtäglich 100.000 Fahrgäste
ein-, aus- und umsteigen. Seit 1990 mobilisiert der Berliner Senat aber
alle seine Kräfte, um eben diesen Umbau zu verhindern - obwohl Bonn die
dafür notwendigen Gelder in Höhe von 850 Mio DM schriftlich zugesagt hat.
Anstatt auf den schnellen Baubeginn zu drängen und die kurz nach der
Wende noch reichlich in den "Aufbau Ost" fließenden Gelder abzurufen,
kanten CDU und SPD zunächst einmal den millionenschweren Weiterbau der
nur in doppelstöckiger Tieflage möglichen Autobahn Neukölln parallel zur
S-Bahn. Damit wurde dem Ostkreuz - ähnlich der S-Bahn-Lücke Neukölln -
Treptower Park - ein mittlerweile fünfjähriger Baustopp verordnet, weil
die Bahnplanung vom Autobahnbau abhängig wurde. Auch die Finanzierung
bleibt ungeklärt und schwierig. Für die Autobahn müssen nämlich beim
Umbau von Ostkreuz "Vorleistungen" in dreistelliger Millionenhöhe
getätigt werden, die Bonn nicht bezahlen will und Berlin nicht bezahlen kann.
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Foto: Marc Heller |
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Seit vielen Jahren ist am S-Bf Ostkreuz nichts mehr erneuert worden, weil man auf den kurzfristigen Beginn des großen Umbau hoffte. Jetzt wird das Projekt durch die Pläne für eine innerstädtische Ringautobahn (Verlängerung der A100) blockiert. Nur Liebhaber von historischen Spuren oder Kuriositätensammler kommen beim S-Bf Ostkreuz noch auf ihre Kosten, die täglich 100.000 Fahrgäste aber haben das Nachsehen. Foto: Marc Heller |
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Daß jetzt plötzlich das Ostkreuz unter Denkmalschutz gestellt wird, dient
nur der Tatsache, die wahren Beweggründe des Senats zu verschleiern.
Wer einen der letzten Bahnhöfe aus der Gründerzeit, den Lehrter
Stadtbahnhof, für den überflüssigen Tiergartentunnel abreißt oder wer
allein im Bezirk Mitte über 100 historisch wertvolle Gebäude plattmacht,
dem glaubt niemand, daß er am S-Bf Ostkreuz plötzlich den Denkmalschutz
entdeckt.
Der Umbau des Bahnhofs Ostkreuz, der nur noch aus Gewöhnung steht, ist auch
deshalb notwendig, um dort endlich zwei fahrgastfreundliche
Richtungsbahnsteige zu errichten. Diese wiederum sind Voraussetzung für
die Sanierung und den fahrgastfreundlichen Umbau des S-Bahnhofs Warschauer
Straße. All das wird unnötigerweise durch den Autobahnbau verzögert. Selbst
die vom Planungsbüro IVU bei der Flächennutzungsplan-Debatte vorgestellte
Autobahnvariante Süd-Ost wurde vom Senat verworfen. Sie wäre billiger
gewesen und hätte die nicht finanzierbare Osttangente durch die Wuhlheide
überflüssig gemacht. Sie hätte auch grünes Licht für den Umbau von Ostkreuz
bedeutet.
Durch die Autobahnplanung des Senats gingen der S-Bahn, für die er bis
zum 31.12.1993 verantwortlich war, allein in der letzten Legislaturperiode
265 Mio DM verloren. Sie mußten unwiderbringlich nach Bonn zurückgegeben
werden (42 Mio in 1992, 150 Mio in 1994, 73 Mio
in 1995). Hinzu kommen 650 Mio DM die "auf Betreiben Berlins" (so die
Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage) im
Hauptstadtvertrag von der S-Bahn auf den Straßentunnel und die U5 verlagert
wurden.
Einer der Hauptverantwortlichen für dieses S-Bahn-Debakel in Höhe von 915 Mio
DM, Dr. Ural Kalender, wurde nicht etwa zur Rechenschaft gezogen, sondern
"rein zufällig" (Senator Klemann) in Personalunion zum Oberbauer und
Oberplaner gemacht. Gleichzeitig wurden langjährige Baufachleute wie Bernd
Misch und Nikolaus Kapp nur wegen ihres SPD-Parteibuchs
gefeuert bzw. aus der Verantwortung gejagt. Da die SPD diesem Treiben
tatenlos zusieht, wird sich an dem von ihr vehement bestrittenen
"weiter so" der großen Koalition nichts ändern - es sei denn, es
wird noch schlimmer!
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert den Berliner Senat auf, die
schienenfeindliche Politik aufzugeben, der Bahn analog zur
Regierungserklärung tatsächlich Vorrang einzuräumen und sich vom
Autobahnbau am Ostkreuz zu verabschieden, damit endlich die Signale
für den Umbau des S-Bahnhofs auf "Grün" gestellt werden können.
Michael Cramer, MdA Berlin Verkehrspolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen
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