Die projektierte StadtExpress-Linie nach Küstrin/Kostrzyn soll bis Strausberg
parallel zur Trasse der Gleichstrom-S-Bahn verlaufen und langfristig
elektrifiziert werden. Überlegt wird in diesem Zusammenhang auch, den
Abschnitt Strausberg - Strausberg Nord aus dem S-Bahn-Netz herauszunehmen
und künftig ebenfalls mit StadtExpress-Zügen zu befahren. Zwei sich
überlagernde SE-Linien würden auf der Strecke zwischen Berlin Wriezener
Bahnhof und Strausberg dann einen 30-Minuten-Takt herstellen. Dieses
Betriebsprogramm gilt nur den Regionalverkehr - speziell hier für das
Produkt StadtExpress - als mustergültig.
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Abfahrbereiter Zug in Strausberg Nord. Die Fahrt bis Berlin-Charlottenburg dauert heute eine Stunde und 19 Minuten. Mit der Express-S-Bahn soll es rund 11 bis 12 Minuten schneller gehen. Foto: Marc Heller |
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Auch mit Blick aufeinen künftigen Halt am Ostkreuz mit Umsteigemöglichkeit
zur Ringbahn soll die "Musterstrecke" über Lichlenberg hinaus in Richtung
Innenstadt geführt werden, für eine direkte Einfadelung in den Hauptbahnhof
wären aber sehr aufwendige Kreuzungsbauwerke über/unter den S-Bahn-Gleisen
der Stadtbahn erforderlich. Die Führung zum Wriezener Bahnhof bietet sich
als kostengünstigere Variante an, da in diesem Fall vorhandene Gleise
nördlich der S-Bahn genutzt werden könnten. Errichet werden müßte aber
immerhin ein Personenbahnsteig auf dem Areal des alten Wriezener Kopfbahnhofs,
auch der Umsteigeweg zum ca. 200 Meter entfernten Hauptbahnhof wäre
zumutbar zu gestalten (das niveaugleiche Überqueren der Straße der
Pariser Kommune ist kaum akzeptabel).
Ausbau und Elektrifizierung der Ostbahn-Strecke nach Kostrzyn erfordern hohe
Investitionen. Soll bis Strausberg Nord weiterhin die S-Bahn fahren, müssen
im Bahnhof Strausberg zumindest Gleich- und Wechselstromsystem voneinander
isoliert werden. Um komplizierte "Trenntransformatoren" (wie in Birkenwerder
und Erkner) zu vermeiden, kommt als letztlich befriedigende Lösung hier nur
eine Umgestaltung der Gleisanlagen in Betracht. Gegenwärtig nutzen die bis
Strausberg Nord durchlaufenden S-Bahn-Züge gemeinsam einen Gleisabschnitt
mit den dieselbetriebenen Regionalzügem nach Kostrzyn.
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Ein Makel des ansonsten vielversprechenden Konzeptes: Den Umsteigebahnhof Wuhletal müssen die Express-S-Bahn-Züge ohne Halt durchfahren, um in dem komplizierten Fahrplangefüge untergebracht zu werden. Foto: Marc Heller |
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Auch auf anderen Streckenabschnitten wären beide Stromsysteme voneinander zu
trennen. Mittels Kabelverbindungen sind S-Bahn- und Fernbahngleise nämlich
noch verbunden. Auf diese Weise kann die S-Bahn das nicht elektrifizierte
Ferngleis als sogenannten "Rückleiterquerschnitt" mitnutzen. Wird dieser
verringen, entstehen aber höhere Energieverluste - ein Problem, mit dem die
Berliner S-Bahn ja inzwischen auf vielen Strecken konfrontiert ist.
Schätzungsweise würden die für einen elektrischen StadtExpress bis Kostrzyn
nötigen Infrastrukturmaßnahmen 250 Millionen DM kosten. Damit ist der
Investitionsbedarf für eine Express-S-Bahn nach Strausberg Nord natürlich
nicht direkt vergleichbar. Doch auch wenn man berücksichtigt, daß die
Strecke kürzer ist, überrascht die Studie der DE-Consult mit einem
sehr geringen Kostenansatz für die Infrastrukturanpassung.
Express-S-Bahn alle 40-Minuten?
Vier untersuchte Varianten
Das Gutachten untersucht, unter welchen Bedingungen eine zusätzliche
Zuggruppe, die nur in Mahlsdorf, Hoppegarten und Strausberg hält, eingerichtet
werden kann. Da sich in der Simulation gezeigt hat. daß die Fahrzeitwerte für
die Baureihen 475 bis 477, 480 und 485 aufgrund der wenigen Anfahrvorgänge
und bei einer zulässigen Streckenhöchstgeschwindigkeit (!) von unverändert
80 km/h nur geringfügig differieren, wurden generell die Werte für
Altbaufahrzeugen zugrundegelegt.
Zunächst sind vier Varianten für eine Express-S-Bahn (Zuggruppe Ex) im
40-Minuten-Takt durchgerechnet worden. Rücksicht nehmen muß diese vor
allem auf das Fahrplangefüge der derzeitigen Zuggruppen E (intern noch so
bezeichnete Stammzüge der S5) und E 1 (Verstärkerzüge von/nach Hoppegarten):
auch die Zuggruppenstruktur im Bereich Lichtenberg soll möglichst wenig
verändert werden. Zu beachten ist ferner der eingleisige Abschnitt
östlich von Hoppegarten.
Kurzcharakteristik der Varianten
- a) Zuggruppe Ex überholt stadteinwärts in Hoppegarten die Zuggruppe E
von Strausberg und folgt dann bis Lichtenberg (bei sich stetig verringerndem
Abstand) der Zuggruppe E I. Stadtauswärts folgt Ex auf E und kann
diese erst in Mahlsdorf überholen.
- b) Jeder zweite Zug der Gruppe E 1. wird als E von/nach Strausberg Nord
geführt. Eine Beschleunigung ergibt sieh in diesem Fall erst auf dem
Abschnitt Hoppegarten - Strausberg Nord.
- c) Zuggruppe Ex überholt stadteinwärts ebenfalls in Hoppegarten die
Zuggruppe E, fährt jedoch stadtauswärts ab Lichtenberg vor der
Zuggruppe E. So entfällt das Überholen in Mahlsdorf.
- d) Zuggruppe Ex überholt stadteinwärts nicht in Hoppegarten, sondern
bleibt bis Lichtenberg hinter Zuggruppe E. Damit läßt sich in beiden
Richtungen der Zeitvorteil im wesentlichen durch Ausschöpfen der Zeitlücken
zwischen den Zuggruppen E und E 1 erzielen. Vereinfacht ausgedrückt: Die
Ex-S-Bahn fährt immer kurz vordem nachfolgenden normalen S-Bahn Zug in
Hoppegarten oder Lichtenberg ab und kommt jeweils dicht hinter dem
vorausgefahrenen Zug an (für Techniker: "Nonius-Prinzip").
Die Konfliktpunkte respektive "feindliche Fahrplanlagen" - vor allem in den
Bereichen Neuenhagen sowie zwischen Fredersdorf und Strausberg - zu
minimieren, ist bei allen vorstehenden Varianten in größerem Umfang ein
zweigleisiger Ausbau erforderlich. Beim ebenfalls untersuchten Einsatz
einer Duo-S-Bahn (wahlweise Energie aus Stromschiene oder Dieselaggregat)
ließe er sich durch die Mitbenutzung des Ferngleises verringern.
Präferenz für Stundentakt,
aber halbstündlich zwischen Strausberg
und Strausberg Nord
Insgesamt ziehen die Gutachter das Fazit, daß die bisher geschilderten
Lösungen nicht befriedigen. Deshalb schlagen sie vor, das von einem
40-Minuten-Takt der Express-S-Bahn ausgehende Betriebsprogramm zu
modifizieren. Dies fuhrt zu einer weiteren Variante: Zwischen Lichtenberg
und Strausberg läßt sich die Express-S-Bahn bei minimale Infrastrukturausbau
einmal pro Stunde die Überholvorgänge ins Fahrplangefüge der bis Hoppegarten
10-minütig, darüber hinaus 20-minütig verkehrenden S5 einpassen. Insbesondere
der kritische eingleisige Abschnitt zwischen Hoppegarten und Strausberg
würde nur mit einer zusätzlichen Zugfahrt pro Stunde belastet.
Im Streckenabschnitt Strausberg - Strausberg Nord stellen die im Stundentakt
verkehrende Zuggruppe Ex und die dann hier ebenfalls stündlich verkehrende
Zuggruppe E gemeinsam einen 30-Minutcn-Takt her. Dabei werden die
Unterwegshalte Hegermühle und Strausberg Stadt auch von der Zuggruppe Ex
bedient. Außerdem läßt sich der Stundentakt der Express-S-Bahn zwischen
Strausberg und Berlin-Lichtenberg auf einen ebenfalls stündlich verkehrenden
(zumindest vorerst dieselbetriebenen) StadtExpress von/nach Kostrzyn so
abstimmen, daß alle 30 Minuten eine beschleunigte Verbindung angeboten wird.
Vorzugslösung
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Foto: DE-Consult 1/96 |
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Foto: DE-Consult 1/96 |
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Die drei Zeichnungen zeigen den heutigen Zustand der Strecke von Biesdorf bis Strausberg Nord. Markiert sind die Bereiche mit den für die „Vorzugslösung Express-S-Bahn“ nötigen Infrastrukturmaßnahmen: 1. Blockteilung Birkenstein (Einteilung der Teilstrecke Mahlsdorf - Hoppegarten in drei Blockabschnitte), 2. Kreuzungsgleis Neuenhagen, 3. Kreuzungsgleis westlich Strausberg. Foto: DE-Consult 1/96 |
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Für das Betriebsprogramm "Express-S-Bahn im
Stundentakt" hat die DE-Consult weiter Detailuntersuchungen angestellt, aus
denen sieh als günstigste Variante die sogenannte Vorzugslösung
herauskristallisierte. Sie erfordert lediglich eine Unterteilung des
Abschnitts Mahlsdorf - Hoppegarten in drei Blockabschnitte sowie je ein
neues Kreuzungsgleis in Neuenhagen und westlich vor dem Bahnhof Strausberg.
Für die Kreuzung vor Strausberg gibt es zwei Vorschläge: Ersterer sieht Für
die Zuggruppe E der S5 einen kurzen Betriebshalt vor und kommt deshalb mit
einem nur 550 Meter kurzen Kreuzungsgleis aus, letzterer würde dank eines
neuen 1.900 Meter langen Gleises eine "fliegende Kreuzung" ermöglichen. Für
die Vorzugslösung mit kurzem Kreuzungsgleis vor Strausberg beträgt der
Investitionsbedarf insgesamt 4,36 Mio DM, für die Vorzugslösung mit langem
Kreuzungsgleis 6,855 Mio DM - jeweils einschließlich Weichen und
Signalen, Blockteilung und Kreuzung Neuenhagen.
Nach den Berechnungen der DE-Consult benötigt die Express-S-Bahn bei zwei
Zwischenstops in Hoppegarten und Mahlsdorf für die Strecke Strausberg -
Lichtenberg exakt 24,3 bzw. 24,4 Minuten. Richtung Berlin wäre sie damit um
13,9 Minuten, in der Gegenrichtung um 9,2 Minuten schneller als die
überall haltenden S-Bahn-Züge. Die Differenzwerte beziehen sich noch auf
den Jahresfahrplan 1995/96, verglichen mit dem derzeit gültigen verändern
sie sich auf ca. 11 bzw. 12 Minuten. Durch geänderte Haltezeiten der jetzigen
S5 können sich die Unterschiede natürlich nochmals verschieben. Wie
schon erwähnt, liegen die technischen Parameter der Altbauzüge und
eine Streckenhöchstgeschwindigkeit von 80 km/h zugrunde.
Beim Einsatz "spurtfreudigerer" Neubaufahrzeuge auf der S5 könnte die
Express-S-Bahn aber nur noch bei höherem Spitzentempo einen nennenswerten
Zeitvorteil erzielen. Dann müßten sowohl Streckenhöchstgeschwindigkeit
als auch die Durchfahrgeschwindigkeit an Bahnsteigen (gegenwärtig
maximal 50 km/h) erhöht werden.
Bei manchem Leser mag die Express-S-Bahn Erinnerungen an die "Bankierszüge"
der Vorkriegszeit wecken. Die fuhren einst nonstop zwischen Zehlendorf und
Potsdamer Bahnhof - allerdings auf eigens dafür mit Gleichstrom
elektrifizierten Ferngleisen. Das für die Strausberger Strecke erarbeitete
Konzept setzt dagegen auf weitgehend vorhandene S-Bahn-Infrastruktur.
Obendrein ergibt sich dadurch der Vorteil, die Züge über Lichtenberg und
Hauptbahnhof hinaus wie gewöhnliche S-Bahnen auf die Stadtbahn weiterführen
zu können und so den Fahrgästen ins Zentrum das Umsteigen zu ersparen.
Wie geht es weiter?
Das Projekt liegt den Bestellern der Verkehrsleistung, den Ländern Berlin
und Brandenburg, zur Prüfung vor. Wenn dort keine gravierenden Probleme
entdeckt werden, dann sollte die Express-S-Bahn nach Strausberg jetzt eine
Chance bekommen, denn der Zeitbedarf und die Kosten für die Realisierung
sind so viel niedriger als beim Stadt-Express-Projekt der DB, daß eine
schnelle Realisierung des S-Bahn-Ausbaus auch dann sinnvoll ist, wenn eines
fernen Tages doch noch Geld für den SE zur Verfügung stehen sollte und
dieser bei der schnellen Anbindung von Strausberg den Vorzug
erhalten würde.
IGEB
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