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Der in Cottbus mittlerweile mit sehr großem Erfolg eingesetzte KTNF6 wurde
auf Initiative des Herstellers für eine Woche in Schöneiche planmäßig
eingesetzt. Dies geschah ohne nennenswerte Probleme. Die Schöneicher
Straßenbahn beabsichtigt die Beschaffung vier solcher Mittelteile, um
die Fahrzeugeinheiten auf eine bedarfsgerechte Größe zu erweitern
und Behinderten angemessene Zugangsmöglichkeiten zu bieten.
Abhängig ist die Umsetzung dieser Pläne von der Sicherung der
nötigen Finanzen. Zusagen des Landes existieren.
Man hatte sich nicht ohne Grund in die Nähe des größten deutschen
Straßenbahnbetriebes begeben. Hier besteht zum einen ein nach wie vor
hoher Erneuerungsbedarf im Fahrzeugpark, zum anderen ist mit flächendeckender
Einführung von Niederflurangeboten selbst bei optimistischer Betrachtung nur
in einem Zeitraum zu rechnen, der in Jahrzehnten gemessen werden muß. Die
19 Jahre dauernde Umstellung auf Tatra-Betrieb kann als Vergleichsgröße
benutzt werden. Es liegt also auf der Hand, daß der vorhandene Wagenpark
möglichst heutigen Ansprüchen an behindertengerechtem Zugang angepaßt
werden sollte.
Eine vom Hersteller vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung empfiehlt als
Beispiel die Umstellung der Linien 2, 3 und 4 (Trasse Greifswalder Straße)
auf Solobetrieb mit KTNF6 bei gleichzeitiger Taktverdichtung in der
Hauptverkehrszeit. Anhand dieses Beispiels läßt sich analog zu Cottbus eine
Amortisation des Nf-Mittelteils durch eingesparte KT4D-Doppeltraktionen
nachweisen. Die empfohlene Taktverdichtung zur Bewältigung des
Spitzenaufkommens wird zugleich als Beitrag zur Attraktivitätssteigerung
angesehen.
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Cottbuser KT4D mit Niederflurmittelteil in Schöneiche. Ende Mai fanden Probefahrten, auch mit Fahrgästen statt. Die Resonanz war positiv. Dennoch gibt es in Berlin eine unverändert harte, sachlich nicht nachvollziehbare Abneigung gegen diese Lösung. Foto: Ivo Köhler |
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Genau hier hinkt die Betrachtung aber. Denn mit noch mehr Zügen wird man in
den neuralgischen Bereich Rosa-Luxemburg-Platz/Hackescher Markt kaum noch
einfahren können. Und wenn als Entlastung die Neubaustrecke über den
Alexanderplatz irgendwann einmal Realität wird, macht die damit verbundene
Attraktivitätssteigerung alle heutigen Zahlen zu Makulatur, in den
Innenstadtbereichen und auf den hoch belasteten Trassen in die Neubaugebiete
Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf sollte daher der begonnene Weg des
Einsatzes von Niederflurzügen auf ausgewählten Linien fortgesetzt werden. Nur
müssen diese Züge nicht mit Gewalt zu 100 Prozent niederflurig sein, aber
dafür ausgereift und preiswert. Und letzteres ist der springende Punkt. In
Zeiten leerer Kassen - und die BVG wird nun einmal weiter vom Land bezahlt -
kommt man um Wege zur Kostensenkung nicht herum. So kann die
Niederflurerweiterung des KT4D durchaus als Ergänzung für die genannten
Innenstadt-Linien dienen, Zugbildungen aus KTNF6+KTNF6 oder KTNF6+KT4D sind
denkbar. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Wer diese Einheiten baut, ist egal.
Das eigentliche Einsatzgebiet sind aber die Regionalnetze Pankow und Köpenick.
In 15 oder 20 Jahren immer noch hochflurige Fahrzeuge anzubieten, während
komplette Busflotten auf Niederflur umgestellt sind, wird nicht mehr
vermittelbar sein. Spätestens dann wird sich zeigen,
wie die durch BVG-Vertreter in Schöneiche demonstrativ zur Schau
getragene Ablehnung dieses Fahrzeuges gerechtfertigt war.
IGEB
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