Nahverkehr

Zwischen Spandau und Havelland

Anmerkungen zum Fahrplanwechsel am 2. Juni

Wie in jeden Jahr haben auch in diesem Frühjahr die Verkehrsbetriebe ihre Fahrpläne geändert, um so, zumindest aus ihrer Sicht, das Angebot für den Kunden zu optimieren bzw. an die Nachfrageentwicklung anzupassen. Im Folgenden wird der DBV dieses für den Bereich Spandau und Havelland kritisch würdigen.

BVG

Nach langer Zeit hat sich die BVG daran erinnert, daß es auch im Bezirk Spandau Fahrgäste gibt, denen man gelegentlich auch einmal Verbesserungen zukommen lassen sollte, wenn schon regelmäßig überproportionale Fahrpreiserhöhungen die Kunden belasten.

Die Buslinie 132 wird während der Geschäftszeiten von Staaken bis zum Einkaufszentrum Havelpark verlängert. Damit ergibt sich eine regelmäßige Fahrmöglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu diesem starken Anziehungspunkt. Die Problematik des unterschiedlichen Bartarifs zwischen der Havelbus Verkehrsgesellschaft (HVG) und der BVG entfällt daher für die Spandauer. Wir danken der HVG an dieser Stelle für die Bemühungen des letzten Fahrplanjahres, durch zusätzliche Fahrten auf ihrer Linie eine Verbindung zwischen Spandau und dem Havelpark herzustellen.

Der DBV hofft, daß die verkehrlichen Zustände auf der B5 nicht zu massiven Beeinträchtigungen für den Betrieb der Linie 132 führen, die die Fahrgäste zwischen Staaken und Spandau treffen würden. Diese Kunden stellen nach wie vor das Hauptpotential dieser Linie dar. Weiterhin ist auf die Kapazität dieser zur Hauptverkehrszeit heute schon stark belasteten Verbindung zu achten. Durch die zusätzlichen Fahrgäste mit dem Ziel Havelpark dürfen keine Beeinträchtigungen der derzeitigen Kunden verbunden sein.

Im Nachtbusbereich wird im Stadtteil Kladow mit der neuen Linie N35 ein Taxiservice bis vor die Haustür angeboten. Weiterhin wird das Bedienungsgebiet im Nachtverkehr in diesem Bereich deutlich erweitert. Wir begrüßen diese Maßnahme außerordentlich.

Nach langjährigen Forderungen des DBV wird auch in Spandau eine ExpressBus-Linie eingerichtet. Diese verkehrt als X49 über die Heer- und die Kantstraße zwischen Staaken Reimerweg und S-Bahnhof Charlottenburg bzw. Wilmersdorfer Straße. Wir begrüßen diese Linie, kritisieren jedoch, daß dennoch die Anliegen der Fahrgäste bezüglich dieser Verbindung nicht erfüllt wurden. Der Regionalverband Havelland hat bei seinen Gesprächen mit der BVG immer wieder darauf hingewiesen, daß die Führung der neuen ExpressBus-Linie X49 zur Louise-Schroeder-Siedlung am Brunsbütteier Damm notwendig ist.

Folgende Gründe sprechen dafür:

  • Die Linie erschließt zusätzliche Bevölkerungspotentiale in Neu-Staaken (Louise- Schroeder-Siedlung, ca. 12.000 Einwohner!). Die Rudolf-Wissel-Siedlung würde auch beim Abknicken der Linie X49 in den Magistratsweg durch dieses neue Angebot gut erschlossen.
  • Durch oben beschriebene Führung der Linie X49 erhält auch Neu-Staaken eine Fahrmöglichkeit in die Berliner City mit nur einmaligem Umsteigen. Die Umsteigehäufigkeit ist neben der Fahrzeit ein wichtiger Attraktivitätsfaktor für die Benutzung des ÖPNV. Nach Aussagen der BVG wären keine Fahrzeitgewinne zwischen Staaken und der Berliner City durch die Benutzung der Linie X49 mit Umsteigen in die U2 am Theodor-Heuss-Platz anstelle des Weges über Rathaus Spandau und Bismarkstraße (Linie 132. U7 und U2) realisierbar. Wir sehen jedoch das nur einmalige Umsteigen als Hauptargument für diese Verbindung.
  • Eventuell kann auf der Linie 132 (Staaken Nennhauser Damm - U-Bahnhof Rathaus Spandau) auf E-Wagen verzichtet werden, wenn sich zwischen Staaken und der City entsprechende Verlagerungen zur Linie X49 einstellen. Weiterhin bleibt festzuhalten, daß bis 1984 mit der ehemaligen Buslinie 92 eine direkte Verbindung zwischen Staaken Brunsbütteier Damm und dem U-Bahnhof Theodor-Heuss-Platz bestand, die sehr gut angenommen wurde.
  • Für die Staakener ergäbe sich durch die Führung der Linie X49 zur Louise-Schroeder-Siedlung eine direkte Verbindung zur Wilmersdorfer Straße, welche neben der Spandauer Altstadt ein beliebtes Einkaufsziel ist.

Die BVG begründet ihre Konzeption folgendermaßen:

  • Der X49 wäre bei einer Führung nach Staaken Brunsbütteier Damm ein Parallelverkehr zur Regionalbahn auf der Lehrter Bahn. Wir sehen jedoch keinen Zusammenhang zwischen der Regionalbahn, die der Erschließung der Region und deren Verbindung mit der Berliner City dient, und dem ExpressBus, dessen Aufgabe die innerstädtische Erschließung ist. Zudem ist die Regionalbahnverbindung auf der Lehrter Bahn erst 1997 zu erwarten und erreicht mit einem Stundentakt, zur Hauptverkehrszeit Halbstundentakt, nicht die notwendige Verkehrsdichte für den Stadtverkehr. Von einem Parallelverkehr kann erst dann gesprochen werden, wenn Staaken wieder einen S-Bahn-Verkehr mindestens im 20-Minuten-Takt erhält.
  • Weiterhin argumentiert die BVG, daß die Linie X49 Fahrgäste aus Staaken von der U-Bahn- Linie 7 abziehen könnte, diese dadurch also (noch) unwirtschaftlicher werden würde. Wir sind jedoch der Ansicht, das die Fahrgäste von heute nicht für Fehlplanungen der Vergangenheit herangezogen werden können. Der Weg von der Louise-Schroeder-Siedlung in die City über die sehr unglücklich geführte U7 mit zweimaligem Umsteigezwang bei unkoordinierten Fahrplänen ist zudem kaum geeignet, weitere Fahrgäste für den ÖPNV zu gewinnen. Von daher werden keine Fahrgäste aus der U7 abgezogen, da die potentiellen Kunden derzeit besser mit dem Auto fahren, die auf der Heerstraße mindestens genauso gut vorankommen wie der ExpressBus. Daß der Weg in die Innenstadt mit der U7 eine schlechte Verbindung ist, zeigt auch das BVG-eigene Programm "Fahr-Info", welches für die Strecke Louise-Schroeder-Siedlung - Zoologischer Garten in der Morgenspitze ausschließlich Verbindungen über die Heerstraße oder Ruhleben anbietet (Fahrplan 1995/96).

Der Regionalverband Havelland des Deutschen Bahnkunden-Verbandes kann die Argumente der BVG gegen die Führung des X49 zur Louise-Schroeder-Siedlung nicht teilen und bleibt bei seiner Forderung, daß diese Linie am Brunsbütteler Damm ihren Endpunkt haben muß. In diese Richtung geht auch ein Beschluß der BVV Spandau vom 24.1.1996. Die Ignoranz, die uns im letzten Jahr, trotz diverser Gespräche mit der BVG, nicht nur in dieser Frage entgegengebracht wurde, zeugt davon, daß es bei der "immer besseren" BVG mit der Berücksichtigung der Kundenbelange noch nicht weit her ist. Einige Argumente der BVG zeugen schlicht und einfach von Unkenntnis der Spandauer Örtlichkeiten in der fernen Potsdamer Straße. Hier ist auch seitens der Politik noch viel Einflußnahme auf das mit öffentlichen Mitteln geförderte Unternehmen notwendig, da auch eine Forderung der Bezirksversammlung ignoriert wurde.

Havelbus

Wenig neues zum Fahrplanwechsel gibt es bei der HVG. Aufgrund der Verlängerung der BVG Linie 132 zum Havelpark entfallen die zusätzlichen Fahrten auf der Linie 657. Diese verkehrt weiterhin im Stundentakt zwischen Spandau und Nauen. Diese Maßnahme ist gerechtfertigt. Allerdings verkehrt die Linie 657 nur noch zur Hauptverkehrszeit über Dallgow Bahnhof (Führung über Wilms-, Bahnhof- und Seestraße). Für Fahrgäste mit dem Ziel Dallgow ist daher ein Umsteigen am Havelpark notwendig (von den Linien 132 und 657 zu den Linien 653 und 655). Diese Anschlüsse sind jedoch kaum koordiniert bzw. kommen aufgrund des unzuverlässigen Verkehrsablaufs auf der B5 nicht zustande, so daß sich erhebliche Fahrzeitverlängerungen ergeben. Psychologisch noch problematischer ist das Abfahren des Anschlußbusses kurz vor Ankunft des anderen Wagens, mit Sicht der Fahrgäste auf die roten Schlußlichter. Wir halten hier dringend Abhilfe für erforderlich, die wegen der Störungen auf der B5 und dem Brunsbütteier Damm aus unserer Sicht zunächst nur in einer Wiederaufnahme aller Fahrten der Linie 657 zum Bahnhof Dallgow bestehen kann.

Die HVG hat sich schon im letzten Fahrplanjahr auch als sehr flexibel erwiesen, indem kurzfristig das Neubaugebiet "Parkstadt" in Falkensee an den Busverkehr angeschlossen wurde. Dieses erfolgte unabhängig vom Fahrplanwechsel und wird seitens des DBV begrüßt. Wir erwarten eine ähnliche Flexibilität bei der Frage der Linie 657.

Regionalbahnverkehr

Nichts neues gibt es bei der Bahn. Größere Veränderungen werden erst für September 1996 angekündigt, wenn die Baumaßnahmen an der Hamburger Bahn beendet sind. Allerdings haben sich nennenswerte Änderungen bereits im März ergeben, als die Züge zwischen Nauen - Spandau - Westkreuz endlich mit den Erfordernissen angepaßtem Fahrzeugmaterial ausgestattet wurden. Damit ergab sich eine Trennung der Umläufe Westkreuz - Nauen und Nauen - Pritzwalk. Der zunächst durchgeführte Einsatz des Triebwagens Typ 628/928 auf dieser Linie zeigte deutlich, daß in der fernen Ruschestraße, wie auch in der fernen Potsdamer Straße, nicht die richtigen Vorstellungen über die verkehrlichen Belange im Havelland bestehen. Vor den zu erwartenden Kapazitätsengpässen hatte der Regionalverband Havelland schon vor dem Fahrplanwechsel 1995/96 gewarnt. Weiterhin zeigt dieses, daß der Ballungsraumverkehr nicht mit denselben Verkehrsmitteln abgewickelt werden kann wie der Regionalverkehr im äußeren Entwicklungsraum Brandenburgs. Genau dieses sieht aber das Zielnetz 2000 für den Regionalbahnverkehr vor.

Zug
Wie schon vor zwei Jahren setzt die DB AG jetzt zwischen Westkreuz und Nauen wieder Lok-Wagen-Züge ein, um die Sitzplatz- und Fahrradkapazität im Vergleich zum VT 628 zu erhöhen. Foto: Stephan Müller

Auf der Lehrter Bahn findet seit September 1995 kein Zugverkehr statt, die Wiederaufnahme ist erst für 1997 vorgesehen! Zwar hat der DBV immer gesagt, daß eine Einstellung des Zugverkehres gerechtfertigt ist, wenn dafür schneller gebaut werden kann. Die Einstellung der Zugverbindung Westkreuz - Spandau - Wustermark im September letzten Jahres resultierte aber nicht aus Bauarbeiten an der Lehrter Bahn, sondern aus solchen an der Hamburger Bahn, wodurch die IC-Züge von Hamburg so verschoben wurden, daß sie in Spandau ausgerechnet in die Taktlage der Züge nach Wustermark gerieten. Wie schon im Fahrplanjahr 1992/93 (damals wurden wegen Bauarbeiten zwischen Zoo und Wannsee die IC-Züge von Hannover über Spandau umgeleitet) wurde wieder einmal der Nahverkehr zurückgestellt. Dieses ist ein deutlicher Affront gegen die Kunden im Havelland und nicht mehr hinnehmbar. Die Aussage des Regionalverbandes bezog sich ausschließlich auf Bauarbeiten an der konkreten Strecke und nicht auf Maßnahmen in anderen Bereichen oder zur reibungslosen Abwicklung des für das Havelland unwichtigen IC-Verkehrs. Ebensowenig kann eine Betriebseinstellung auf ungewisse Zeit hingenommen werden. Der DBV fordert eine schnellstmögliche provisorische, aber zuverlässige Wiederinbetriebnahme der Zugverbindung Westkreuz - Spandau - Wustermark. Im übrigen ist es an der Zeit, daß die DB AG sich bei den Havelländern glaubhaft durch ein wesentlich attraktiveres Angebot entschuldigt.

Zum kleinen Fahrplanwechsel im September fordert der DBV die Aufnahme eines Regionalbahnverkehrs im Halbstundentakt auf der Strecke Nauen - Spandau - Westkreuz bzw. Charlottenburg.

Deutscher Bahnkunden-Verband
Regionalverband Havelland

aus SIGNAL 5/1996 (Juli 1996), Seite 20-22

 

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