Mehr als sechs Jahre nach dem Mauerfall ist auf
der Anhalter Bahn als einer der wichtigsten Schienenverbindungen zwischen
Berlin, dem Umland und dem mittel- und süddeutschen Raum noch immer
kein Lückenschluß vollzogen. Daß die Bau- und Fertigstellungstermine
hier vom Eisenbahnfernverkehr vorgegeben werden, daran ließ auch Herr
Wiener, Projektleiter "Anhalter Bahn" des Geschäftsbereichs Netz der
Deutschen Bahn AG, keinen Zweifel. Die vier Bauabschnitte zwischen dem
zukünftigen Fernbahnhof Südkreuz (heute Papestraße) und Ludwigsfelde sollen
erst zur Eröffnung des Tiergartentunnels - hier wurde das Jahr 2003
genannt - und vorerst zweigleisig fertiggestellt werden. Dieser Termin
stieß auf lautstarken Protest der zahlreich gekommenen Bürger und
Kommunalpolitiker.
Als erster und einziger provisorischer Zwischenschritt ist im Dezember
1997 die Inbetriebnahme eines Gleises für den Regionalverkehr zwischen
Teltow und Lichterfelde Süd vorgesehen. Bis dahin soll dann auch die
S-Bahn ab Lichterfelde Ost verlängert sein, so daß am selben Bahnsteig
umgestiegen werden kann. Der neue Abschnitt wird nach Aussage von Dr.
Karl-Heinz Beilner, Referatsleiter Eisenbahn im brandenburgischen
Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, durch eine
stündlich verkehrende Regionalbahnlinie Lichterfelde Süd - Jüterbog -
Lutherstadt Wittenberg bedient werden.
Die Bauarbeiten zum Lückenschluß begannen im Februar 1996 mit umfangreichen
Rodungen auf dem ehemaligen Bahndamm. Am 23. April 1996 erteilte das
Eisenbahnbundesamt (EBA) die Zustimmung zum Vorhaben. Zur Zeit laufen
Verhandlungen zur finanziellen Abwicklung zwischen dem EBA und dem
Bundesministerium für Verkehr (BMV). Laut Herrn Wiener erwägt die DB AG
bis zur erhofften Entscheidung Mitte 1996 eine zwischenzeitliche
Vorfinanzierung des Projektes.
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An dieser Stelle planen das Land Brandenburg und die DB AG den Kreuzungsbahnhof „Genshagener Kreuz“ zwischen Anhalter Bahn und Berliner Außenring. Auf absehbare Zeit hat dieses Projekt allerdings noch keine Chance, verwirklicht zu werden. Foto: Stephan Müller |
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Grundsätzlich werden die Fern- und Regionalbahngleise in der ursprünglichen
Lage wiederaufgebaut, das heißt vom Höhenniveau des heutigen Bahnhofes
Großbeeren zum Damm ansteigend. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt im
Berliner Stadtgebiet 160 km/h, außerhalb 200 km/h. Der Bahnhof Teltow
erhält vier Gleise mit zwei je 140 m langen Außenbahnsteigen. Das
Brückenbauwerk über die Landesstraße Mahlow - Potsdam nördlich des
Bahnhofes wird aufgrund der begradigten Straßenlage vollkommen neu gebaut.
Auch die Infrastruktur für den Ladungsverkehr wird optimiert: Das im Aufbau
befindliche Güterverkehrszentrum (GVZ) Großbeeren wird an seinem Nordkopf
an den heutigen Güterbahnhof Teltow und an seinem Südkopf an die
Verbindungskurve zum Berliner Außenring in Richtung
Saarmund/Seddin angebunden.
Zwischen Südkreuz und Ludwigsfelde werden insgesamt 18 Brücken und die
Zugangsstellen Lichterfelde Ost, Teltow und Großbeeren neu errichtet, am
Genshagener Kreuz entsteht für den gesamten Bereich ein elektronisches
Stellwerk (EStW). Die Gesamtkosten sollen 470 Mio DM nicht überschreiten,
darin sind 43,2 Mio DM für die o.g. Teilinbetriebnahme enthalten.
Herr Dr. Beilner führte ferner aus, daß gemäß dem "Zielnetz 2000" bei
vollständiger Inbetriebnahme der Anhalter Bahn und des Fernbahntunnels die
RegionalExpress-Linie 3 von Cottbus über Berlin nach Prenzlau geführt und
im Halbstundentakt gefahren werden soll und daß eine
StadtExpress-Linie Jüterbog - Berlin - Angermünde im Stundentakt vorgesehen
ist. Beides sei allerdings sowohl vom zukünftigen Aufkommen als auch von
Komplementärbestellungen der Linien durch den Berliner Senat abhängig.
Um das "Zielnetz 2000" wie aufgeführt mit einer Zugbelegung von ca. 48
Zugpaaren je Richtung umzusetzen, schafft der DB AG-Bereich Netz allerdings
keine geeigneten Voraussetzungen. Zwar werden die Bahnsteig- und Gleisanlagen
in Ludwigsfelde bis 1998 vollständig modernisiert, sie lassen dann jedoch
nur eine maximale Belegung von 24 Zugpaaren je Richtung zu. Die DB AG beruft
sich dabei auf ein 1992 durch das BMV bestätigtes Regionalbahnkonzept.
Weiterhin gilt die Option der DB AG auf ein drittes und viertes Gleis
zwischen Berlin-Südkreuz und dem Umland lediglich für den - inzwischen
fast ausgeschlossenen - Fall eines Großflughafens in Sperenberg. Alle
weiteren notwendigen Infrastrukturmaßnahmen bei Gleisen und Bahnsteigen, die
dem Regionalverkehr dienen, sind dann Angelegenheiten des jeweiligen
Bundeslandes und von diesem zu finanzieren.
Für einen Kreuzungsbahnhof "Genshagener Kreuz" (Anhalter Bahn/Außenring)
dürften aus eben diesem Grund alle Messen gelesen sein - sowohl Bahn, Land
als auch Kommune sehen keine zwingende Notwendigkeit für den Neubau,
zumal die DB AG dort nur 1.900 tägliche Umsteiger bei Investitionskosten
von 53 Mio DM prognostiziert.
Widersprüchliches auch beim Thema S-Bahn in Richtung Teltow Stadt. Während
Herr Dr. Beilner von einem Baubeginn im Jahr 1999 ausgeht, rechnet die DB
AG nach langen Planungsvorlaufzeiten damit frühestens 2000 mit nachfolgenden
zwei Jahren Bauzeit. Auch die Finanzierungsfragen sind noch unklar - sicher
scheint bisher nur der Grunderneuerungsanteil des Bundes zwischen Lichterfeldc
Süd und der Stadtgrenze von 26 Mio DM. Da von dort ein S-Bahn-Neubau bis
Teltow Stadt erfolgen soll, während die Züge bis 1961 zum - ungünstiger
gelegenen - Endpunkt Teltow (Bahnhof) fuhren, sind Beteiligungen des Bundes
an Infrastruktur- und Betriebskosten im Sinne eines "echten" Lückenschlusses
eher unsicher. Das Land will allerdings eine Vorfinanzierung möglichst schon
für einen Baubeginn im Jahr 1998 nicht ausschließen. Zugleich soll die
Option für eine weitere Verlängerung in Richtung Stahnsdorf freigehalten
werden.
Deutscher Bahnkunden-Verband
Landesverband Brandenburg
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